Schwere, Elektricität und Magnetismus/Zweiter Theil
Editionsrichtlinien, Quellenangaben und Zusammenstellung siehe: Schwere, Elektricität und Magnetismus.
Zur Erklärung der elektrischen Erscheinungen stellen wir die Hypothese auf, dass in jedem ponderablen Körper zwei imponderable elektrische Fluida vorhanden sind: das positive und das negative elektrische Fluidum.
Die ponderablen Körper als Träger der Elektricität werden in zwei Klassen eingetheilt, in Leiter (Conductoren) und Nichtleiter (Isolatoren). Unter einem Leiter versteht man einen solchen ponderablen Körper, innerhalb dessen die elektrischen Flüssigkeiten sich vollkommen frei bewegen können. Unter einem Nichtleiter dagegen versteht man einen Körper, in welchem jedes kleinste Theilchen der elektrischen Flüssigkeiten an dem Körpermolekül haftet, dem es ursprünglich angehört hat. Zwar gibt es in der Natur keine vollkommenen Leiter und keine vollkommenen Nichtleiter. Vielmehr setzt jeder Leiter der Bewegung der elektrischen Theilchen einen, wenn auch sehr geringen, Widerstand entgegen, und in jedem Nichtleiter ist eine Lagenänderung der elektrischen Theilchen in seinem Innern nicht gänzlich ausgeschlossen, wenn sie auch nur sehr langsam zu Stande kömmt. Es erleichtert aber die Untersuchung der elektrostatischen Erscheinungen, wenn man bei den Leitern den sehr geringen Widerstand, bei den Nichtleitern die sehr geringe Beweglichkeit der elektrischen Theilchen ganz ausser Betracht lässt.
Die elektrischen Fluida sind imponderabel, d. h. sie werden von der Schwerkraft nicht in Anspruch genommen. Dagegen übt jedes elektrische Theilchen auf jedes andere elektrische Theilchen eine bewegende Kraft aus. Zwei elektrische Theilchen haben gleiche Elektricitätsmengen, wenn jedes von ihnen unter gleichen Umständen auf ein und dasselbe dritte Theilchen nach Grösse und Richtung dieselbe Kraft ausübt.
Nach dieser Definition erkennt man die Möglichkeit, gleiche Quantitäten desselben Fluidums herzustellen und in Folge davon, bei Annahme irgend einer Einheit, verschiedene Quantitäten desselben Fluidums zu messen. Es kömmt noch darauf an, mit demselben Maass auch die Elektricitätsmengen des anderen Fluidums zu messen. Zu dem Ende definiren wir weiter: Zwei elektrische Theilchen haben entgegengesetzt gleiche Elektricitätsmengen, wenn sie unter gleichen Umständen auf ein und dasselbe dritte Theilchen Kräfte ausüben, die an Grösse gleich, in der Richtung einander entgegengesetzt sind. Hiernach üben zwei gleiche Quantitäten des einen und des anderen elektrischen Fluidums, wenn sie in demselben Punkte des Raumes vereinigt sind, gar keine Kraft aus. Dies ist der Grund, weshalb man die beiden Flüssigkeiten als positives und negatives Fluidum unterschieden hat.
Es ist nicht unwichtig, hier eine Bemerkung anzuknüpfen. Denken wir uns einen Körper, der durchaus keine elektrische Wirkung ausübt, so lässt sich sein elektrischer Zustand in doppelter Weise auffassen. Entweder nemlich kann man sagen: an jeder Stelle des Körpers ist die Elektricitätsmenge Null vorhanden. Oder man kann sagen: an jeder Stelle des Körpers ist eine Quantität positiver und eine eben so grosse Quantität negativer Elektricität in neutralem Gemisch vorhanden. Ist der Körper, der in diesem Zustande sich befindet, ein Leiter, so lehrt die Erfahrung, dass bei blosser Annäherung einer positiven oder negativen elektrischen Ladung ein Theil der Leiteroberfläche positive und der übrige Theil negative Elektricität zu erkennen gibt. Diese Thatsache lässt sich nur aus der zweiten Auffassung erklären, nemlich so, dass durch die in der Nähe befindliche elektrische Ladung der positive und der negative Bestandtheil des neutralen Gemisches in jedem inneren Punkte des Leiters nach entgegengesetzten Seiten auseinander getrieben werden. Ist diese Erklärung richtig, so muss nach der Scheidung ebenso viel positive wie negative Elektricität vorhanden sein. Auch dies ist durch das Experiment bestätigt.
Die Erfahrung hat über die elektrostatische Wechselwirkung von zwei elektrischen Theilchen das folgende Gesetz festgestellt:
Zwei elektrische Theilchen, welche in zwei Punkten concentrirt in Ruhe sich befinden, üben auf einander eine Kraft aus, deren Richtung in die Verbindungslinie der beiden Punkte fällt. Die Grösse der Kraft ist proportional dem Producte der beiden Elektricitätsmengen und umgekehrt proportional dem Quadrat ihrer Entfernung. Sie ist Abstossung, wenn die beiden elektrischen Theilchen gleichartig, sie ist Anziehung, wenn die Theilchen ungleichartig sind.
Sind also und zwei Zahlen, die nach Zahlwerth und Vorzeichen die Elektricitätsmenge des einen und des anderen elektrischen Theilchens angeben, und ist die Entfernung der beiden Theilchen, so ist
(1) |
die Kraft, welche sie in der Richtung der Verbindungslinie auf einander ausüben. Diese Kraft ist Abstossung oder Anziehung, je nachdem sie positiv oder negativ ist. Die Einheit der Elektricitätsmenge ist dabei so gewählt, dass ist, wenn und ist.
