Schwere, Elektricität und Magnetismus/Sechster Abschnitt.

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Sechster Abschnitt.


Magnetismus, Elektromagnetismus und Elektrodynamik.



§. 65.
Grundgesetz der magnetischen Wechselwirkung. Die Potentialfunction der magnetischen Krafte.


 Zur Erklärung der magnetischen Erscheinungen kann man eine ähnliche Hypothese aufstellen, wie sie der Theorie der Elektricität zu Grunde gelegt ist. Wir nehmen zwei einander entgegengesetzte magnetische Fluida an, ein positives und ein negatives. Zwei magnetische Theilchen, deren magnetische Massen (nach Zahlwerth und Vorzeichen) und sind, üben in der Entfernung eine Kraft



auf einander aus, deren Richtung in die Verbindungslinie der beiden Theilchen fällt. Die Kraft ist Abstossung oder Anziehung, je nachdem das Product positiv oder negativ ist. Insofern eine Anziehung als negative Abstossung angesehen werden kann, darf man auch sagen: zwei magnetische Theilchen von den magnetischen Massen und , die in der Entfernung von einander sich befinden, üben in der Richtung ihrer Verbindungslinie eine Abstossung


(1)


auf einander aus.

 Als magnetische Masseneinheit ist dabei dasjenige Quantum magnetischen Fluidums genommen, welches ein ihm gleiches Quantum in der Einheit der Entfernung mit der Krafteinheit abstösst.


 Unter einem Magnet verstehen wir einen ponderablen Körper, welcher die magnetischen Fluida in einer solchen Vertheilung in sich enthält, dass er nach aussen magnetische Wirkungen ausübt. Die Erfahrung lehrt, dass kein Magnet von dem in ihm enthaltenen magnetischen Fluidum etwas nach aussen abgeben kann, und dass in jedem experimentell darstellbaren Magnet die algebraische Summe der magnetischen Massen gleich Null ist:


(2) resp.


je nachdem die magnetischen Fluida in discreten Punkten oder stetig über den Magnet vertheilt sind.

 Die in den Gleichungen (2) ausgesprochene Thatsache schliessen wir aus der Einwirkung, welche der Erdmagnet auf jeden experimentell darstellbaren Magnet ausübt. Die erdmagnetische Kraft lässt sich in eine verticale und eine horizontale Componente zerlegen. Wenn man nun einen Magnet so aufhängt, dass er nur in horizontaler Richtung sich frei bewegen kann, so kommt die verticale Componente der erdmagnetischen Kraft nicht zur Geltung. Die horizontale Componente hat für jeden Ort an der Erdoberfläche eine bestimmte Grösse und eine bestimmte Richtung. Bei der verhaltnissmässig geringen Ausdehnung des aufgehängten Magnets werden demnach allen seinen magnetischen Theilchen parallele und gleiche Beschleunigungen ertheilt. Bezeichnen wir diese Beschleunigung mit , so wird der Magnet in der Richtung des erdmagnetischen Meridians von einer horizontalen Gesammtkraft


resp.



in Anspruch genommen. Nun übt aber der Erdmagnet keinerlei Anziehung oder Abstossung, sondern nur eine drehende Wirkung aus. Folglich muss


(2) resp.


sein, d. h. es muss, da constant und von Null verschieden ist, die eine oder die andere der Gleichungen (2) erfüllt sein.

 Den eben ausgesprochenen Erfahrungssätzen wird dadurch Genüge geleistet, dass wir in jedem Körpermolekül des Magnets gleiche Quantitäten beider magnetischen Fluida annehmen, die von dem Molekül unter keinen Umständen auf ein anderes übergehen konnen. Der Magnet heisst im Maximum magnetisirt, wenn innerhalb jedes Moleküls die magnetischen Fluida so vertheilt sind, dass die Gesammtwirkung nach aussen ein Maximum ist.

 Die von einem Magnet herrührende Potentialfunction ist


(3)


resp.


(4)


je nachdem die Fluida in discreten Punkten concentrirt oder stetig vertheilt angenommen werden. Dabei bezeichnet die Entfernung des magnetischen Theilchens , resp. von dem Punkte . Die Summirung in (3) und die Integration in (4) ist über alle Bestandtheile des Magnets auszudehnen.

 Auf die im Punkte concentrirt gedachte positive Einheit magnetischer Masse wirkt hiernach eine Kraft, deren Componenten parallel den Coordinatenaxen ausgedrückt werden durch die Gleichungen:


(5)




 Ausserhalb der magnetischen Massen, von denen die Potentialfunction herrührt, ist überall



oder, was dasselbe sagt:


(6)


 Ferner ergibt sich noch aus den Gleichungen (5), dass den partiellen Differentialgleichungen genügen müssen:


(7)




 Obgleich wir in Wirklichkeit nur körperliche Magnete kennen, so ist es doch nicht überflüssig, den idealen Fall mit in Betracht zu ziehen, dass die magnetischen Flüssigkeiten über eine Fläche stetig vertheilt sind. Die Integration in (4) und in (2) ist dann über alle Elemente dieser Fläche auszudehnen.

 Da die Gleichung (4) dieselbe Form hat wie die Gleichung (2) des §. 45, so gelten hier auch die Folgerungen, welche in demselben Paragraphen in den Gleichungen (6) und (7) ausgesprochen sind. Kennt man also im ganzen unendlichen Raume die von einem Magnet herrührende Potentialfunction , so findet sich leicht die magnetische Dichtigkeit im Punkte . Man erhält


(8)


wenn die magnetischen Massen stetig über einen Raum von drei Dimensionen vertheilt sind; dagegen


(9)


wenn sie über eine Fläche stetig ausgebreitet sind.



§. 66.
Die magnetischen Wirkungen des galvanischen Stromes.


 Die Erfahrung zeigt, dass nicht nur Magnete, sondern auch galvanische Ströme nach aussen magnetische Wirkungen üben. Um diese Wirkungen zu untersuchen, stellen wir die Hypothese auf, dass die magnetischen Kräfte, welche in einem galvanischen Strome ihren Grund haben, überall ausserhalb des Stromes denselben Gesetzen unterliegen, als rührten sie von magnetischen Massen her.

 Der galvanische Strom sei linear und einfach in sich zurücklaufend. Als Leiter des Stromes wird also eine Linie (ein unendlich dünner Draht) genommen, deren Endpunkt mit dem Anfangs- punkte zusammenfällt, und die zwischen dem Anfangs- und Endpunkte keine einander schneidende oder deckende Bestandtheile besitzt. Im Punkte , der irgendwo ausserhalb des Leiters liegt, sei die positive Einheit der magnetischen Masse concentrirt. Der galvanische Strom übt auf sie eine magnetische Kraft, deren Componenten parallel den Coordinatenaxen mit bezeichnet werden sollen. Nach der aufgestellten Hypothese genügen diese Componenten den partiellen Differentialgleichungen:


(1)


(2)




 In Folge der Gleichungen (2) ist



ein vollständiges Differential, also gibt es eine Function von , die so beschaffen ist, dass überall ausserhalb des galvanischen Stromes


(3)


 Erstrecken wir nun das Integral


(4)


durch eine im endlichen Gebiete verlaufende Curve, deren Endpunkt mit dem Anfangspunkte zusammenfällt und deren übrige Punkte bei einem einfachen Umlauf sämmtlich nur einmal getroffen werden. Um über den Werth dieses Integrals ins Klare zu kommen, ist es wünschenswerth, einen Hülfssatz vorauszuschicken.



§. 67.
Hülfssatz aus der Analysis.


 Wir zeichnen in dem endlichen Gebiete der Ebene eine Curve, deren Endpunkt und Anfangspunkt zusammenfallen und deren übrige Punkte bei einem einfachen Umlauf sämmtlich nur

einmal getroffen werden. Das Flächenstück, welches von der Curve umschlossen wird (Fig. 36), soll ganz in dem Quadranten liegen,
Fig. 36.
in welchem und positiv sind. Wir durchlaufen die Curve im

positiven Sinne, wenn dabei die Tangente in der Richtung des wachsenden Bogens zu der nach innen gezogenen Normale ebenso liegt, wie die Axe der positiven zu der Axe der positiven .

 Es seien und zwei Functionen von und , die innerhalb des von der Curve begrenzten Flächenstückes einwerthig, endlich und stetig variabel vorausgesetzt werden. Wir betrachten das Integral


(1)


ausgedehnt über das von der Curve begrenzte Flächenstück. Dabei bezeichnen und positive Zunahmen der Variabeln. Für den ersten Bestandtheil des Integrals können wir mit der Integration nach beginnen. Wir ziehen die Ordinaten, welche zu den Abscissen und gehören. Zwischen ihnen liegt ein unendlich schmaler Flächenstreifen, welcher ebenso oft in das von der Curve begrenzte Flächengebiet eintritt, wie aus demselben austritt. Wir bezeichnen die Ordinaten der Eintrittsstellen mit



die Ordinaten der Austrittsstellen dagegen mit



und bemerken, dass



Die Bogenelemente, welche der unendlich schmale Flächenstreifen bei seinem Ein- und Austritt auf der Begrenzungscurve abschneidet, seien



Der Cosinus des Winkels, welchen ein solches Bogenelement mit der Richtung der positiven einschliesst, ist positiv an allen Eintrittsstellen, dagegen negativ an allen Austrittsstellen. Bezeichnet man also (nach Zahlwerth und Vorzeichen) mit die Projection von auf der Axe der , so ergibt sich



Danach finden wir



Das lässt sich kürzer schreiben



wobei das Summenzeichen auf der rechten Seite bedeutet, dass die Werthe von an allen Eintritts- und Austrittsstellen des unendlich schmalen Flächenstreifens genommen werden sollen. Die Integration nach wird dadurch ausgeführt, dass man nicht einen einzelnen Flächenstreifen in Betracht zieht, sondern alle, die überhaupt (von Parallelen zur -Axe begrenzt) das Flächengebiet durchschneiden. Folglich ergibt sich



und es ist die Integration rechts durch die ganze in sich zurücklaufende Curve zu erstrecken.

 In entsprechender Weise kommen wir zu der Gleichung



und auch hier ist das Integral auf der rechten Seite (im positiven Sinne des Umlaufs) durch die ganze Curve zu erstrecken.

 Danach gelangen wir zu dem Resultat, dass


(2)


ist, vorausgesetzt, dass wir unter und zwei Functionen von und verstehen, die einwerthig, endlich und stetig variabel sind innerhalb des Flächengebietes, über welches die Integration auf der linken Seite ausgedehnt wird, und dass man die Integration rechts in positivem Sinne des Umlaufs durch die Begrenzungscurve erstrecke.*)[1]

 In dem besonderen Falle, dass innerhalb des von der Curve umschlossenen Flächengebiets überall


(3)


ist, geht die Gleichung (2) über in


(4)


 Uebrigens bleiben, wie man leicht sieht, die Sätze (2) und (4) auch dann gültig, wenn die Curve nicht durchaus in dem Quadranten der positiven und der positiven verläuft. Diese Voraussetzung dient nur zur leichteren Entwicklung des Beweises. Ist sie von vorn herein nicht erfüllt, so kann man, da die Curve sich nirgends ins Unendliche erstreckt, durch parallele Verschiebung der Axen es leicht erreichen, dass die verlangte Lage vorhanden ist.



§. 68.
Das Integral .


