Schwere, Elektricität und Magnetismus/§. 65.

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§. 65.
Grundgesetz der magnetischen Wechselwirkung. Die Potentialfunction der magnetischen Krafte.


 Zur Erklärung der magnetischen Erscheinungen kann man eine ähnliche Hypothese aufstellen, wie sie der Theorie der Elektricität zu Grunde gelegt ist. Wir nehmen zwei einander entgegengesetzte magnetische Fluida an, ein positives und ein negatives. Zwei magnetische Theilchen, deren magnetische Massen (nach Zahlwerth und Vorzeichen) und sind, üben in der Entfernung eine Kraft



auf einander aus, deren Richtung in die Verbindungslinie der beiden Theilchen fällt. Die Kraft ist Abstossung oder Anziehung, je nachdem das Product positiv oder negativ ist. Insofern eine Anziehung als negative Abstossung angesehen werden kann, darf man auch sagen: zwei magnetische Theilchen von den magnetischen Massen und , die in der Entfernung von einander sich befinden, üben in der Richtung ihrer Verbindungslinie eine Abstossung


(1)


auf einander aus.

 Als magnetische Masseneinheit ist dabei dasjenige Quantum magnetischen Fluidums genommen, welches ein ihm gleiches Quantum in der Einheit der Entfernung mit der Krafteinheit abstösst. |[246]

 Unter einem Magnet verstehen wir einen ponderablen Körper, welcher die magnetischen Fluida in einer solchen Vertheilung in sich enthält, dass er nach aussen magnetische Wirkungen ausübt. Die Erfahrung lehrt, dass kein Magnet von dem in ihm enthaltenen magnetischen Fluidum etwas nach aussen abgeben kann, und dass in jedem experimentell darstellbaren Magnet die algebraische Summe der magnetischen Massen gleich Null ist:


(2) resp.


je nachdem die magnetischen Fluida in discreten Punkten oder stetig über den Magnet vertheilt sind.

 Die in den Gleichungen (2) ausgesprochene Thatsache schliessen wir aus der Einwirkung, welche der Erdmagnet auf jeden experimentell darstellbaren Magnet ausübt. Die erdmagnetische Kraft lässt sich in eine verticale und eine horizontale Componente zerlegen. Wenn man nun einen Magnet so aufhängt, dass er nur in horizontaler Richtung sich frei bewegen kann, so kommt die verticale Componente der erdmagnetischen Kraft nicht zur Geltung. Die horizontale Componente hat für jeden Ort an der Erdoberfläche eine bestimmte Grösse und eine bestimmte Richtung. Bei der verhaltnissmässig geringen Ausdehnung des aufgehängten Magnets werden demnach allen seinen magnetischen Theilchen parallele und gleiche Beschleunigungen ertheilt. Bezeichnen wir diese Beschleunigung mit , so wird der Magnet in der Richtung des erdmagnetischen Meridians von einer horizontalen Gesammtkraft


resp.



in Anspruch genommen. Nun übt aber der Erdmagnet keinerlei Anziehung oder Abstossung, sondern nur eine drehende Wirkung aus. Folglich muss


(2) resp.


sein, d. h. es muss, da constant und von Null verschieden ist, die eine oder die andere der Gleichungen (2) erfüllt sein.

 Den eben ausgesprochenen Erfahrungssätzen wird dadurch Genüge geleistet, dass wir in jedem Körpermolekül des Magnets |[247]gleiche Quantitäten beider magnetischen Fluida annehmen, die von dem Molekül unter keinen Umständen auf ein anderes übergehen konnen. Der Magnet heisst im Maximum magnetisirt, wenn innerhalb jedes Moleküls die magnetischen Fluida so vertheilt sind, dass die Gesammtwirkung nach aussen ein Maximum ist.

 Die von einem Magnet herrührende Potentialfunction ist


(3)


resp.


(4)


je nachdem die Fluida in discreten Punkten concentrirt oder stetig vertheilt angenommen werden. Dabei bezeichnet die Entfernung des magnetischen Theilchens , resp. von dem Punkte . Die Summirung in (3) und die Integration in (4) ist über alle Bestandtheile des Magnets auszudehnen.

 Auf die im Punkte concentrirt gedachte positive Einheit magnetischer Masse wirkt hiernach eine Kraft, deren Componenten parallel den Coordinatenaxen ausgedrückt werden durch die Gleichungen:


(5)




 Ausserhalb der magnetischen Massen, von denen die Potentialfunction herrührt, ist überall



oder, was dasselbe sagt:


(6)


 Ferner ergibt sich noch aus den Gleichungen (5), dass den partiellen Differentialgleichungen genügen müssen: |[248]


(7)




 Obgleich wir in Wirklichkeit nur körperliche Magnete kennen, so ist es doch nicht überflüssig, den idealen Fall mit in Betracht zu ziehen, dass die magnetischen Flüssigkeiten über eine Fläche stetig vertheilt sind. Die Integration in (4) und in (2) ist dann über alle Elemente dieser Fläche auszudehnen.

 Da die Gleichung (4) dieselbe Form hat wie die Gleichung (2) des §. 45, so gelten hier auch die Folgerungen, welche in demselben Paragraphen in den Gleichungen (6) und (7) ausgesprochen sind. Kennt man also im ganzen unendlichen Raume die von einem Magnet herrührende Potentialfunction , so findet sich leicht die magnetische Dichtigkeit im Punkte . Man erhält


(8)


wenn die magnetischen Massen stetig über einen Raum von drei Dimensionen vertheilt sind; dagegen


(9)


wenn sie über eine Fläche stetig ausgebreitet sind.