Die Aufgabe der Elektrostatik lässt sich so aussprechen:
Es ist eine Anzahl Isolatoren gegeben und in jedem von ihnen die Vertheilung der Elektricität bekannt. Ausserdem hat man Leiter, denen der Reihe nach die Elektricitätsmengen mitgetheilt sind. Es fragt sich, wie im Gleichgewichtszustande die Elektricität sich in jedem Leiter und an seiner Oberfläche vertheilt hat.
Wir bezeichnen mit die Potentialfunction der gesammten Elektricität. Der Ausdruck für ist leicht herzustellen. Wir nehmen im Punkte die positive Einheit der Elektricität an und bezeichnen mit die Elektricitätsmenge im Punkte . Mit werde der Abstand beider Punkte bezeichnet. Dann ist nach der Definition der Potentialfunction
(1) |
wenn die Summirung über alle elektrisch geladenen Punkte
erstreckt wird. Bei stetiger Vertheilung der Elektricität geht die
Summe in ein Integral über und man hat
(2) |
Im Innern eines Leiters kann die Elektricität sich völlig frei bewegen.
Es kann daher in einem Punkte im Innern eines
Leiters nicht anders Gleichgewicht stattfinden, als wenn die Componenten
der bewegenden Kraft in diesem Punkte gleich Null sind.
Also haben wir für jeden Punkt im Innern eines Leiters:
(3) |
Daraus folgt unmittelbar, dass im Innern jedes Leiters
(4) |
und
(5) |
ist. Nun lässt sich aber der Ausdruck (2), den wir hier für gefunden haben, vergleichen mit dem Ausdruck des §. 18, welcher die Potentialfunction einer anziehenden ponderablen Masse gibt.
Dort ist das Element der ponderablen Masse, hier das
Element der elektrischen Ladung. Wenn man das eine durch das
andere ersetzt, so ist hier dasselbe wie dort . Der Grund
ist leicht einzusehen. Dort findet Anziehung statt, wenn positiv,
hier Abstossung, wenn positiv ist. Demnach gilt die Gleichung (2)
des §. 18 auch hier, nur muss man, was dort war, ersetzen durch
. Also gilt überall da, wo man die Elektricität über einen
Raum von drei Dimensionen vertheilt findet, die folgende partielle
Differentialgleichung
(6) |
Hier bedeutet die elektrische Dichtigkeit im Punkte ,
oder mit anderen Worten: es ist in einem Raumelemente ,
welches an den Punkt anstösst, die Elektricitätsmenge
enthalten.
Dies gilt auch für den Fall, dass der Punkt im Innern eines Leiters liegt.
Aus der Vergleichung von (5) und (6) ergibt sich demnach, dass im Gleichgewichtszustande die Dichtigkeit im Innern jedes Leiters überall gleich Null ist. Die elektrischen Ladungen der Leiter sind also mit endlicher Dichtigkeit über ihre Oberflächen ausgebreitet. Um die Dichtigkeit in einem Punkte der Oberfläche zu finden, bemerken wir, dass auch der Satz (3) des §. 18 hier gültig ist mit der Modification, dass hier zu schreiben ist, wo dort steht. Bezeichnen wir also mit eine Strecke, die vom Punkte aus auf der Normale der Oberfläche gezählt wird, negativ nach dem Innern des Leiters zu, positiv nach aussen, so ergibt sich
(7) |
Nun ist aber im Innern des Leiters und (wegen der Stetigkeit)
auch in der Oberfläche Folglich haben wir
und die Gleichung (7) geht über in
(8) |
Es fragt sich jetzt, wie gross die Elektricitätsmenge ist, welche
sich auf der Oberfläche irgend eines Leiters angesammelt hat.
Zunächst das Quantum , welches ihm ursprünglich mitgetheilt
worden. Dazu kommen noch die positiven und die negativen Elektricitätsmengen,
welche unter der Einwirkung aller überhaupt vorhandenen
Ladungen aus dem neutralen Gemisch des betrachteten
Leiters ausgeschieden sind. Das Quantum der durch Scheidung
hervorgerufenen positiven Elektricität ist aber ebenso gross wie
das der negativen. Demnach ist die algebraische Summe aller
auf der Oberfläche eines Leiters vorhandenen Elektricität gleich
der Elektricitätsmenge , welche ihm ursprünglich mitgetheilt worden.
Es sei ein Oberflächen-Element des ersten Leiters. Wir errichten in einem Punkte dieses Elementes die Normale, auf welcher von ihrem Fusspunkte aus die Strecke negativ nach innen, positiv nach aussen gezählt wird, und bilden das Product
Dasselbe gibt, wie man aus Gleichung (8) ersieht, die Elektricitätsmenge an, welche über das Oberflächen-Element ausgebreitet
ist. Führt man also eine Integration über die ganze Oberfläche
des ersten Leiters aus, so erhält man die gesammte Elektricitätsmenge,
welche auf dieser Oberfläche sich befindet. In derselben
Weise hat man rücksichtlich aller übrigen Leiter zu verfahren und
gelangt so zu den Gleichungen:
(9) |
|
Die Integrationen sind der Reihe nach über die Oberfläche
jedes einzelnen Leiters zu erstrecken.