 Nach dieser Vorbereitung kehren wir zu dem Integral (4) des §. 66 zurück. Wir nehmen eine stetig gekrümmte Fläche zu Hülfe, die ganz im endlichen Gebiete liegt, und die den vorgeschriebenen Integrationsweg zur vollständigen und alleinigen Begrenzung hat. Die Gleichung dieser Fläche sei


(1)


Da der vorgeschriebene Integrationsweg auf der Fläche liegt, so hat man in §. 66, (4)



zu setzen und aus die Coordinate mit Hülfe der Gleichung (1) zu eliminiren. Dadurch geht das Integral (4) des §. 66 über in


(2)


und hier ist die Integration durch die in der -Ebene liegende Projection der gegebenen Curve zu erstrecken.

 Das Coordinatensystem lässt sich immer so legen, dass diese Projection ebenso einfach in sich zurückläuft wie die projicirte Curve selbst, und dass sie bei der Integration (2) im positiven Sinne durchlaufen wird, d. h. dass (von einem Punkte der positiven -Axe aus gesehen) die Tangente in der Richtung des
Fig. 37.
wachsenden Bogens zu der nach innen gezogenen Normale ebenso liegt wie die Axe der positiven zu der Axe der positiven (Fig. 36 und Fig. 37). Bei dieser Lage, die wir der Einfachheit wegen und ohne Schaden für die Allgemeinheit der Untersuchung voraussetzen dürfen, lässt sich auch die Fläche (1) so einrichten, dass ihre Projection einfach der Theil der -Ebene ist, welchen die Projection ihrer Begrenzungscurve umschliesst. Dann ist die durch die Gleichung (1) ausgedrückte Function nebst ihren ersten Derivirten einwerthig, endlich und stetig variabel für das ganze Werthengebiet von und , welches hier in Betracht kommt. Da die Functionen ebenfalls einwerthig, endlich und stetig variabel sind, so dürfen wir in der Untersuchung des vorigen Paragraphen speciell setzen



(3)



Dadurch ergibt sich




 Folglich haben wir hier


(4)



 Wenn nun die Curve, durch welche das Integral



erstreckt werden soll, nicht kettenförmig mit dem Leiter des galvanischen Stromes verschlungen ist, so lässt sich die Fläche (1) immer so legen, dass sie keinen Punkt mit diesem Leiter gemein hat. Dann sind für jeden Punkt der Fläche die Gleichungen (2) des §. 66 erfüllt, und folglich geht die Gleichung (4) über in


(5)


Es gilt also auch die Gleichung (4) des vorigen Paragraphen, d. h. es ist


(6)


wenn dieses Integral durch eine in sich zurücklaufende Curve erstreckt wird, die nicht kettenförmig mit dem Leiter des galvanischen Stromes verschlungen ist.

 Wenn dagegen die Integrationscurve mit dem Stromleiter kettenförmig verschlungen ist, so ist es unmöglich, die Fläche (1) so zu legen, dass sie keinen Punkt mit dem Leiter gemein habe. Dann ist also die Gleichung (5) nicht überall erfüllt und deshalb hat auch das Integral (6) nicht den Werth Null.



§. 69.
Die Potentialfunction der elektromagnetischen Kräfte.


 Wir legen eine Fläche in der Weise, dass der Leiter des galvanischen Stromes ihre vollständige und alleinige Begrenzung bilde. Dann gilt der Satz (6) des vorigen Paragraphen für jeden Integrationsweg, welcher die Fläche nicht schneidet. Nehmen wir an irgend einer Stelle des Raumes den Anfangspunkt der Integration und erstrecken von da aus das Integral



bis zum Punkte auf verschiedenen Wegen, von denen aber keiner die Fläche schneidet, so sind die Integralwerthe, die auf allen diesen Wegen zu Stande kommen, einander gleich. Das Integral (1) ist also eine Function von , die überall ausserhalb der Fläche sich stetig ändert.

 Wir errichten in irgend einem Punkte der Fläche nach beiden Seiten hin die Normale und zählen darauf den Abstand von ihrem Fusspunkte aus positiv nach der einen, negativ nach der anderen Seite. Auf der positiven und auf der negativen Normale nehmen wir je einen Punkt unendlich nahe an der Fläche , und bezeichnen die Werthe, welche die Function in ihnen annimmt, mit und resp. . Die Differenz



ergibt sich, wenn man das Integral (1) von dem Punkte auf der negativen Normale nach dem unendlich nahe gelegenen Punkte auf der positiven Normale durch eine Curve erstreckt, welche die Fläche nicht schneidet.

 Nun sind aber im ganzen unendlichen Raume ausserhalb der Strombahn einwerthig, endlich und stetig variabel. Daraus folgt, dass in unendlicher Nähe der Fläche die Derivirte von , sowohl parallel als auch normal zur Fläche genommen, auf der positiven Seite denselben Werth hat, wie auf der negativen Seite. Es ist also für jede beliebige Stelle der Fläche


(2)


wobei eine constante Grösse bezeichnet, und es ist ferner


(3)


 Vermöge der Gleichung (1) des §. 66 genügt die Function im ganzen unendlichen Raume ausserhalb der Strombahn der partiellen Differentialgleichung


(4)


und sie hat den Werth Null in unendlicher Entfernung:


(5) für


 Diesen Bedingungen (2), (3), (4), (5) entsprechend, lässt sich die Function immer und nur in einer Weise herstellen, wie man mit Hülfe des Dirichlet'schen Princips leicht beweisen kann.

 Wir wollen statt dessen nach Green's Methode den Ausdruck für die Function direct bilden.


§. 70.
Herstellung der Function .


 Der Satz von Green (§. 20) lässt sich hier folgendermaassen verwerthen.

 Wir setzen



und


(1)


 Der Raum , welcher für uns in Betracht kommt, wird begrenzt von den beiden Seiten der Fläche und von zwei Kugelflächen, von denen die eine mit dem Radius , die andere mit dem Radius um den Punkt als Mittelpunkt construirt ist, und zwar für und .

 Hier treffen alle Voraussetzungen des §. 21 zu mit der einen Modification, dass in der Oberfläche des Raumes nicht überall Null ist. Durch Wiederholung des dort angewandten Verfahrens gelangt man demnach zu der Gleichung


(2)


und es bezeichnet den Werth von im Punkte . Das Raumintegral ist Null vermöge der Gleichung (4) des vorigen Paragraphen. Das Oberflächen-Integral ist auszudehnen über die Kugel vom Radius und über die beiden Seiten der Fläche .

 Für die Kugelfläche fällt die nach dem Innern des Raumes gezogene Normale in die Richtung der abnehmenden . Folglich kann das über diese Kugelfläche erstreckte Integral geschrieben werden:



wobei das Element einer Kugelfläche vom Radius 1 bezeichnet. Nun steht für sowohl als in endlichem Verhältnis zu . Folglich wird



und man sieht, dass das Integral den Grenzwerth Null hat für .

 Hiernach bleibt auf der rechten Seite der Gleichung (2) nichts weiter übrig als das Oberflächen-Integral, ausgedehnt über beide Seiten der Fläche .

 Wir errichten im Punkte der Fläche die Normale nach beiden Seiten und zählen auf ihr von dem Fusspunkte aus den Abstand positiv nach der einen, negativ nach der andern Seite. Dann ist auf der positiven Seite , auf der negativen . Die Gleichung (2) geht dadurch in folgende über:



 Dafür kann man auch schreiben:



 Hier ist das zweite Integral gleich Null in Folge der Gleichung (3) des vorigen Paragraphen. In dem ersten Integrale hat man für die Gleichung (2) des vorigen und für die Gleichung (1) dieses Paragraphen zu beachten. Dadurch ergibt sich schliesslich:


(3)



§. 71.
Fortsetzung.


 Wir stellen noch die Hypothese auf, dass die magnetischen Kräfte, welche von mehreren galvanischen Strömen auf die im Punkte concentrirt gedachte positive magnetische Masseneinheit ausgeübt werden, sich nach dem Satze vom Parallelogramm der Kräfte zusammensetzen. Für einen einzigen Strom folgt daraus unmittelbar, dass eine fache Stromintensität auch fache Kräfte ausübt. Die Componenten sind also der Stromintensität proportional, und deshalb auch


(1)



 Da wir die Stromintensität immer in der Richtung nehmen, in welcher die Bogenlänge des Stromleiters zunimmt (§. 61), so ist zunächst festzustellen, wie diese Richtung und die Richtung der auf der Fläche errichteten positiven Normale zu einander liegen sollen. Wir treffen die Bestimmung, dass, von einem Punkte der auf errichteten positiven Normale aus gesehen, die Richtung des wachsenden Bogens dieselbe sein soll, wie die Richtung, in welcher für einen auf das Zifferblatt sehenden Beobachter die Spitze des Uhrzeigers weiterrückt. Oder mit andern Worten: wenn jemand auf der positiven Seite der Fläche sich aufrecht hinstellt und dann die Begrenzung in der Richtung des wachsenden Bogens durchläuft, so hat er die Fläche zur rechten Hand.

 Die Erfahrung lehrt nun, dass bei dieser gegenseitigen Lage der positiven Normale und des wachsenden Bogens die Differenz positiv ausfällt, wenn positiv ist. Folglich ist die Constante positiv. Der Einfachheit wegen wollen wir die Einheit der Stromintensität so wählen, dass ist. Dann geht die Gleichung (2) des §. 69 über in:


(2)


und statt der Gleichung (3) des vorigen Paragraphen erhalten wir:


(3)


 Das hier eingeführte Maass der Stromintensität wird das magnetische genannt.



§. 72.
Mechanische Bedeutung des Ausdruckes für .


 Wir suchen die mechanische Bedeutung des für gefundenen Ausdruckes. Es ist



für . Folglich kann man so schreiben:


(1)


Der Ausdruck für hat also die Form der Potentialfunction einer idealen magnetischen Massenvertheilung. Denken wir uns, man könnte die magnetischen Fluida stetig über eine Fläche ausbreiten, und es wäre die in dem Flächenelement enthaltene magnetische Masse, so würde



die Potentialfunction dieser magnetischen Masse sein, wenn man die Integration über die ganze Fläche ausdehnt.

 Belegen wir also die Fläche (für ) in jedem Flächenelemente mit der magnetischen Masse



und eine zu parallele Fläche (für ) in jedem Flächenelemente mit der magnetischen Masse



so ist die Wirkung der über beide Flächen ausgebreiteten magnetischen Massen dieselbe wie die Wirkung des durch die Begrenzung von hindurchgehenden galvanischen Stromes.

 Die magnetischen Massen der beiden Belegungen sind von entgegengesetztem Zeichen, von gleicher und constanter Dichtigkeit, und diese Dichtigkeit ist der Scheidungsweite umgekehrt proportional.

 Die Wirkung auf einen Punkt im inneren Raume zwischen den beiden unendlich nahe an einander liegenden Flächen ist hier nicht mit einbegriffen.



§. 73.
Geometrische Bedeutung des Ausdruckes für .


 Das Integral in der Gleichung (3) des §.71 hat auch eine geometrische Bedeutung. Wir ziehen vom Punkte einen Strahl, welcher die Strombahn durchschneidet, und setzen ihn so in Bewegung, dass der Schnittpunkt die Curve von Anfang bis zu Ende durchläuft. Dadurch wird eine Kegelfiäche erzeugt, welche den Punkt zum Scheitel hat. Um denselben Punkt als Mittelpunkt legen wir eine Kugelfläche vom Radius 1. Diese wird von der Kegelfläche in einer geschlossenen Linie durchschnitten. Wir wollen zunächst der Einfachheit wegen vor- aussetzen, dass die Linie (die Projection von auf der Kugel) ebenso einfach in sich zurückläuft wie die Linie selbst, dass also, wenn man sie von Anfang bis zu Ende durchläuft, keiner ihrer Punkte mehr als einmal getroffen wird. Ueber die Gestalt der Fläche , welche von der Strombahn begrenzt wird, haben wir keinerlei besondere Voraussetzung gemacht. Wenn nun, wie eben verabredet worden, die Projection auf der Kugel vom Radius 1 eine einfach in sich zurücklaufende Linie ist, so können wir der Fläche eine solche Gestalt geben, dass ihre Projection ein von umschlossenes Stück der Kugeloberfläche einfach bedeckt. Zieht man dann vom Punkte aus durch irgend einen Punkt dieses umschlossenen Stückes der Kugeloberfläche einen Strahl, so wird dieser, gehörig verlängert, die Fläche in einem Punkte, aber auch nur in einem Punkte durchschneiden. Der wachsende Strahl tritt an dieser Stelle von der dem Punkte zugekehrten Seite der Fläche auf die abgekehrte Seite über. Der Theil der Kugeloberfläche, welcher von der Projection der Fläche nicht bedeckt wird, darf als das durch ausgeschlossene Gebiet bezeichnet werden. Zieht man von aus durch irgend einen Punkt des ausgeschlossenen Gebietes einen Strahl, so trifft dieser, wie weit man ihn auch verlängern möge, die Fläche gar nicht.

 Wir wählen auf der Fläche irgend einen Punkt und bezeichnen mit die Länge des Strahles, welcher vom Punkte nach hingezogen ist. Mit werde ein auf der Fläche genommenes Flächenelement bezeichnet, auf dessen Begrenzung der Punkt liegt. Lassen wir nun einen von ausgehenden beweglichen Strahl an der ganzen Begrenzung von hingleiten, so beschreibt er eine Kegelfläche. Diese schneidet die Kugeloberfläche vom Radius 1 in einer einfach in sich zurücklaufenden Linie, der Begrenzung eines auf der Kugel liegenden Flächenelementes , welches die Projection von ist.

 Die gegen die Fläche im Punkte errichtete positive Normale schliesst mit der Richtung des wachsenden einen Winkel ein, dessen Cosinus



ist, und dieser Cosinus ist positiv oder negativ, je nachdem die dem Punkte abgekehrte Seite der Fläche die positive oder die negative ist.


 Die Projection von auf einer um beschriebenen Kugel vom Radius berechnet sich



und es gilt das obere oder das untere Vorzeichen, je nachdem positiv oder negativ ist. Soll die Projection auf der Kugel vom Radius 1 ausgedrückt werden, so hat man noch durch zu dividiren, also


(1)


 Wir bezeichnen mit den Flächeninhalt der auf der Kugel vom Radius 1 liegenden Projection von , und zwar in dem Sinne, dass eine absolute Zahl ist. Alsdann ergibt sich aus (1) durch Integration


(2)


und es gilt das positive oder das negative Vorzeichen, je nachdem die Fläche dem Punkte ihre positive oder ihre negative Seite zukehrt.

 Nun ist noch auf das Vorzeichen von Acht zu geben. Wenn die Fläche dem Punkte ihre positive Seite zukehrt, so ist positiv oder negativ, je nachdem — von dem Punkte aus gesehen — der positive Strom in derselben Richtung fliesst, in welcher der Uhrzeiger weiterrückt, oder in der entgegengesetzten Richtung. Kehrt die Fläche dem Punkte ihre negative Seite zu, so gilt für die umgekehrte Vorzeichenregel. Dies lässt sich auch noch anders ausdrücken, nemlich: Das Vorzeichen von ist dasselbe wie auf der rechten Seite der Gleichung (2), wenn — vom Punkte aus gesehen — die Richtung des positiven Stromes mit der Drehungsrichtung des Uhrzeigers übereinstimmt. Und das Vorzeichen von ist das entgegengesetzte von dem auf der rechten Seite der Gleichung (2), wenn — vom Punkte aus gesehen — die Richtung des positiven Stromes der Drehungsrichtung des Uhrzeigers entgegengesetzt ist. Das Product



ist also positiv oder negativ, je nachdem vom Punkte gesehen — der positive oder der negative Strom in der Drehungsrichtung des Uhrzeigers fliesst.

 Für ein im Punkte angebrachtes Auge verstehen wir unter der Himmelskugel die um diesen Punkt als Mittelpunkt construirte Kugel vom Radius 1.

 Hiernach erhält man für die Herstellung der Potentialfunction im Punkte die folgende Regel:

 Man multiplicire den absoluten Werth der Stromintensität mit dem Theile der Himmelskugel, welcher für ein im Punkte befindliches Auge von der Strombahn umschlossen erscheint, und gebe dem Producte positives oder negatives Vorzeichen, je nachdem für dasselbe Auge die Richtung des positiven Stromes mit der Drehungsrichtung des Uhrzeigers übereinstimmt oder ihr entgegengesetzt ist.

 Diese von Gauss*)[2] ausgesprochene Regel behält auch dann ihre Gültigkeit, wenn die Projection der einfach in sich zurücklaufenden Strombahn auf der Himmelskugel Doppelpunkte enthält.
Fig. 38.
Dann kehrt die Fläche dem Punkte nicht mehr einerlei Seite zu. Vielmehr gehören (Fig. 38) zwei Bestandtheile von , deren Begrenzungen in einem Doppelpunkte zusammenstossen, zu solchen Theilen der Fläche , welche dem Punkte entgegengesetzte Seiten zukehren. Die einzelnen auf einander folgenden Bestandtheile von kommen also nach Gleichung (2) mit abwechselnden Vorzeichen in Rechnung und haben alle dasselbe mit einerlei Vorzeichen als gemeinschaftlichen Factor. Will man aber die absoluten Werthe der einzelnen Bestandtheile von mit dem absoluten Werthe von multiplicirt in Rechnung bringen, so hat man den Producten abwechselnde Vorzeichen zu geben und kommt so auf die von Gauss aufgestellte Regel zurück.


§. 74.
Wirkung des einzelnen Stromelementes auf das einzelne magnetische Theilchen.


 Nachdem wir zu einer geometrischen Interpretation der Formel (3) §.71 gelangt sind, welche die Potentialfunction der von dem galvanischen Strome ausgeübten magnetischen Kraft ausdrückt, können wir davon eine Anwendung auf die Kraftcomponenten selbst machen. Um die Componente parallel der Axe der positiven zu finden, haben wir den Punkt in dieser Richtung um die Strecke zu verschieben und die davon herrührende Aenderung der Function durch die Grösse der Verschiebung zu dividiren. Nun ist die Function ein Product von zwei Factoren, von denen der erste — die Stromintensität — bei der vorgenommenen Verschiebung keine Aenderung erleidet. Der zweite Factor ist der Theil der Himmelskugel, den das Auge das eine mal vom Punkte , das andere mal vom Punkte aus durch die Strombahn umschlossen sieht. Statt aber die Strombahn im Raume fest beizubehalten und das Auge aus dem Punkte in den Punkt zu verschieben, kann man auch das Auge in dem ersten Punkte lassen und dagegen die Strombahn so verschieben, dass jeder ihrer Punkte in der Richtung der abnehmenden den Weg durchläuft. Es fragt sich, welche Theile der Himmelskugel dabei aus der Umschliessung austreten und welche in sie neu eintreten (Fig. 39 und 40). Jedes Element der Strombahn erzeugt bei der Verschiebung ein unendlich kleines Parallelogramm, dessen Projection auf der Himmelskugel zu suchen ist. Wir lassen die Richtung des wachsenden Bogens mit der Richtung des positiven Stromes zusammenfallen. Sie möge in Fig. 39 mit der Drehungsrichtung des Uhrzeigers übereinstimmen, in Fig. 40 aber die entgegengesetzte sein. Hat man zur Berechnung von die absoluten Werthe der Projection auf der Himmelskugel und der Stromintensität mit einander multiplicirt, so ist das Product für Fig. 39 mit positivem, für Fig. 40 mit negativem Vorzeichen zu versehen. Danach erhält man die Aenderung von mit dem richtigen Vorzeichen, wenn man bei Fig. 39 die aus der Umschliessung austretenden Theile der Himmelskugel mit negativem Zeichen, die eintretenden mit positivem Zeichen in Rechnung bringt und mit dem absoluten Werthe der Stromintensität multiplicirt. Bei Fig. 40 hat man dagegen die austretenden Theile der Himmelskugel mit positivem

Fig. 39.
Fig. 40.

Zeichen, die eintretenden mit negativem Zeichen zu nehmen und auch hier mit dem absoluten Werthe der Stromintensität zu multipliciren.

 Sehen wir nun das Bogenelement als eine unendlich kleine gerade Linie an, so können wir durch sie und den Punkt eine Ebene festlegen. Wir ziehen die Normale dieser Ebene und zwar positiv auf derjenigen Seite der Ebene, auf welcher ein dem Strome zugewandter Beobachter aufrecht stehend den positiven Strom von rechts nach links vorbeifliessen sieht. Wir bezeichnen mit den Cosinus des Winkels, den die Richtung der positiven Normale mit der Richtung der positiven einschliesst. Dann ist zu bemerken, dass für Fig. 39 dieser Cosinus positiv oder negativ ist, je nachdem das Bogenelement einem in die Umschliessung eintretenden Parallelogramm angehört oder einem austretenden. Für Fig. 40 gilt die entgegengesetzte Zeichenregel.

 Ein solches Parallelogramm hat die Seiten und . Seine Projektion auf der Himmelskugel ist ein Parallelogramm, dessen Grundlinie und Höhe resp.


und


sind. Man sieht also, dass der Flächeninhalt der Projectionsfigur auf der Himmelskugel (abgesehen vom Vorzeichen)



ist. Dieses Product hat nun aber dasselbe Vorzeichen wie . Folglich ist für Fig. 39 das Product positiv oder negativ, je nachdem das dadurch ausgedrückte Flächenelement in die Umschliessung eintritt oder aus ihr heraustritt. Und die entgegengesetzten Zeichen ergeben sich bei Fig. 40. Man bringt also in jedem Falle das betreffende Element richtig in Rechnung, wenn man das Product selbst nimmt mit dem ihm eigenen Vorzeichen. Folglich ergibt sich


(1)


und


(2)


Hier sind und absolut zu nehmen. Aus der Gleichung (2) können wir auf die Kraftcomponente schliessen, mit welcher ein einzelnes Stromelement die im Punkte concentrirte positive Einheit der magnetischen Masse in der Richtung der wachsenden in Angriff nimmt. Diese Kraftcomponente in der Richtung der wachsenden ist nemlich



In derselben Weise finden sich die Kraftcomponenten in der Richtung der wachsenden und resp. der wachsenden :




Daraus geht hervor, dass die Gesammtkraft, welche das Stromelement auf den Punkt ausübt, in die Richtung von fällt, d. h. in die positive Normale der Ebene, welche durch das Stromelement und den Punkt festgelegt wird. Die Grösse dieser Kraft ist


(3)


Die positive Normale tritt aus der Ebene in denjenigen Raum, in welchem man auf der Ebene aufrecht stehend den positiven Strom von rechts nach links an sich vorüberfliessen sieht.

 Diese Regel setzt uns in den Stand, nach Grösse und Richtung die Kräfte anzugeben, welche von den sämmtlichen Stromelementen eines geschlossenen galvanischen Stromes oder auch von mehreren Strömen auf die im Punkte befindliche Einheit der positiven magnetischen Masse ausgeübt werden. Die einzelnen Kräfte setzen sich nach dem Gesetze vom Parallelogramm zusammen.



§. 75.
Das Integral und die Stromintensität.