Wir wollen mit die constanten Werthe bezeichnen,
welche nach eingetretenem Gleichgewichtszustande die
Potentialfunction im Innern und auf der Oberfläche der einzelnen Leiter besitzt. Die Grössen stehen mit den
Grössen in einem Zusammenhange, der jetzt näher
untersucht werden soll. Zu dem Ende ist es zweckmässig, die
Potentialfunction in folgender Weise in einzelne Bestandtheile zu zerlegen.
Es sei eine Function von die im ganzen unendlichen Raume der Gleichung von Laplace Genüge leistet:
(1) |
die in der Oberfläche und im Innern des ten Leiters den Werth 1,
in der Oberfläche und im Innern aller übrigen Leiter den Werth 0
besitzt. Wir nehmen der Reihe nach und
stellen so die Functionen her. Dann ist die Differenz
eine Function, die in der Oberfläche und im Innern sämmtlicher Leiter den Werth Null hat, die überall ausserhalb der Isolatoren
der Gleichung von Laplace genügt und für einen Punkt im
Innern eines Isolators in derselben Weise wie die Potentialfunction
die Dichtigkeit der Elektricität kundgibt. Wir haben dann also
(2) |
und hieraus
Nehmen wir nun das Integral
ausgedehnt über die Oberfläche des ten Leiters, und setzen zur
Abkürzung
(3) |
(4) |
so gehen die Gleichungen (9) des vorigen Paragraphen in folgende über:
(5) |
Die physikalische Bedeutung dieser Gleichungen ist leicht zu erkennen. Wird ein Leiter durch einen unendlich dünnen Draht mit der Erde in leitende Verbindung gesetzt, so ist in seiner
Oberfläche und in seinem Innern die Potentialfunction gleich Null,
weil sie in der Erde (in unendlicher Entfernung) den Werth Null
hat. Nehmen wir also den Fall, dass in den Isolatoren keine
Elektricität vorhanden und dass alle Leiter, mit Ausnahme des
ten, mit der Erde in leitende Verbindung gesetzt sind, so reducirt
sich die Potentialfunction auf
und die auf den einzelnen Leitern vorhandenen Elektricitätsmengen
sind resp.
Ebenso findet sich, dass
die Elektricitätsmengen auf den einzelnen Leitern sein würden, wenn alle ableitend berührt sind und nur die Ladungen der Isolatoren wirken.
Es lässt sich beweisen, dass ist. Nehmen wir nemlich das Integral
ausgedehnt über sämmtliche Leiter-Oberflächen, so ist der Werth desselben nach dem Satze von Green gleich Null. Das Integral
reducirt sich aber wegen der Eigenschaften der Functionen auf die Differenz
wobei das erste Integral nur über die Oberfläche des ten, das
zweite nur über die Oberfläche des ten Leiters zu erstrecken ist. Demnach haben wir
oder
d. h. nach Gleichung (3):
(6) |
Lösen wir die Gleichungen (5) in Beziehung auf als Unbekannte auf, so ergibt sich
(7) |
Die Coefficienten genügen in Folge der Gleichung (6) den
Bedingungen, dass
(8) |
Sind die Leiter beweglich, so ändern sie in Folge der elektrischen Anziehung und Abstossung ihre Lage. Für jede neue Lage der Leiter ist aber auch die Gleichgewichtslage der elektri-
schen Theilchen eine andere. Mit der Bewegung der Leiter ist also eine fortwährende Aenderung in der Vertheilung der Elektricität auf den Leiter-Oberflächen verbunden. Diese geht aber so rasch vor sich, dass man in jedem einzelnen Augenblicke der Bewegung der ponderabeln Leiter das Gleichgewicht der Elektricität als hergestellt ansehen kann.
Die elektrischen Theilchen und , die wir in zwei um die Strecke von einander entfernten Punkten concentrirt denken, üben auf einander eine abstossende Kraft
Das Potential dieser beiden Theilchen ist also
und das Gesammtpotential der elektrischen Massen ist
(1) |
wobei die Summirung sich auf alle Combinationen von je zwei elektrischen Theilchen bezieht. Die Formel (1) setzt voraus, dass die Elektricitäten in einzelnen discreten Punkten concentrirt sind. Bei einer stetigen Vertheilung über die Oberflächen der Leiter und über den Raum der Nichtleiter tritt eine Integration an die Stelle der Summirung. Wir bezeichnen mit die Elektricitätsmenge, welche in einem Raum-, resp. in einem Flächen-Elemente sich befindet. Dann ist
(2) |
und die Integration ist nun auszudehnen über alle Combinationen von je zwei elektrischen Theilchen und . Dafür lässt sich auch schreiben
(3) |
wobei jede der beiden Integrationen über alle elektrischen Theilchen zu erstrecken ist. Bei dieser Art, die Integration auszuführen, kommt jede Combination von zwei Theilchen doppelt vor. Da sie aber nur einmal genommen werden soll, so ist der Factor
vorangesetzt. Dies ist das Potential der gesammten Elektricität auf sich selbst.
Nun haben wir aber
als Ausdruck für die Potentialfunction im Punkte gefunden,
d. h. für das Potential aller elektrischen Massen auf die
in diesem Punkte concentrirt gedachte positive elektrische Einheit.
Wir können also auch schreiben
(4) |
In dem Falle, dass die Isolatoren keine elektrische Ladung enthalten,
ist die Integration nur über die Oberflächen der Leiter zu
erstrecken. In jeder Leiter-Oberfläche ist aber constant, und
zwar der Reihe nach gleich . Also wird jetzt
oder, mit Rücksicht auf die Gleichungen (8) und (9) des §. 45:
(5) |
Um die Bewegung der Leiter zu bestimmen, hat man als
Function von den Ortscoordinaten der Leiter auszudrücken. Die
Grössen sind dabei constant, es sind die den Leitern
ursprünglich mitgetheilten Elektricitätsmengen. Die Grössen
sind in den Gleichungen (7) des vorigen Paragraphen
ausgedrückt, wenn man darin für den hier vorliegenden Fall die
Grössen gleich Null setzt. Danach sind die Grössen homogene lineare Functionen von und nur die auftretenden Coefficienten sind von den Ortscoordinaten
der Leiter abhängig. Wir erhalten
(6) |
Wir bezeichnen wieder mit die lebendige Kraft des Leitersystems.
Die Bewegung der Leiter geht dann so vor sich, dass
(7) |
Wie aus dieser Bedingung die Differentialgleichungen der Bewegung
abzuleiten, ist in den §§. 36 bis 42 auseinandergesetzt.
Wir wenden uns zu der Behandlung einer speciellen Aufgabe.
Es seien als Leiter zwei Kugeln gegeben, deren Radien und sind und deren Mittelpunkte die Entfernung haben, die grösser als vorausgesetzt wird. In den Isolatoren soll keine Elektricität
vorhanden sein. Jedem der beiden Leiter ist eine gewisse
Elektricitätsmenge mitgetheilt, und nach Eintritt des Gleichgewichtszustandes
hat die Potentialfunction im Innern und auf der Oberfläche der beiden Kugeln je einen constanten Werth. Wir bezeichnen
denselben mit für die erste Kugel, mit für die zweite Kugel.
Die Aufgabe besteht darin, die Potentialfunction , von den Werthen und in den Kugeloberflächen ausgehend, so in den äusseren Raum fortzusetzen, dass sie überall endlich und stetig verläuft, dass sie in unendlicher Entfernung gleich Null wird wie der reciproke Werth des Abstandes von dem Anfangspunkte der Coordinaten, und dass sie überall der partiellen Differentialgleichung genügt:
(1) |
Die Derivirten von sind dann ebenfalls überall endlich und
ändern sich stetig, ausser beim Durchgange durch die eine oder
die andere Kugeloberfläche.
Diese Aufgabe lässt sich nach der Methode von Green behandeln. Die Hülfsfunction ist dann eine Potentialfunction, die von der im Punkte des äusseren Raumes concentrirt gedachten negativen elektrischen Einheit*)[1] herrührt unter der Vor- aussetzung, dass die Kugeln durch unendlich dünne Drähte mit der Erde in leitende Verbindung gesetzt sind.
Wir wollen diesen Weg nicht einschlagen, sondern die Function direct bestimmen. Da es nur noch darauf ankommt, dieselbe für alle Punkte des äusseren Raumes herzustellen, so ist es gleichgültig, wie wir sie durch die Kugeloberflächen hindurch in das Innere fortsetzen. Wir müssen nur nachher bei dem Gebrauche der Function die zu Hülfe genommenen Fortsetzungen fallen lassen und im Innern der Kugeln die wahren Werthe und resp. wieder aufnehmen.
Nun liegt aber eine Schwierigkeit der Aufgabe darin, dass die Derivirten der für den ganzen Raum richtig bestimmten Potentialfunction beim Durchgange durch die Kugeloberflächen unstetig sind. Wir wollen deshalb die für den äusseren Raum richtig bestimmte Function nach einer noch näher festzustellenden Vorschrift so ins Innere der Kugeln fortsetzen, dass sie selbst und ihre Derivirten beim Durchgang durch die Kugeloberflächen sich stetig ändern. Oder mit anderen Worten: wir betrachten eine andere Function , die im äusseren Raume mit der gesuchten Potentialfunction übereinstimmt, im Innern der Kugeln aber nicht. Vielmehr soll sie mit ihren sämmtlichen Derivirten beim Durchgange durch die Kugeloberflächen sich stetig ändern, und es soll der Functionswerth für einen Punkt im Innern der einen oder der anderen Kugel nach einem noch vorzuschreibenden Gesetze mit dem Functionswerthe in einem entsprechenden Punkte ausserhalb der Kugel im Zusammenhange stehen.
Wir verbinden einen Punkt , der ausserhalb der ersten Kugel liegt, mit dem Mittelpunkte dieser Kugel und bezeichnen den Abstand mit . Alsdann suchen wir auf der Verbindungslinie den Punkt, dessen Entfernung von dem ersten Kugelmittelpunkte der Bedingung genügt:
(2) |
Dieser Punkt, der im Innern der ersten Kugel liegt, soll das Bild
des betrachteten äusseren Punktes genannt werden. Ebenso verbinden wir einen Punkt , der ausserhalb der zweiten Kugel liegt, mit dem Mittelpunkte derselben und bezeichnen den Abstand mit . Auf der Verbindungslinie suchen wir dann den Punkt, dessen Entfernung vom zweiten Kugelmittelpunkte an die Bedingung geknüpft ist:
(3) |
Diesen Punkt, der im Innern der zweiten Kugel liegt, nennen wir das Bild des äusseren Punktes.