 Wir betrachten, wie vorher, einen geschlossenen lineären Strom und legen eine Fläche , so dass die in sich zurücklaufende Strombahn deren alleinige und vollständige Begrenzung bildet (Fig. 41). Als positive Seite der Fläche nehmen wir diejenige, welche dem Beobachter zugekehrt sein muss, damit er den positiven Strom in der Drehungsrichtung des Uhrzeigers fliessen sehe. Nach dem magnetischen Maass gilt für die Stromintensität die Gleichung:


(1)


wenn die Integration durch eine Curve ausgedehnt wird, die, ohne die Fläche zu durchschneiden, von einem Punkte auf der
Fig. 41.
negativen Seite der Fläche nach dem unendlich nahe gelegenen Punkte auf der positiven Seite führt. Wir legen eine Fläche so, dass dieser Integrationsweg ihre alleinige Begrenzung ausmacht. Diese Fläche wird von der Strombahn durchschnitten. Wir unterscheiden bei die positive und die negative Seite in der Weise, dass der positive Strom von der negativen Seite durch die Fläche hindurch auf die positive Seite übertritt. Wenn man also auf der positiven Seite von sich aufrecht hinstellt und dann den für das

Integral in (1) einzuschlagenden Integrationsweg durchläuft, so hat man die Fläche zur linken Hand. Oder mit anderen Worten: vor einem Beobachter, der auf der positiven Seite der Fläche aufrecht steht, führt der Integrationsweg von rechts nach links vorbei.

 Ist von der Zeit unabhängig, so gibt es die algebraische Summe der Elektricitätsmengen an, welche in der Zeiteinheit von der negativen auf die positive Seite von übergehen, vermindert um die algebraische Summe derjenigen Mengen, welche in derselben Zeit von der positiven zur negativen Seite übergehen. Diesen Ueberschuss berechnet man also nach der Gleichung (1), indem man das Integral


(2)


in der vorgeschriebenen Richtung durch die Begrenzung von erstreckt. Dies gilt auch dann, wenn die Fläche von der Strombahn nicht durchschnitten wird. Denn in solchem Falle ist sowohl die durch hindurchgehende Elektricitätsmenge als auch das Integral (2) gleich Null.

 Sind mehrere galvanische Ströme vorhanden, welche als Componenten der magnetischen Kräfte liefern






so ist nach dem Gesetz vom Parallelogramm zu schreiben:


(3)




und es gilt dann allgemein der Satz:

 Das Integral



von rechts nach links durch die Begrenzung von erstreckt, gibt an, wie viel grösser die Elektricitätsmenge ist, welche in der Zeiteinheit von der negativen Seite auf die positive Seite von übertritt, als diejenige, welche während derselben Zeit in der entgegengesetzten Richtung durch die Fläche hindurchgeht.


§. 76.
Die specifischen Stromintensitäten ausgedruckt durch die Componenten der elektromagnetischen Kraft.


 Wir wollen den Satz des vorigen Paragraphen auf unendlich kleine Flächenelemente anwenden. Wir betrachten zunächst ein ebenes Rechteck, dessen Seiten und resp. zu den Axen der und der parallel laufen. Der dem Anfangspunkte zunächst gelegene Eckpunkt soll die Coordinaten haben. Die Ebene des Rechtecks liegt normal gegen die z-Axe. Die specifische Stromintensität in der Richtung dieser Axe ist . Folglich geht die Gleichung (1) des vorigen Paragraphen hier in folgende über



Das Integral auf der rechten Seite ist in positivem Sinne durch die Begrenzung des Rechtecks zu erstrecken. Wir bezeichnen die
Fig. 42.
Seiten des Rechtecks (Fig. 42) so, wie sie bei einem positiven Umlauf auf einander folgen, mit und setzen fest, dass die Seite 1 vom Punkte nach dem Punkte hinführen soll. Wir geben ferner den Componenten die Indices , um anzudeuten, dass es sich um die Werthe in den gleichnamigen Seiten handelt. Das Integral, durch die Begrenzung des Rechtecks genommen, gibt dann




Nun ist aber




Folglich geht das Integral über in



und die Gleichung (1) des vorigen Paragraphen lautet jetzt



Zwei entsprechende Gleichungen erhält man, wenn durch den Punkt noch zwei ebene Flächenelemente normal gegen die Axen der und der gelegt werden. Die Resultate lauten:


(1)


(2)


(3)


Diese Gleichungen können dazu dienen, für die Stelle die spezifischen Stromintensitäten zu berechnen, wenn die Componenten der von den galvanischen Strömen ausgeübten magnetischen Kraft gegeben sind.



§. 77.
Die Componenten der elektromagnetischen Kraft ausgedrückt durch die specifischen Stromintensitäten.


 Es werde umgekehrt die Aufgabe gestellt, die Componenten der von den galvanischen Strömen ausgeübten magnetischen Kraft zu bestimmen, wenn für jede Stelle des Raumes die spezifischen Stromintensitäten gegeben sind. Es handelt sich also darum, die Functionen so zu bestimmen, dass sie den partiellen Differentialgleichungen genügen:


(1)


(2)


(3)


Die spezifischen Stromintensitäten sind nur innerhalb der von Strömen durchflossenen Leiter von Null verschieden und im ganzen übrigen Raume gleich Null. Da wir voraussetzen, dass die magnetischen Kräfte nur von den galvanischen Strömen herrühren sollen, nicht aber von magnetischen Massen, so ist im ganzen un- endlichen Raume die partielle Differentialgleichung (6) des §. 65 erfüllt, nemlich:


(4)


Noch ist anzumerken, dass in unendlicher Entfernung die magnetischen Kräfte gleich Null sind:


(5)


 Die Gleichungen (1), (2), (3) sind nicht völlig unabhängig von einander. Sie erfüllen die Bedingungsgleichung



 Um nun unsere Aufgabe zu lösen, eliminiren wir zunächst und . Dies geschieht dadurch, dass wir in Gleichung (4) nach , in (3) nach , in (2) nach differenziren und die Resultate links und rechts addiren. Auf diese Weise ergibt sich:



Durch Vergleichung mit §. 13, (4) gelangt man zu einer mechanischen Interpretation des gewonnenen Resultates. Danach darf man wie die von einer anziehenden schweren Masse herrührende Potentialfunction ansehen, wenn im Punkte die Dichtigkeit der Masse



ist. Es ergibt sich also ohne weiteres:


(6)


und in entsprechender Weise:


(7)


(8)


In diesen Gleichungen bedeutet das an den Punkt anstossende Raumelement, ist die Entfernung des Punktes vom Punkte und sind die Compononten der magnetischen Kraft, welche auf die im Punkte concentrirte positive Einheit der magnetischen Masse ausgeübt wird. Die Integrationen in (6), (7), (8) sind über die sämmtlichen von galvanischen Strömen durchflossenen Leiter auszudehnen.


§. 78.
Fortsetzung: Andere Lösung der Aufgabe.


 Die Aufgabe des vorigen Paragraphen lässt sich auch noch auf einem anderen Wege lösen. Wir setzen


(1)




Diese Ausdrücke sind so beschaffen, dass sie die Gleichung (4) des vorigen Paragraphen von selbst erfüllen. Die Gleichungen (1), (2), (3) des vorigen Paragraphen geben jetzt:


(2)




Durch diese partiellen Differentialgleichungen sind die Functionen noch nicht völlig bestimmt. Denn angenommen, man habe eine Lösung gefunden, so bezeichne man mit irgend eine Function von , die mit ihren Derivirten endlich und stetig variabel ist. Dann genügen auch die Functionen



den partiellen Differentialgleichungen (2) und geben vermöge der Gleichungen (1) für dasselbe wie die Lösung . Und umgekehrt, wenn man ausser der Lösung noch eine andere Lösung gefunden hat, so sind die Differenzen





die partiellen Derivirten einer und derselben Function , resp. nach , nach , nach genommen. Denn aus den Gleichungen (2) ergibt sich für diese Differenzen:



 Diese partiellen Differentialgleichungen sind erfüllt, wenn man setzt:





Darin spricht sich aber aus, dass die Differenzen die resp. nach genommenen Derivirten einer und derselben Function sind.

 Um nun die Functionen völlig zu bestimmen, darf man noch eine Gleichung hinzufügen. Wir wählen die Gleichung:


(3)


 Durch sie gehen die Gleichungen (2) in folgende über:


(4)





 Diesen partiellen Differentialgleichungen genügen die Lösungen:


(5)




Hier bedeuten die spezifischen Stromintensitäten im Punkte , es ist das an diesen Punkt anstossende Raumelement und die Entfernung desselben Punktes von dem Punkte . Mit sind die Werthe von in dem letztgenannten Punkte bezeichnet. Die Integrationen hat man über alle von Strömen durchflossenen Leiter auszudehnen.



§. 79.
Aufgabe aus der Theorie des Erdmagnetismus.


 Wir gehen zu der Behandlung einer Aufgabe über, die in der Theorie des Erdmagnetismus von Wichtigkeit ist.

 Im Innern eines einfach zusammenhangenden Körpers sind magnetische Massen vorhanden, deren Vertheilung man nicht kennt. Es sollen aber für jeden Punkt im äusseren Räume die Componenten der von jenen Massen ausgeübten magnetischen Kraft bekannt sein. Diese Componenten sind die partiellen Derivirten einer Potentialfunction , die bis auf eine additive Constante für jeden Punkt des äusseren Raumes eindeutig bestimmt ist. Der Werth der additiven Constanten ergibt sich aus der Bedingung, dass in unendlicher Entfernung die Function den Werth Null hat.

 Im äusseren Räume ist die Function nebst ihren sämmtlichen Derivirten überall endlich und stetig variabel, und sie genügt an jeder Stelle des äusseren Raumes der partiellen Differentialgleichung


(1)


Nun lässt sich die Function in unendlich mannichfaltiger Weise ins Innere des gegebenen Körpers stetig fortsetzen, d. h. so, dass sie im Innern endlich und stetig variabel ist, und dass sie in jedem Punkte der Oberfläche den dort gegebenen Werth annimmt. Jede solche Fortsetzung liefert dann für einen inneren Punkt im allgemeinen einen anderen Werth der Summe


(1)


Diese Summe, durch dividirt, gibt aber die magnetische Dichtigkeit in dem betreffenden Punkte an. Es gibt also, wie man sieht, unendlich viele Vertheilungen magnetischer Massen im Innern des Körpers, so beschaffen, dass sie die im ganzen äusseren Räume vorgeschriebenen magnetischen Wirkungen zu Stande bringen.

 Nun kann man aber den Fall besonders ins Auge fassen, dass im ganzen inneren, wie im äusseren Räume keine magnetischen Massen und keine galvanischen Ströme vorhanden sind. Es entstehen dabei zwei Fragen, nemlich:

 1) Können die im äusseren Räume vorgeschriebenen magnetischen Wirkungen dadurchhervorgebrachtwerden, dassin der Oberflächedes Körpers keinegalvanischen Ströme, sondern nur magnetische Massen vertheilt sind?

 2) Können jene Wirkungen dadurch zu Stande kommen, dass in der Oberfläche des Körpers keine magnetischen Massen, sondern nur galvanische Ströme auftreten?

 Jede dieser beiden Fragen ist besonders zu behandeln. Es wird sich finden, dass in dem einen wie in dem anderen Falle eine einzige bestimmte Vertheilung des Magnetismus, resp. der Ströme das Verlangte leistet.

 Zunächst sind die Bedingungsgleichungen aufzustellen, in denen sich ausspricht, dass im Innern des Körpers keine magnetischen Massen und keine galvanischen Ströme vorhanden sind. Dazu wird erfordert, dass im Innern des Körpers an jeder Stelle


(2)


sei, und dass ebenfalls im Innern an jeder Stelle die drei Gleichungen erfüllt seien:


(3)





 In Folge dieser Gleichungen (2) und (3) sind im Innern des Körpers die partiellen Derivirten einer Function , nemlich:


(4)


und diese Function genügt im Innern des Körpers der partiellen Differentialgleichung (1).