Denken wir uns nun, die gesuchte Function sei für jeden Punkt des äusseren Raumes bereits hergestellt. Wir setzen sie ins Innere der ersten Kugel so fort, dass
(4) |
ist, und in das Innere der zweiten Kugel so, dass
(5) |
Die Indices und in der Gleichung (4) sollen andeuten, dass es sich um die Werthe der Function in den Abständen und vom ersten Kugelmittelpunkte handelt. Stillschweigend ist dabei vorausgesetzt, dass diese Abstände auf demselben Radius vector gezählt werden und dass sie die Gleichung (2) erfüllen. In entsprechender Weise hat man die Indices in der Gleichung (5) zu verstehen.
Durch die Gleichung (4) kann man sich die zweite Kugel innerhalb der ersten abbilden und hierauf durch die Gleichung (5) von diesem Bilde wieder das Bild innerhalb der zweiten Kugel herstellen. Fährt man auf diese Weise fort, indem man abwechselnd die Gleichungen (4) und (5) in Anwendung bringt, so ergeben sich Bilder, die wir der Reihe nach das erste, zweite und dritte Bild u. s. f. der zweiten Kugel nennen wollen. Es lässt sich leicht beweisen, dass alle Bilder kugelförmig sind, dass jedes folgende kleiner ist als das vorhergehende, und dass von den Bildern innerhalb derselben Kugel jedes folgende ganz innerhalb des vorhergehenden liegt. Wenn man also die Anwendung der Gleichungen (4) und (5) unaufhörlich wiederholt, so gelangt man in beiden Kugeln zu Bildern, deren Rauminhalt kleiner ist als jede angebbare Zahl.
Durch die Gleichung (4) wird die Function in das Innere
der ersten Kugel fortgesetzt, und zwar zunächst so, dass nur das
erste Bild der zweiten Kugel als der Raum übrig bleibt, innerhalb
dessen die Function noch nicht bekannt ist. Wendet man dann
die Gleichung (5) an, so bleibt innerhalb der zweiten Kugel nur
ihr zweites Bild als das Gebiet übrig, für welches man die Function
noch nicht kennt. Bringt man so fortfahrend die Gleichungen (4)
und (5) abwechselnd in Anwendung, so kann man in beiden Kugeln
das Gebiet, innerhalb dessen die Function unbekannt bleibt, beliebig
klein machen und kleiner als irgend eine angebbare Zahl.
Es fragt sich nun, wo wird. Da die Function im ganzen äusseren Raume endlich ist, so kann ein Unendlichwerden nur im Innern der Kugeln eintreten. Und zwar sieht man zunächst aus Gleichung (4), dass wird für , und aus Gleichung (5), dass für . Denn für ist und endlich, und für ist und endlich. Folglich ergibt sich
Hieraus erkennt man , dass die Function unendlich wird in
beiden Kugelmittelpunkten. Nach Vorschrift der Gleichungen (4)
und (5) wird sie dann aber ebenfalls unendlich in den sämmtlichen
Bildpunkten sowohl des einen wie des anderen Kugelcentrums.
Diese Bildpunkte liegen innerhalb der Kugeln zwischen
beiden Mittelpunkten auf der Centrallinie, und ihre Anzahl ist für
jede der beiden Kugeln unendlich gross. Die Function kann
also aufgefasst werden als Potentialfunction, herrührend von elektrischen
Ladungen, die in den Kugelmittelpunkten und deren unendlich vielen Bildpunkten concentrirt sind.
Wir wollen die Punkte, in welchen die Function unendlich wird, in vier Gruppen abtheilen, nemlich
erstens: den Mittelpunkt der ersten Kugel und seine Bilder im Innern der ersten Kugel;
zweitens: die Bilder des ersten Kugelmittelpunktes im Innern der zweiten Kugel;
drittens: den Mittelpunkt der zweiten Kugel und seine Bilder im Innern der zweiten Kugel;
viertens: die Bilder des zweiten Kugelmittelpunktes im Innern der ersten Kugel.
Wir legen den Anfangspunkt eines rechtwinkligen Coordinatensystems in den Mittelpunkt der ersten Kugel und die Axe der positiven in die Centrallinie. Für sämmtliche Unstetigkeitspunkte ist dann und . Ihre erste Coordinate soll der Reihe nach bezeichnet werden für die erste Gruppe mit , für die zweite Gruppe mit , für die dritte Gruppe mit , und für die vierte Gruppe mit Die Elektricitätsmenge, welche wir in irgend einem der Unstetigkeitspunkte anzunehmen haben, möge mit dem Buchstaben bezeichnet werden, dem wir dieselben Indices beifügen, wie der -Coordinate des zugehörigen Punktes.
Nach §. 45, Gleichung (1) ist dann zu setzen:
(6) |
(7) |
|
Die nächste Aufgabe besteht darin, für jeden Unstetigkeitspunkt
die beiden constanten Grössen zu bestimmen, welche seine Lage
und die in ihm concentrirt gedachte Elektricitätsmenge angeben.
Diese Aufgabe soll in den beiden nächsten Paragraphen behandelt
werden. Vorläufig beschränken wir uns auf eine Bemerkung, die
nicht unwichtig ist. Aus der Art, wie die Function in den
Kugelmittelpunkten unstetig wird, und aus dem Abbildungsgesetz
[Gleichungen (4) und (5)] geht nemlich hervor, dass sämmtliche
Elektricitätsmengen der ersten und der zweiten Gruppe proportional
der Grösse , und dass sämmtliche Elektricitätsmengen der dritten
und der vierten Gruppe proportional der Grösse sind. Es werden
also in den Entwicklungen von und sämmtliche Glieder
mit dem Factor , und in den Entwicklungen von und sämmtliche Glieder mit dem Factor behaftet sein.