 Wir bezeichnen mit die Oberfläche des Körpers. In einem Punkte derselben werde die Normale nach aussen und nach innen gezogen, und eine auf derselben abgetragene Strecke nach aussen positiv, nach innen negativ gerechnet. Durch resp. soll ausgedrückt werden, dass es sich um einen Punkt auf der Normale handelt, welcher ausserhalb, resp. innerhalb des Körpers unendlich nahe an der Oberfläche liegt. Die Werthe der Function und ihrer ersten Derivirten in einem solchen Punkte mögen durch den angehängten Index resp. bezeichnet werden. Es ist zu bemerken, dass und für jeden Punkt der Oberfläche bekannt sind.



§. 80.
Fortsetzung: Fingirte Vertheilung magnetischer Massen in der Oberfläche des Magnets.


 Zunächst sollen die im äusseren Räume gegebenen magnetischen Wirkungen dadurch hervorgebracht werden, dass magnetische Massen nur in der Oberfläche des Körpers vertheilt sind, und keine galvanischen Ströme auftreten.

 Dies Problem lässt sich folgendermaassen formuliren:

 Die Function ist für jeden Punkt im äusseren Räume gegeben. Sie ist daselbst mit allen ihren Derivirten überall endlich und stetig variabel und genügt der partiellen Differentialgleichung (1) des vorigen Paragraphen. Die Function soll für das Innere des Körpers so bestimmt werden, dass sie darin der partiellen Differentialgleichung


(1)


Genüge leiste, dass sie nebst ihren Derivirten im Innern endlich und stetig variabel sei, und dass an jeder Stelle der Oberfläche


(2)


sei.

 Die Gleichung (1) sagt aus, dass im Innern keine magnetischen Massen und keine Ströme, die Gleichung (2), dass in der Oberfläche keine Ströme vorhanden sind.

 Diese Aufgabe ist im §. 21 gelöst, und im §. 34 ist bewiesen, dass es immer eine und nur eine Auflösung gibt. Hat man dieselbe gefunden, so ergibt sich die Dichtigkeit der magnetischen Massen in einem Punkte der Oberfläche nach §. 65 (9) aus der Gleichung:


(3)



§. 81.
Fortsetzung: Fingirte galvanische Ströme in der Oberfläche des Magnets.


 Wir gehen zu der zweiten Aufgabe über. Die im äusseren Raume gegebenen magnetischen Wirkungen sollen dadurch zu Stande kommen, dass galvanische Ströme nur in der Oberfläche des Körpers auftreten und nirgends magnetische Massen vorhanden sind.

 Diese Aufgabe formulirt sich wie folgt:

 Die Function ist für jeden Punkt im äusseren Räume in derselben Weise gegeben, wie bei der vorigen Aufgabe. Ihre Fortsetzung soll für das Innere des Körpers so bestimmt werden, dass sie darin der partiellen Differentialgleichung


(1)


Genüge leistet, dass sie nebst ihren Derivirten im Innern endlich und stetig variabel sei, und dass an jeder Stelle der Oberfläche


(2)


sei.

 Die Gleichung (1) sagt aus, dass im Innern keine magnetischen Massen und keine Ströme, die Gleichung (2), dass in der Oberfläche keine magnetischen Massen vorhanden sind.

 Aus der Gleichung (1) folgt noch


(3)


wenn das Integral über die Oberfläche des Körpers erstreckt wird. Um dies zu beweisen, errichten wir im Punkte der Oberfläche nach innen zu die Normale und bezeichnen eine von jenem Punkte aus darauf abgetragene Strecke mit , so dass ist für negative Werthe von . Durch Anwendung des in §. 19 (4) entwickelten Hülfsatzes erhält man



Dabei ist das Integral links über den ganzen Körper, das Integral rechts über seine Oberfläche auszudehnen. Beachtet man aber die Gleichungen (4) des §. 79, so lässt sich die letzte Gleichung so schreiben:



Nun ist aber vermöge der Gleichung (l) die linke Seite gleich Null. Es ist ferner


(4)


Setzt man dieses ein, so erlangt man die zu beweisende Gleichung (3).

 Es kommt nun darauf an, zu beweisen, dass es immer eine, und nur eine Function gibt, die den aufgestellten Bedingungen Genüge leistet. Zu dem Ende bezeichnen wir mit eine einwerthige Function von über die nichts weiter festgesetzt wird, als dass sie selbst und ihre ersten Derivirten im Innern des Körpers überall endlich und stetig variabel sein sollen. Solcher Functionen gibt es unendlich viele. Folglich kann auch das über den Körper ausgedehnte Integral


(5)


unendlich viele verschiedene Werthe annehmen. Welche Function man aber auch nehmen möge, immer wird der Werth von positiv und endlich ausfallen. Das Erste ergibt sich aus der Form des Integrals, das Andere folgt unmittelbar aus der Voraussetzung. Wir wollen nur solche Functionen in Betracht ziehen, von denen keine zwei in constantem Verhältniss zu einander stehen. Diese Beschränkung wird eingeführt durch die Nebenbedingung, dass das Oberflächen-Integral


(6)


sein soll. Unter verstehen wir eine von Null verschiedene Constante, deren Grösse vorläufig unbestimmt bleiben möge.

 Bezeichnen wir eine von den unendlich vielen Functionen u \, mit v \,, so lässt jede andere sich in die Form bringen



wenn eine passend zu wählende Constante bedeutet und eine Function, die im Innern des Körpers an dieselbe Bedingung geknüpft ist wie die Functionen , mit der aus (6) hervorgehenden Nebenbedingung, dass das Oberflächen-Integral


(7)


Da die Werthe von endlich und positiv sind, so gibt es unter den Integralen (5), bei denen die Nebenbedingung (6) erfüllt ist, mindestens ein Minimum. Wir bezeichnen mit die Function, welche dieses Minimum zu Stande bringt. Dann lässt sich jede andere Function in die Form bringen



und wenn man nun unendlich klein annimmt, so lautet die Bedingung des Minimum


(8)


Das Integral lässt sich in derselben Weise entwickeln wie in §. 34. Wir erhalten


(9)


Auf der rechten Seite dieser Gleichung wollen wir den zweiten Bestandteil nach §. 20 transformiren. Es findet sich


(10)


Nun kommen aber nur solche Functionen in Betracht, welche die Nebenbedingung (7) erfüllen. Um diese mit zu berücksichtigen, multipliciren wir ihre beiden Seiten mit einer vorläufig noch unbestimmten constanten Grösse , ferner mit und verbinden das Resultat mit (10) durch Addition. Dadurch findet sich, dass bei Gültigkeit der Gleichung (7) die Gleichung (9) in folgende übergeht:


(11)


Dies gilt für jeden Werth der Constanten . Soll für ein unendlich kleines die Bedingung (8) erfüllt sein, so muss der Inbegriff dessen, was auf der rechten Seite von (11) mit multiplicirt ist, gleich Null gesetzt werden. Dazu ist nöthig und hinreichend, dass


(12)


sei an jeder Stelle im Innern des Körpers und


(13)


in jedem Punkte seiner Oberfläche.

 Setzen wir dann


(14)


so genügt die Function allen aufgestellten Bedingungen.

 Die Constante ist von dem Werthe der Grösse abhängig, jedenfalls aber von Null verschieden. Denn angenommen, es wäre so müsste vermöge der Gleichung (13) in jedem Punkte der Oberfläche sein. Man hätte also, wenn man dies und die Gleichung (12) beachtet:



Die linke Seite dieser Gleichung geht aber durch die Transformation des §. 20 hervor aus dem Integral



Dieses Integral müsste also den Werth Null haben, was nicht anders möglich ist, als wenn man setzt. Hieraus würde aber ohne weiteres folgen:



nach Gleichung (3), und das steht mit der Nebenbedingung (6) im Widerspruch. Demnach muss von Null verschieden sein.

 Es bleibt noch zu beweisen, dass es ausser keine andere Function gibt, welche unter der Bedingung (6) das Integral (5) zu einem Minimum macht. Angenommen, es wäre eine Function, die dies leistete, so würde sie die Bedingung erfüllen;


(15)


wenn hier die Constante unendlich nahe an 1 genommen wird. Nun ist aber nach den Gleichungen (11), (12) und (13):




Folglich lautet die Bedingung (15) jetzt:


(16)


Man darf aber die Constante welche hier unendlich nahe an 1 liegen soll, nicht bloss grösser, sondern auch kleiner als 1 nehmen, und deshalb kann die Bedingung (16) nur dadurch erfüllt werden, dass man setzt:


d. h.


Sieht man von einer willkürlichen additiven Constanten ab, so ist demnach die einzige Function, welche unter Innehaltung der Nebenbedingung (6) das Integral (5) zu einem Minimum macht.

 Endlich kann man noch den Zusammenhang zwischen und aufsuchen. Es ist schon bewiesen, dass



Das dreifache Integral links ist das Minimum . Auf der rechten Seite fällt das dreifache Integral heraus wegen der Gleichung (12). Zieht man also noch die Gleichung (13) heran, so geht die letzte Gleichung über in



d. h. in



Da wir über noch disponiren können, so dürfen wir



setzen und erhalten aus (14):


(17)


Es gibt also, abgesehen von einer additiven Constanten, nur eine Function , welche den zu Anfang dieses Paragraphen aufgestellten Bedingungen Genüge leistet.

 Der Satz ist nur dann gültig, wenn der gegebene Körper einfach zusammenhangend ist.



§. 82.
Fortsetzung: Die Strömungslinien.


 Hat man bei der Behandlung der Aufgabe des vorigen Paragraphen die Function für das Innere des Körpers bestimmt, so bleibt noch übrig, die Strömung in der Oberfläche zu untersuchen. Zu diesem Zwecke ziehen wir in der Oberfläche (Fig. 43)
Fig. 43.
eine beliebige, sich selbst nicht durchschneidende Curve vom Punkte 1 nach dem Punkte 2. Als positive Seite derselben betrachten wir diejenige, die zur linken Hand liegt, wenn man auf der Aussenseite der Oberfläche die Curve von 1 nach 2 durchläuft. Wir legen ferner eine begrenzte Fläche , welche die Oberfläche längs der Curve 1 2 durchschneidet. Die Curve 1 2 zerlegt diese Fläche in zwei getrennte Theile, von denen der eine ausserhalb, der andere innerhalb des gegebenen Körpers liegt. Als positiven Umlauf durch die Begrenzung von bezeichnen wir denjenigen, welcher ausserhalb des Körpers von 1 nach 2 und innerhalb von 2 nach 1 führt.

 Um die Elektricitätsmenge zu finden, welche in der Zeiteinheit durch die Curve 1 2 von ihrer negativen auf die positive Seite mehr überströmt als umgekehrt, haben wir nach §. 75 das Integral



in positiver Richtung durch die Begrenzung von zu erstrecken. Es ergibt sich für den Integrationsweg 1 2 ausserhalb des Körpers:



und für den Integrationsweg 2 1 innerhalb:



Setzen wir also


(1)


so erhalten wir


(2)


 Man kann nun in der Flache ein System von in sich zurücklaufenden Linien ziehen (Fig. 44), so dass in einer und derselben
Fig. 44.
Linie einen constanten Werth hat, der sich ändert, wenn man von einer Linie zur anderen übergeht. Durch eine solche Linie strömt in der Zeiteinheit immer ebenso viel Elektricität von der einen

auf die andere Seite wie umgekehrt. Das kommt auf dasselbe hinaus, als ob man sagt: durch eine solche Linie geht gar keine Elektricität hindurch. Diese Linien sind also die Strömungslinien. Für zwei solche Linien:




gibt die Differenz



die Stromintensität der zwischen ihnen sich bewegenden Elektricität an.


 Es ist zu bemerken, dass die Function ebenso mit einer willkürlichen additiven Constanten behaftet ist wie die Function des vorigen Paragraphen. Auf die Differenz übt aber diese Constante gar keinen Einfluss, weil sie in Minuend und Subtrahend dieselbe ist. Es gibt also nur ein System von Strömungslinien und zwischen irgend welchen zwei Linien dieses Systems nur eine bestimmte Stromintensität.

 Nehmen wir in der Oberfläche ein unendlich kleines Linienelement , so ist



die Elektricitätsmenge, welche in der Zeiteinheit normal gegen das Linienelement von der negativen auf die positive Seite desselben übertritt, vermindert um die Elektricitätsmenge, welche in derselben Zeiteinheit in entgegengesetzter Richtung hindurchgeht. Diese Grösse, dividirt durch , nennen wir die specifische Stromintensität in der gegen das Linienelement normalen Richtung. Bezeichnen wir dieselbe mit , so ist demnach


(3)


 Die Erde ist ein einfach zusammenhangender Körper. Auf sie lassen sich also die Untersuchungen der §§. 70 bis 82 anwenden. Um die im äusseren Raume beobachteten magnetischen Wirkungen auf ihren Grund zurückzuführen, kann man unendlich viele verschiedene Vertheilungen magnetischer Massen im Innern der Erde annehmen. Dieselben lassen sich aber ersetzen durch eine einzige Vertheilung magnetischer Fluida an der Oberfläche oder durch eine einzige Anordnung galvanischer Ströme an der Oberfläche.

 Die Vertheilung von magnetischen Flüssigkeiten an der Oberfläche der Erde ist nur eine ideale. Dagegen können die galvanischen Ströme in der Oberfläche wirklich vorhanden sein. Wollte man die äusseren magnetischen Wirkungen allein aus magnetischen Massen im Innern der Erde erklären, so müssten dieselben in enormen Quantitäten vorhanden sein. Dagegen reichen schon sehr schwache galvanische Ströme in der Oberfläche hin, um jene äusseren magnetischen Wirkungen hervorzubringen. Nur muss für die Ströme eine fortdauernde elektromotorische Kraft nachgewiesen werden.


§. 83.
Mehrfach zusammenhangende Körper.


 Wir wollen jetzt einen mehrfach zusammenhangenden Körper genauer betrachten. Ein Körper heisst einfach zusammenhangend, wenn sich in keiner Weise eine Schnittfläche hindurchlegen lässt, durch welche er nicht in völlig getrennte Stücke zerfiele. Lässt sich ein Körper durch Schnittflächen in einen einfach zusammenhangenden verwandeln, so nennen wir ihn fach zusammenhangend. Für einen solchen Körper ist auch der äussere Raum mehrfach zusammenhangend, und zwar wie jener fach, falls der Körper selbst vollständig begrenzt im endlichen Gebiete liegt.

 Um diesen Satz zu beweisen, haben wir zunächst das Schema eines mehrfach zusammenhangenden Körpers herzustellen. Als solches bietet sich das Drahtsystem des §. 62 dar, wenn wir (um nicht einen besonderen Fall im Auge zu haben) die Querschnitte aller Drähte in zwei Dimensionen endlich voraussetzen. Wir numeriren
Fig. 45.
die sämmtlichen einzelnen Drahtzweige und die sämmtlichen Knoten. Der zu führende Beweis beruht auf Abzählungen, die der Einfachheit wegen an einer ebenen Hülfsfigur ausgeführt werden können. Wir nehmen in der Ebene in endlicher Entfernung von einander ebenso viel Punkte, als das Drahtsystem Knoten hat. Je ein Punkt der Ebene und der gleichnumerirte Knoten des Drahtsystems entsprechen einander. Die Punkte der Ebene sollen nun durch gerade Linien so verbunden werden, dass je einer solchen Linie ein besonderer einzelner Drahtzweig entspricht und umgekehrt, und dass Anfangs- und Endpunkt irgend einer Linie resp. den Knoten correspondiren, zwischen denen der der Linie entsprechende Drahtzweig liegt. Da über die gegenseitige Lage der Knotenpunkte in der Ebene nichts vorausgesetzt ist, so kann man sie immer so anordnen, dass keine von den Verbindungslinien zwischen ihrem Anfangs- und ihrem Endpunkte von einer anderen

durchschnitten wird, und dass keine zwei Linien, die in einem Knotenpunkte zusammenstossen, einen Winkel von genau 180° einschliessen (Fig. 45).

 Die ebene Hülfsfigur besteht nun aus einem Polygon, dessen sämmtliche Eckpunkte Knotenpunkte sind, und welches die übrigen Knotenpunkte in seinem Innern enthält. Ein Theil der gezogenen Linien bildet die Begrenzung des Polygons, die übrigen liegen im Innern und zerlegen dasselbe in eine noch näher zu bestimmende Anzahl einzelner Figuren.

 Zerschneidet man jede Linie der Figur 45 an einer zwischen den Knotenpunkten liegenden Stelle und schreibt vor, dass beim stetigen Durchlaufen des Liniensystems keine Schnittstelle überschritten werden darf, so zerfällt dasselbe in n einfach zusammenhangende Systeme, von denen jedes einen Knotenpunkt in sich enthält. In der That kann man von jedem Knotenpunkte aus auf allen von dort auslaufenden Linien sich stetig fortbewegen, auf jeder aber nur bis an die Schnittstelle. Lässt mau nun einen
Fig. 46.
Schnitt fallen, so werden dadurch die beiden einfach zusammenhangenden Systeme, welche daselbst an einander stossen, zu einem einzigen einfach zusammenhangenden Systeme vereinigt. Oder mit anderen Worten: durch die Aufhebung eines Schnittes wird die Anzahl der einfach zusammenhangenden Liniensysteme um 1 vermindert. Will man also nur ein einziges einfach zusammenhangendes System behalten, so muss man Schnitte beseitigen. Das gegebene Liniensystem wird demnach durch Schnitte im Innern der Linien in ein einfach zusammenhangendes System verwandelt.

 In Fig. 45 seien nun äussere Knotenpunkte vorhanden, folglich auch äussere Begrenzungslinien. Um die Anzahl der einzelnen Figuren zu betimmen [3], in welche das -Eck durch die inneren Linien zerlegt wird, ziehen wir in jeder Figur, die mehr als drei Seiten hat, von einem Punkte aus die Diagonalen. (Sie sind in Fig. 46 punktirt.) Dadurch zerfallen die inneren Figuren in lauter Dreiecke, deren Anzahl leicht aus ihrer Winkelsumme bestimmt werden kann. Die Summe der Winkel an den äusseren Knotenpunkten ist nemlich



und an den inneren Knotenpunkten



Folglich haben wir



Dreiecke und



innere Dreiecksseiten. Dabei ist jede innere Linie der Fig. 46 doppelt gezählt. Die Anzahl dieser inneren Linien ist also



In der ursprünglichen Fig. 45 sind aber nur



innere Linien vorhanden. Folglich hat man in Fig. 46



punktirte Linien, die wieder weggenommen werden müssen, wenn man auf die ursprüngliche Figur zurückkommen will. Durch jede weggenommene punktirte Linie werden zwei benachbarte Figuren zu einer einzigen vereinigt. Die Anzahl der einzelnen Figuren, in welche das -Eck der Fig. 45 durch die inneren Linien zerlegt wird, ist demnach




Nun entspricht jedem Schnitt im Innern der Linien von Fig. 45 eine Querschnittsfläche im Innern des gegebenen Drahtsystems. Dasselbe wird also durch Querschnittsflächen in einen einfach zusammenhangenden Körper verwandelt. Jeder einzelnen einfachen Figur in 45 entspricht eine Querschnittsfläche im äusseren Raume. Die Anzahl dieser Querschnittsflächen ist demnach auch . Sind sie alle vorhanden, so besitzt der äussere Raum noch vollen Zusammenhang. Denn man kann von einem Punkte auf der einen Seite irgend eines Querschnittes nach allen Punkten auf der einen wie auf der andern Seite jedes Querschnittes gelangen, ohne den äusseren Raum zu verlassen. Wollte man aber im äusseren Raume noch eine neue Querschnittsfläche legen, so würde er dadurch in zwei getrennte Stücke zerfallen. Der gegebene Körper und der äussere Raum sind also beide -fach zusammenhangend.

 Aus dem Gange des Beweises ersieht man zugleich, dass der gegebene Körper in mannichfaltiger Weise in einen einfach zusammenhangenden zerlegt werden kann. Die Anzahl der Querschnitte ist aber bei allen Zerlegungen dieselbe.

 Nach dieser Einschaltung kehren wir zu der Untersuchung des §. 81 zurück.



§. 84.
Die Aufgabe des §. 81 für einen mehrfach zusammenhangenden Körper.


 Die Aufgabe des §. 81 soll jetzt unter der Voraussetzung behandelt werden, dass der gegebene Körper fach zusammenhangend ist.

 Wir zerlegen zunächst den äusseren Raum durch Querschnittsflächen in einen einfach zusammenhangenden und setzen fest, dass alle Verschiebungen, die mit einem Punkte im äusseren Raume vorgenommen werden, völlig innerhalb dieses einfach zusammenhangenden Raumes liegen sollen, d. h. dass keine Verschiebung durch die Oberfläche des gegebenen Körpers oder durch irgend eine der Querschnittsflächen schneidend hindurchgehen darf. Nach §. 79 (4) ist



an jeder Stelle des äusseren Raumes ein vollständiges Differential. Erstreckt man also das Integral


(1)


aus unendlicher Entfernung nach dem im äusseren Raume gelegenen Punkte , so ist der Werth desselben unabhängig von dem Integrationswege, wenn nur dieser Weg seiner ganzen Erstreckung nach in dem einfach zusammenhangenden äusseren Raume liegt. Die Function ist demnach innerhalb des genannten Raumes eine einwerthige, überall endliche Function des Ortes, deren Werthe bei jeder zulässigen stetigen Verschiebung des Punktes sich stetig ändert.

 Für zwei Punkte, die einander unendlich nahe auf entgegengesetzten Seiten irgend eines der Querschnitte liegen, hat die Function Werthe von endlicher Differenz. Man findet diese Differenz, indem man das Integral



von dem einen Punkte nach dem andern hin längs eines Integrationsweges erstreckt, welcher völlig innerhalb des einfach zusammenhangenden äusseren Raumes liegt. Für einen und denselben Querschnitt ist die Differenz



constant, an welcher Stelle dieses Querschnittes man auch die beiden unendlich nahe gelegenen Punkte nehmen möge. Denn zieht man längs eines Querschnittes zwei einander unendlich nahe gelegene Linien, die eine auf der positiven, die andere auf der negativen Seite des Querschnittes, so habe in irgend einem Punkte der einen Linie die Componenten resp. dieselben Werthe wie in dem unendlich nahe gelegenen Punkte der andern Linie.

 Die constanten Werthe, welche die Differenz



zu beiden Seiten der Querschnitte besitzt, sind nach der Natur der Aufgabe bekannt. Wir wollen sie mit bezeichnen.