Wir wollen zunächst den Punkt auf der Centrallinie
zwischen beiden Kugeln nehmen. Es ist also , , und wir haben
(1) |
|
Hier hat man besonders die Nenner zu beachten. Sie sind
dadurch entstanden, dass man in den Gleichungen (7) des vorigen
Paragraphen setzt und die Quadratwurzeln auszieht.
Aber es sind, dem Wesen der Potentialfunction entsprechend, immer
die positiven Wurzeln zu nehmen. Will man also für eine der
in (1) ausgedrückten Functionen die Variable über das vorgeschriebene
Gebiet hinausgehen lassen, so hat man die Vorsicht zu
beobachten, dass jedesmal nach Ueberschreitung eines Unstetigkeitspunktes
derjenige Nenner, welcher in diesem Punkte Null
wird, wieder positiv gemacht, d. h. mit -1 multiplicirt werden
muss. Lässt man dagegen die Variable nur auf solche Gebiete
übergehen, die keinen Unstetigkeitspunkt der betreffenden Function
enthalten, so bleibt der in (1) gegebene Ausdruck ohne weiteres
gültig. Es darf also die Variable in und in auch grösser
als , in und in auch kleiner als gemacht werden, ohne
dass die Ausdrücke (1) ihre Gültigkeit verlieren.
Wir schreiben zur Abkürzung:
(2) |
(3) |
Für einen Punkt auf der Centrallinie zwischen den beiden Kugeln
gilt die Gleichung
(4) |
in welcher und beide positiv und nicht kleiner als 1 sind.
Die Function kann in doppelter Weise aufgefasst werden,
je nachdem man oder als unabhängige Variable ansieht. Wir setzen also
(5) |
Die Gleichungen (4) und (5) des vorigen Paragraphen lauten jetzt:
(6) |
(7) |
Aus (5), (6) und (7) folgt
(8) |
Um dieser Functionalgleichung in bequemer Weise genügen zu
können, zerlegen wir jede der beiden Functionen und in zwei Bestandtheile
(9) |
(10) |
und setzen fest, dass
sein soll. Der Gleichung (8) ist Genüge geleistet, wenn
(11) |
(12) |
gesetzt wird. Da eine Potentialfunction ist, so findet man leicht die Form der Entwicklung im allgemeinen, nemlich
(13) |
und es kommt nur noch darauf an, die Coefficienten und zu
bestimmen. Nach der über getroffenen Bestimmung ist
(14) |
Aus den Gleichungen (13) und (14) leiten wir ab:
Wir disponiren nun über die Coefficienten so, dass das te
Glied in der Entwicklung von gleich dem ten
Gliede in der Entwicklung von ist. Dann erhält man
(15) |
Damit dies zu Stande komme, hat man
(16) |
zu setzen. In den Bedingungsgleichungen (16) kommt nicht
explicite vor. Wir schreiben deshalb
Dadurch gehen die Gleichungen (16) über in
(17) |
und wenn man und eliminirt, so ergibt sich zur Bestimmung von die quadratische Gleichung
(18) |
Wir bezeichnen die Wurzeln mit und , und bemerken, dass
ist. Da nun vorausgesetzt ist, so zeigt sich, dass
positiv ist, und da beide Wurzeln einerlei Vorzeichen haben (ihr
Product ist ), so muss und sein.
Aus der zweiten der Gleichungen (17) findet sich
Je nachdem wir die Wurzel oder nehmen, erhalten wir particuläre Lösungen für und . Daraus setzt sich die allgemeine Lösung zusammen, nemlich
(19) |
Es bleiben jetzt nur noch die beiden Constanten und zu bestimmen. Zu dem Ende bemerken wir, dass aus (15) und (11)
hervorgehen würde
Dieser Gleichung lässt sich nicht ohne weiteres genügen. Wir
können aber die Function wieder zerlegen:
(20) |
und setzen dann, sofern als unabhängige Variable eingeführt wird,
Die Gleichung (11) kann in der Weise befriedigt werden, dass wir
setzen
(21) |
(22) |
Nimmt man nun zunächst für die Entwicklung (13)
vor, so ergibt sich aus den Gleichungen (15) und (21):
d.h. |
Aus (19) haben wir aber
Folglich müssen wir hier setzen:
Wird dies in die Gleichungen (19) und von da in (13) eingeführt,
so erhält man speciell für die Entwicklung
(23) |
In entsprechender Weise findet man aus (15) und (22) die
Bedingung
also muss jetzt für die Entwicklung von gesetzt werden
Daraus lassen sich und bestimmen, und wenn man ihre Werthe in (19) und von da in (13) einführt, so hat man speciell die Entwicklung von .
Man gelangt dazu einfacher auf dem folgenden Wege. Wir setzen
(24) |
folglich nach Gleichung (21)
(25) |
und wollen beweisen, dass hierdurch die Gleichung (22) befriedigt
wird. Es ist nemlich
und hieraus ergibt sich durch Subtraction
d. h. die Bedingungsgleichung (22). Vermöge der Gleichungen (23) und (25) erhält man
oder kürzer:
(26) |
Setzt man die Entwicklungen (23) und (26) in die Gleichung (20)
ein, so ist nun die Function vollständig bestimmt.