 Soll nun die Function gemäss den Bedingungen (1) und (2) des §. 81 in das Innere des gegebenen Körpers fortgesetzt werden, so kann man dazu genau den dort eingeschlagenen Weg wieder durchmachen. Aber die Function, welche sich dabei ergibt (sie soll hier mit bezeichnet werden), ist nicht mehr die einzige Lösung der Aufgabe. Man kann nemlich noch eine Function hinzufügen, welche willkürliche constante Grössen als lineär auftretende Factoren enthält. Wir stellen durch Querschnittsflächen im Innern des gegebenen Körpers einfachen Zusammenhang her, und gehen darauf aus, die Function den folgenden Bedingungen gemäss zu bestimmen. Es soll


(2)


sein im ganzen Innern. Es soll


(3)


sein für jeden Punkt der Oberfläche dos fach zusammenhangenden Körpers. Dabei ist mit die nach innen gezogene Normale dieses Punktes gemeint. Es soll


(4)


sein für je zwei Punkte, die einander unendlich nahe auf entgegengesetzten Seiten des Querschnittes liegen. Es soll endlich für denselben Querschnitt


(5)


sein, wenn wir mit eine Strecke bezeichnen, die von einem Punkte des Querschnittes aus auf der Normale abgetragen ist, positiv nach der einen, negativ nach der andern Seite.

 Im Uebrigen soll die Function nebst ihren Derivirten überall endlich und stetig variabel sein innerhalb des ganzen fach zusammenhangenden Raumes, in welchen der gegebene fach zusammenhangende Körper durch den Querschnitt verwandelt wird.

 Diese Aufgabe ist im §. 60 gelöst. Man braucht nur die dort vorkommende Grösse zu beiden Seiten des Querschnittes und durch den ganzen Körper hindurch constant zu nehmen. Es ist ferner bewiesen, dass die Aufgabe nur eine Lösung zulässt. Nimmt man jetzt der Reihe nach , so erhält man verschiedene Functionen



bei denen die Gleichungen (2), (3), (4), (5) erfüllt sind. Die in (4) vorgeschriebene Unstetigkeit tritt für jede Function nur an einem der Querschnitte ein und für jede an einem besondern.

 Wir setzen nun


(6)


im Innern des gegebenen Körpers. Da die im äusseren Raume gegebene Function bei der Herstellung von nach §. 81 ihren Einfluss (wenn man sich so ausdrücken darf) bereits völlig geltend gemacht hat, so muss jetzt nothwendig für den äusseren Raum


(7)


genommen werden. Dann genügt die Function


(8)


den folgenden Bedingungen. Sie stimmt im ganzen äusseren Räume mit der dort gegebenen Function überein. Sie erfüllt im äusseren Raume wie im Inneren des gegebenen Körpers die partielle Differentialgleichung (2). Für jeden Punkt in der Oberfläche des fach zusammenhangenden Körpers ist


(9)


Beim Durchgange durch die Querschnitte von der negativen auf die positive Seite ändert sich die Function sprungweise um die constanten Grössen . Uebrigens ist sie nebst ihren ersten Derivirten endlich und stetig variabel im Innern des einfach zusammenhangenden Körpers, welcher durch die Querschnitte zu Stande gebracht ist. Für zwei unendlich nahe gelegene Punkte auf verschiedenen Seiten des Querschnitts hat die Derivirte in der Richtung der wachsenden Normale denselben Werth.

 Da die Coefficienten völlig willkürlich sind, so gibt es in der Oberfläche eines mehrfach zusammenhangenden Körpers unendlich viele verschiedene Stromvertheilungen, von denen jede die im äusseren Raume vorgeschriebenen magnetischen Wirkungen hervorbringt.

 Hat man ein bestimmtes System von Constanten angenommen, so ergeben sich die Strömungslinien und die Stromintensitäten durch Anwendung des in §. 82 entwickelten Verfahrens. Man hat dabei zweierlei Arten von Strömen zu unterscheiden. Setzt man nemlich die sämmtlichen Constanten gleich Null, woraus auch folgt, so erhalt man eine einzige Anordnung von Strömen, von denen allein die äusseren magnetischen Wirkungen herrühren. Setzt man dagegen , so erhält man für jedes bestimmte System von Constanten eine Stromvertheilung, von der im äusseren Raume gar keine magnetischen Wirkungen ausgeübt werden. Es geht dies unmittelbar aus der Gleichung (7) hervor. Wir wollen den einfachsten Fall, nemlich , im nächsten Paragraphen noch näher betrachten.


§. 85.
Fortsetzung: Der Ring.


 Der gegebene Körper sei ein Ring, also zweifach zusammenhangend (Fig. 47). Wir zerlegen ihn durch einen Querschnitt und den äusseren Raum durch einen Querschnitt je in einen einfach zusammenhangenden Raum. Die Begrenzungslinien der Querschnitte und liegen, wie immer, in der Oberfläche des Ringes. Es sind zwei in sich zurücklaufende Linien, die einander in einem Punkte durchschneiden.
Fig. 47.
Die Begrenzungslinie von ist so beschaffen, dass jede Fläche, der sie zur vollständigen Begrenzung dient, die Axe des Ringes in einem Punkte schneidet. Die Fläche lässt sich dagegen über ihre Begrenzung so in das Innere des Ringes fortsetzen, dass die Axe desselben ganz in dieser Fortsetzung liegt. Nun kann man auf der Oberfläche des Ringes zwei Systeme von in sich zurücklaufenden Linien ziehen, so dass die Linien eines und desselben Systems von einander völlig getrennt liegen, dagegen jede Linie des ersten Systems die Linien des zweiten Systems in je einem Punkte schneidet. Die Systeme sollen so beschaffen sein, dass je zwei benachbarte Linien desselben Systems einander unendlich nahe liegen, und dass die Begrenzung von zu dem ersten, die Begrenzung von zu dem zweiten Systeme gehört.

 Wir nehmen zwei Punkte, die einander unendlich nahe auf entgegengesetzten Seiten des Querschnittes liegen und verbinden sie durch eine Linie, die ganz innerhalb des einfach zusammenhangenden äusseren Raumes verläuft. Diese Linie kann man zur Begrenzung einer Fläche machen, welche die Oberfläche des Ringes in irgend einer Linie des zweiten Systems durchschneidet. Wir stellen uns auf derjenigen Seite der Fläche auf, auf welcher ein positiver Umlauf durch die Begrenzung von der negativen auf die positive Seite von führt. Um die Elektricitätsmenge zu finden, welche in der Zeiteinheit von unten nach oben durch die eben gelegte Fläche mehr hindurchströmt als von oben nach unten, haben wir nach §. 75 das Integral



durch die Begrenzungslinie zu erstrecken, und zwar von der negativen bis auf die positive Seite von . Der Werth dieses Integrals ist



Nun lässt sich aber im äusseren Raume wie im Innern des Ringes



setzen und dabei bemerken, dass im ganzen äusseren Raume



ist. Dadurch erhält man die Gleichung


(1)


Diese Gleichung würde unverändert bleiben, wenn man überall setzen wollte. Geht also ein Strom, dem die Function angehört, an einer Stelle durch eine Linie des zweiten Systems hindurch, so tritt er an derselben oder an einer anderen Stelle wieder auf die ursprüngliche Seite zurück. Folglich lassen sich die Linien des zweiten Systems auf der Oberfläche des Ringes (und mit ihnen die Begrenzung des Querschnittes ) so zurechtschieben, dass sie zu Strömungslinien der Ströme zweiter Art werden. Ihre Gleichungen sind in der allgemeinen Form enthalten


(2)


und es bedeutet den Werth der Function im Innern des Ringes unendlich nahe an seiner Oberfläche.

 Auf demselben Wege findet sich, dass die Linien des ersten Systems, passend angeordnet, Strömungslinien der Ströme erster Art sind. Sie werden festgelegt durch Gleichungen von der Form


(3)


wobei und die Werthe von in zwei Punkten sind, die einander unendlich nahe auf der äusseren und der inneren Seite der Ringoberfläche liegen.

 Die magnetischen Wirkungen im äusseren Raume rühren bloss von den Strömen her, die in den Bahnen (3) fliessen. Die Ströme, denen die Strömungslinien (2) angehören, üben im äusseren Raume keine magnetische Wirkung aus.


§. 86.
Das magnetische Potential.


 Wir können die Wechselwirkung zwei permanenter Magnete bestimmen, indem wir ihr Potential auf einander bilden. Es sei in irgend einem Raumelement des ersten Magnets die magnetische Masse , in einem Raumelement des zweiten Magnets die magnetische Masse vorhanden. Diese Massen und sollen von der Zeit unabhängig sein. Dann ist


(1)


die Potentialfunction des ersten Magnets auf die im Punkte concentrirt gedachte positive magnetische Einheit. Es ist ferner


(1)


die Potentialfunction des zweiten Magnets auf die im Punkte concentrirt gedachte positive magnetische Einheit. Dabei bezeichnet die Entfernung eines Punktes in dem mit der magnetischen Masse , resp. , erfüllten Raumelemente von dem Punkte . Die Integration erstreckt sich in (1) über den ganzen ersten, in (2) über den ganzen zweiten Magnet.

 Das Potential der beiden Magnete auf einander wird ausgedrückt durch die Gleichung


(3)


Hier bedeutet die Entfernung zweier Punkte, von denen der eine dem mit , der andere dem mit erfüllten Raumelemente angehört. Die Integration in (3) ist über beide Magnete auszudehnen. Durch Vergleichung der Formeln (1), (2), (3) erkennt man, dass P sich in der doppelten Weise ausdrücken lässt:


(4)


(5)


 Die Gleichung (4) ist so zu verstehen, dass der in (2) vorkommende Punkt in das mit erfüllte Raumelement des ersten Magnets verlegt ist. In (5) hat man dagegen den in (1) vorkommenden Punkt in das mit erfüllte Raumelement des zweiten Magnets zu verlegen. Die Integration erstreckt sich in (4) über den ersten, in (5) über den zweiten Magnet.



§. 87.
Die elektromagnetische Elementar-Arbeit.


 Wir wollen dazu übergeben, die elektromagnetische Wechselwirkung zwischen einem constanten lineären galvanischen Strome und einem Magnet zu betrachten. Wir brauchen nur eine Fläche zu construiren, welche die Strombahn zur Begrenzung hat, und diese Fläche, sowie eine unendlich nahe liegende, nach §. 72 mit magnetischer Masse zu belegen. Dadurch erhalten wir einen Magnet, welcher nach aussen dieselbe magnetische Wirkung übt wie der gegebene Strom.

 In einem Punkte der Fläche errichten wir nach einer Seite die Normale und bezeichnen mit eine auf ihr von jenem Punkte aus gezählte Strecke. Dann hat man zu setzen:


für


für


Hier bezeichnet die Intensität des lineären Stromes, eine unendlich kleine Länge und ein Element der Fläche .

 Ist also die Potentialfunction des gegebenen Magnets, so haben wir


(1)



 Statt können wir noch die Potentialfunction der von dem galvanischen Strome ausgeübten magnetischen Kraft einführen. Es ist nemlich (§. 71) nach magnetischem Maasse



Folglich ergibt sich


(2)


Bei einer unendlich kleinen Verschiebung des Magnets ändert sich der Werth von . Die Aenderung gibt die Arbeit an, welche die von dem Strome ausgeübten magnetischen Kräfte zu leisten haben, um jene Verschiebung zu Stande zu bringen. Nach dem Satze von der Gleichheit der Wirkung und Gegenwirkung findet sich umgekehrt die Wirkung des Magnets auf den Strom.



§. 88.
Die elektrodynamische Elementar-Arbeit. Zwei constante lineäre Ströme.