Die Function , welche an die Gleichung (12) gebunden ist, zerlegen wir in zwei Bestandtheile
(27) |
und setzen, sofern als unabhängige Variable eingeführt wird:
Dann lässt sich die Gleichung (12) in die beiden einfacheren zerlegen :
(28) |
(29) |
Vergleicht man nun (28) mit (21) und (29) mit (22), so erkennt
man, dass aus und aus hervorgeht, indem man die erste Kugel mit der zweiten vertauscht, also mit , mit , mit . Sobald die Ausdrücke für und für gefunden sind, ist nur für an die Stelle zu setzen
Dann hat man die Functionen und . Die durchgeführte Rechnung gibt nach leichter Reduction:
(30) |
(31) |
Für einen Punkt auf der Centrallinie zwischen beiden Kugeln ist hiernach die Potentialfunction
(32) |
Es handelt sich noch darum, die Convergenz der Reihen (23),
(26), (30), (31) zu untersuchen. In jeder dieser Reihen ist das
allgemeine Glied von der Form
und es bedeutet in einer und derselben Entwicklung
in allen Gliedern dasselbe, ebenso . Dividirt man nun ein Glied durch
das vorhergehende, so lautet der Quotient:
Bei Gleichung (18) ist aber bemerkt worden, dass ist und dass beide Wurzeln positiv sind. Wir nehmen ,
folglich , und können den eben gewonnenen Quotienten so
schreiben
Der Grenzwerth für ist . Folglich convergiren die Reihen unter allen Umständen.
Wir betrachten zunächst die Function , welche durch
die Reihe (23) des vorigen Paragraphen ausgedrückt ist. Der
Nenner des allgemeinen Gliedes lässt sich leicht in die Form bringen
oder kürzer
(1) |
Hier sieht man ohne weiteres, dass ist, denn wir haben genommen. Bilden wir nun das Product , so findet sich:
Nach der Gleichung (18) des vorigen Paragraphen ist aber und . Setzt man dies in die letzte Gleichung ein, so zeigt sich:
(2) |
Beide Grössen und sind positiv und , folglich muss und sein. Der Ausdruck (1) kann nun so geschrieben werden
(3) |
Nehmen wir , so ist
jedenfalls positiv und unter keinen Umständen Null. Ferner ist
und
folglich
oder, was dasselbe ist:
Es kann also für der Nenner des allgemeinen Gliedes in nicht Null und deshalb nicht unendlich werden. Dasselbe lässt sich von beweisen. In entsprechender Weise
findet man, dass und nicht unendlich werden können für . Für hat man aber und für ist . Man darf also das Gültigkeitsgebiet der Ausdrücke für und einerseits und für und andererseits erweitern. Für jene darf der Punkt , der anfänglich zwischen beiden Kugeln lag, durch die zweite Kugel hindurch beliebig weit auf der Axe der positiven fortrücken, ohne dass die Ausdrücke (23) und (31) des vorigen Paragraphen irgendwo unendlich werden. Für diese darf der Punkt aus seinem anfänglichen Gebiete durch die erste Kugel hindurch in der Richtung der negativen beliebig weit verschoben werden, ohne dass die Ausdrücke (26) und (30) des vorigen Paragraphen irgendwo unendlich grosse Werthe geben. Da nun aber die vier Functionen nur innerhalb der einen oder der anderen Kugel unendlich werden können, so liegen die Unstetigkeitspunkte von und von innerhalb der ersten Kugel und die Unstetigkeitspunkte von und von innerhalb der zweiten Kugel. Beachtet man noch, dass die Ausdrücke für und mit dem Factor , die Ausdrücke für und mit dem Factor behaftet sind, und erinnert sich der Bemerkung am Schlusse des §. 48, so findet sich, dass für einen Punkt auf der Centrallinie zwischen beiden Kugeln
(4) |
(5) |
(6) |
(7) |
Die Gleichungen (4) und (7) gelten auch noch für , und die Gleichungen (5) und (6) für . Danach hat man ein Mittel, die Constanten zu bestimmen, welche die Lage und die elektrische Ladung jedes Unstetigkeitspunktes angeben. Man hat nur in den Gleichungen (23), (26), (30), (31) des vorigen Paragraphen die Grösse zu ersetzen durch und hierauf die Nenner mit denen der entsprechenden Ausdrücke in den Gleichungen (1) des vorigen Paragraphen in Uebereinstimmung zu bringen. Dann lassen die Werthe von und sich ohne weiteres ablesen. Man erhält
(8) |
(9) |
(10) |
(11) |
Diese Werthe der Constanten hat man in die Ausdrücke (7) des §. 48 einzusetzen. Dann sind die Functionen für jede beliebige Lage des Punktes völlig bestimmt.
Uebrigens ist zu bemerken, dass die Lösung der Aufgabe sich durch Superposition aus vier speciellen Lösungen zusammensetzt. Es sind nemlich und die Potentialfunctionen, welche herrühren von den elektrischen Ladungen der Unstetigkeitspunkte resp. der ersten und zweiten Gruppe unter der Voraussetzung, dass von Null verschieden, und . Und es sind und die Potentialfunctionen, welche herrühren von den elektrischen Ladungen der Unstetigkeitspunkte resp. der dritten und vierten Gruppe, wenn und von Null verschieden.