 Wir haben im §. 86 die Wechselwirkung zwischen zwei Magneten betrachtet. In §. 87 ist für den ersten Magnet ein constanter galvanischer Strom an die Stelle gesetzt. Man kann aber auch noch statt des andern Magnets einen constanten Strom nehmen. Dann handelt es sich um die Wechselwirkung zwischen zwei constanten Strömen. Insofern die dabei geleistete Arbeit zur Bewegung der Ströme mit den Stromleitern verbraucht wird, nennen wir die Wechselwirkung die elektrodynamische.

 Es soll jetzt die Funktion hergestellt werden, deren unendlich kleine Aenderung die elektrodynamische Elementar-Arbeit angibt, welche bei einer unendlich kleinen Verschiebung der beiden Ströme geleistet wird.

 Wir können dabei von der Gleichung (2) des vorigen Paragraphen ausgehen, haben aber jetzt als die Potentialfunction der magnetischen Kraft anzusehen, welche von einem lineären galvanischen Strome ausgeübt wird. Im Punkte sind die Componenten dieser Kraft


(1)


und es ist zu beachten, dass überall ausserhalb des lineären Stromes, von dem sie herrühren, endlich und stetig variabel sind. Nun findet sich



und folglich kann man die Gleichung (2) des vorigen Paragraphen jetzt so schreiben:


(2)


Betrachtet man aber die beiden Seiten der Fläche als einen Theil der Begrenzung des unendlichen Raumes (die übrige Begrenzung ist eine unendlich entfernte Kugelfläche), so kann man auf der positiven, wie auf der negativen Seite von die Normale nach dem Innern dieses Raumes hin ziehen. Auf der Seite der positiven hat man , auf der Seite der negativen dagegen . Die Gleichung (4) gibt demnach jetzt:


(3)


wenn die Integration über beide Seiten der Fläche ausgedehnt wird.

 Dieses Integral lässt sich durch ein Raum-Integral, ersetzen. Bezeichnen wir nemlich mit den unendlichen Raum, welcher eine unendlich entfernte Kugelfläche und die beiden Seiten der Fläche zur Begrenzung hat, so findet sich nach §. 19 (4), dass das über den unendlichen Raum ausgedehnte Integral



gleich ist dem Oberflächen-Integral



wenn dieses über die beiden Seiten der Fläche und über die unendlich ferne Kugelfläche erstreckt wird. Nun sind aber in unendlicher Entfernung sowohl als gleich Null. Das Integral über die Kugelfläche fällt also weg, und wir erhalten


(4)


 Die Integration in (4) ist über den ganzen unendlichen Raum auszudehnen.

 Wir können noch weiter transformiren. Durch Ausführung der Differentiation ergibt sich nemlich



Da aber von einem lineären galvanischen Strome herrühren, so ist in dem ganzen unendlichen Raume ausserhalb des Stromleiters



Es ist ferner die Potentialfunction der magnetischen Kraft, welche der erste lineäre galvanische Strom ausübt, folglich



Danach kann man statt der Gleichung (4) auch


(5)


setzen, und das Integral erstreckt sich über den ganzen unendlichen Raum.



§. 89.
Fortsetzung: Zwei beliebige constante Ströme.


 Die Gleichung (5) des vorigen Paragraphen bleibt auch dann gültig, wenn der erste Leiter nicht lineär ist. Denn wir können jeden geschlossenen nichtlineären Strom als ein System von lineären Strömen auffassen. Dabei würde resp. an die Stelle treten für und an die Stelle für . Nachher kann man dann wieder die Summen mit einfachen Buchstaben bezeichnen, so dass die Formel (5) wieder zu Stande kömmt.

 Ebenso kann man auch den zweiten Strom nichtlineär nehmen. Die Gleichung (5) des vorigen Paragraphen bleibt dabei in unveränderter Form gültig. Nur hat man jetzt unter die Componenten der gesammten magnetischen Kraft zu verstehen, welche der nichtlineäre erste Strom ausübt, und unter die Componenten der gesammten magnetischen Kraft, die der nichtlineäre zweite Strom ausübt.


 Wir können nun auf die Gleichungen (1) des §. 78 zurückgehen. Durch sie lässt sich der Ausdruck (5) des vorigen Paragraphen so transformiren:


(1)


Hier erscheint es zweckmässig, die Integration nach Theilen anzuwenden. Wir erhalten



Um das bestimmte Integral zu ermitteln, hat man auf beiden Seiten die Grenzen einzusetzen. Dabei verschwindet rechts der vom Integralzeichen freie Bestandtheil. Denn es ist für sowohl als gleich Null. Man erhält also



In derselben Weise lassen sich die übrigen Bestandtheile auf der rechten Seite von (1) umformen. Es ergibt sich danach



Die Integration ist noch zu vereinfachen. Es sind nemlich die Differenzen





nur im Innern des zweiten Leiters von Null verschieden [§. 66, (2), §. 77, (1), (2), (3)]. Bezeichnen wir also mit ein Raumelement des zweiten Leiters, so erhalten wir jetzt


(2)


und die Integration erstreckt sich nur über den Raum des zweiten Leiters.

 Die Functionen sind durch die Gleichungen (5) des §. 78 ausgedrückt. Es ist nemlich


(3)




Hier beziehen sich nur auf die magnetischen Kräfte, die von dem ersten Strome ausgeübt werden. Folglich hat man in den Gleichungen (3) unter ein Raumelement im Innern des ersten Leiters zu verstehen. Es sind die Componenten der specifischen Stromintensität in einem Punkte dieses Raumelementes, und ist der Abstand desselben Punktes von dem Punkte . Die Integrationen in (3) erstrecken sich nur über den Raum des ersten Leiters.

 Bezeichnen wir ferner mit die Componenten der specifischen Stromintensität in einem Punkte des zweiten Leiters, so haben wir nach den Gleichungen (1), (2), (3) des §. 77


(4)




Wir führen dies zunächst in Gleichung (2) ein und erhalten


(5)


Die Integration ist über den Raum des ganzen zweiten Leiters auszudehnen.

 In derselben Weise hätte man auch zu dem Ausdrucke gelangen können:


(6)


Hier hängen mit den magnetischen Kräften zusammen, die der zweite Strom ausübt, und es sind die Componenten der specifischen Stromintensität in einem Punkte im Innern des ersten Leiters. Die Integration in (6) hat man über den Raum des ersten Leiters auszudehnen.

 Setzt man in (5) für ihre Ausdrücke ein aus (3), so ergibt sich



 Dafür lässt sich kürzer schreiben:


(7)


 Die Bedeutung des Ausdruckes



ist leicht zu erkennen. Es ist nemlich, wenn i die gesammte specifische Stromintensität in einem Punkte von bezeichnet, nach §. 54, (9):





Dem entsprechend erhalten wir





wenn die gesammte specifische Stromintensität in einem Punkte von bezeichnet. Demnach ist



und die Gleichung (7) geht schliesslich in die folgende über:


(8)



§. 90.
Fortsetzung: Zwei lineäre constante Ströme.


 Wir kehren zu dem speciellen Falle von zwei constanten geschlossenen lineären Strömen zurück. Der erste Leiter (Fig. 48) ist ein in sich zurücklaufender Draht vom Querschnitt . Die im Innern

Fig. 48.

des Drahtes normal gegen alle Querschnitte verlaufende Axe ist eine Curve, deren Länge von einem festen Punkte aus bis zum Punkte mit bezeichnet werden möge. Der zweite Leiter ist ebenfalls ein in sich zurücklaufender Draht. Sein Querschnitt werde mit bezeichnet. Auf der Axe wählen wir einen festen Ausgangspunkt und einen beweglichen Punkt . Der zwischen beiden liegende Bogen der Axe habe die Länge .

 Die Querschnitte und sollen im Vergleich zu den Drahtlängen so klein sein, dass in allen Punkten eines und desselben Querschnittes die specifische Stromintensität constant und überall normal gegen den Querschnitt gerichtet ist. Wir bezeichnen dieselbe im Punkte des ersten Leiters mit , im Punkte des zweiten Leiters mit .


 Hiernach sind und Functionen von , und es sind , und Functionen von . Für constante lineäre Ströme gilt der §. 61. Es ist also



und hier sind und constant.

 Im vorliegenden Falle ist und . Folglich lautet jetzt die Gleichung (8) des vorigen Paragraphen



oder kürzer


(1)


Der Winkel ist derselbe, wie der Winkel, welchen die Bogenelemente und mit einander einschliessen. Folglich haben wir


(2)


Ferner ist zu beachten, dass



daraus findet sich


(3)


Gibt man hierauf Acht, so lässt sich statt der Gleichung (1) auch schreiben:


(4)


oder, was auf dasselbe hinauskommt:


(5)


Den Ausdruck (4) kann man transformiren. Die unbestimmte Integration nach Theilen gibt




Setzt man die Grenzen ein, so fällt der vom Integralzeichen freie Theil heraus, da die Integration durch die geschlossene Linie auszudehnen ist. Folglich erhalten wir


(6)


Nun ergibt sich aus dem Ausdrucke für durch Differentiation



Andererseits ist . Durch Vergleichung finden wir



Bezeichnet man mit und die Winkel, welche die Richtung der von nach führenden Linie mit den Richtungen des wachsenden und des wachsenden einschliesst, so erkennt man leicht, dass die beiden letzten Gleichungen auch so geschrieben werden können:


(7)


Folglich geht die Gleichung (6) in die neue Form über:


(8)


Die Winkel und sind in Fig. 48 bezeichnet.


§. 91.
Ampère’s Gesetz.


 Aus der Function lässt sich die Kraft finden, mit der die beiden Stromelemente und auf einander wirken. Wir bezeichnen mit die abstossende Kraft, welche und in der Richtung von auf einander ausüben. Denken wir uns, dass während der unendlich kleinen Zeit die Entfernung sich um geändert habe, so ist die bei der Verschiebung der Elemente und geleistete Arbeit



und die Gesammtarbeit bei der Verschiebung beider geschlossenen Leiter



Diese Gesammtarbeit ist gleich der Aenderung von . Wir haben also die Gleichung


(1)


Nun berechnet sich aber aus der Gleichung (5) des vorigen Paragraphen



Der zweite Bestandtheil auf der rechten Seite ist noch durch Integration nach Theilen umzuformen. Man erhält, indem man unbestimmt integrirt:



Setzt man die Grenzen ein, so verschwindet der freie Theil, weil die Integration durch den geschlossenen zweiten Leiter erstreckt wird. Man hat also



Wir transformiren weiter. Bei unbestimmter Integration ist



Setzt man hier die Grenzen ein, so verschwindet wieder der freie Theil. Denn es ist hier die Integration durch den geschlossenen ersten Leiter ausgedehnt. Also hat man schliesslich



und es ist deshalb


(2)


Nun finden wir durch Differentiation



folglich



Setzen wir dies in den Ausdruck für ein und beachten die Gleichungen (1) und (2), so ergibt sich


(3)


 Wir bezeichnen den Winkel mit . Dann lässt mit Rücksicht auf die Gleichungen (2), (3) und (7) des vorigen Paragraphen die eben gewonnene Gleichung (3) sich auch so schreiben:


(4)


Dies ist das von Ampère gefundene Gesetz der elektrodynamischen Wechselwirkung zwei lineärer Stromelemente.*)[4]



  1. *) Riemann. Grundlagen für eine allgemeine Theorie der Functionen einer veränderlichen complexen Grösse. Göttingen 1851. Art. 7 und 8.
  2. *) Allgemeine Theorie des Erdmagnetismus, Art. 38. (Resultate aus den Beobachtungen des magnetischen Vereins. 1838. — Gauss’ Werke, Bd. 3.)
  3. WS: Druckfehler, soll bestimmen heißen
  4. *)Ampère. Mémoire sur la théorie mathématique des phénomènes électrodynamiques. (Mémoires de l’Académie de Paris. T. VI. 1823.)