Wir wollen noch den Satz zur Anwendung bringen, welcher in der Gleichung (6) des §. 18 ausgesprochen ist. Dabei ist nur zu beachten, dass hier dieselbe Rolle spielt wie dort . Wir setzen
und finden nach dem eben citirten Satze:
(12) |
|
Man kann die Elektricitätsmengen auch auf einem anderen Wege berechnen, indem man den Satz (5) des §. 12 anwendet und die Bemerkung macht, dass die Gleichung (9) desselben Paragraphen hier zutrifft, dass aber hier statt gesetzt werden muss. Bezeichnet man also mit und ein Oberflächenelement der ersten und resp. der zweiten Kugel und mit die nach innen gezogene Normale, so findet sich
(13) |
|
Dagegen ist
(14) |
wie ebenfalls aus dem Satze (5) des §. 12 hervorgeht.
Es ist leicht zu beweisen, dass die Reihen auf der rechten Seite der Gleichungen (12) convergent sind.
Die Vertheilung von Elektricitätsmengen über die Unstetigkeitspunkte innerhalb der beiden Kugeln ist nur eine Fiction, mit der wir nichts anderes bezweckt haben, als die Function herzustellen, die im Raume ausserhalb der Kugeln mit der gesuchten Function übereinstimmt. Diese Function rührt her von der beim Gleichgewicht wirklich eingetretenen Elektricitätsvertheilung auf den beiden Kugeloberflächen. Wie nun in vier Bestandtheile zerlegt ist, so kann man auch
(1) |
setzen und die Bestimmung treffen, dass im Raume ausserhalb der Kugeln und auf ihren Oberflächen
(2) |
sein soll. In das Innere der Kugeln haben wir jede der Functionen von der Oberfläche aus stetig so fortzusetzen, dass überall die partielle Differentialgleichung von Laplace erfüllt ist. Man kann noch bemerken, dass ist im Innern der ersten Kugel, und im Innern der zweiten Kugel, und ferner, dass ist im Innern der zweiten und im Innern der ersten Kugel.
Wir wollen die Aufgabe so zerlegen, dass zuerst verschieden von Null und genommen wird, und nachher umgekehrt und verschieden von Null. Zuerst also . Dann ist . Es fragt sich, wie gross in einem Punkte der ersten oder der zweiten Kugeloberfläche die Dichtigkeit der Elektricität ist, von welcher die Potentialfunction herrührt. Auf diese Frage gibt die Gleichung (8) des §. 45 Antwort. Bezeichnen wir mit und die gesammte Elektricitätsmenge auf der ersten und resp. zweiten Kugeloberfläche, so findet sich
(3) |
(4) |
Hier kommen die Derivirten in unendlich kleiner Entfernung von der Oberfläche, aber ausserhalb, in Betracht. Für sie ist
und |
Die Functionen und haben die Eigenschaft, dass sie selbst und ihre Derivirten beim Durchgang durch die Oberfläche der Kugeln sich stetig ändern. D. h. es ist
und |
Gibt man nun noch Acht auf die Gleichungen (13) und (14) des vorigen Paragraphen, so erhält man (weil für ):
(5) |
(6) |
Es sei ferner , verschieden von Null, also . Wir bezeichnen jetzt mit und die Elektricitätsmenge auf der zweiten und resp. der ersten Kugeloberfläche, von welcher die Potentialfunction herrührt. Zu ihrer Berechnung ist derselbe Weg einzuschlagen, wie vorher zur Berechnung von und . Es findet sich
(7) |
(8) |
Dieselben Elektricitätsmengen, welche vorher bei der fingirten Vertheilung in den Unstetigkeitspunkten irgend einer Gruppe concentrirt waren, sind also jetzt in Wirklichkeit stetig über die Oberfläche der zugehörigen Kugel ausgebreitet.
Sollen die beiden Kugeln sich berühren, so ist und die Gleichung (18) des §. 49 lautet jetzt
(1) |
Folglich ist . Die Ausdrücke (8), (9), (10), (11) des
§. 50 nehmen die Form an. Ihre Werthe sind aber leicht zu ermitteln. Man erhält
(2) |
Hier entsteht nun die Schwierigkeit, dass die Reihen (7) des §. 48, sowie die Reihen (12) des §. 50, einzeln genommen, nicht mehr convergiren. Das Problem ist aber bei den in (2) ausgesprochenen Daten ein durchaus bestimmtes, man wird also auch eine einzige bestimmte Lösung zu verlangen haben. Diese Lösung ist vollständig hergestellt, wenn man für jeden Punkt des äusseren Raumes die Functionen und kennt, von denen die erste herrührt von der Elektricität auf der ersten, die andere von der Elektricität auf der zweiten Kugel. Aus diesen Functionen lässt sich dann nach § 45 (8) die Dichtigkeit der Elektricität in jedem Punkte der beiden Kugeloberflächen finden, und es lässt sich die gesammte Ladung für die erste Kugel und für die zweite Kugel berechnen.
Wir fangen mit dieser letzten Aufgabe an. Es ist, wie im vorigen Paragraphen nachgewiesen worden:
(3) |
(4) |
wenn man in (3) über die erste, in (4) über die zweite Kugeloberfläche integrirt. Die Integrale auf der rechten Seite geben aber, wie ebenfalls im vorigen Paragraphen auseinandergesetzt ist, die Summe der fingirten Ladungen in den Unstetigkeitspunkten im Innern der einen und der andern Kugel an. Also erhält man
(5) |
(6) |
Diese beiden letzten Gleichungen sind nun insofern noch unbestimmt, als jede der vier Reihen, einzeln genommen, divergirt. In Gleichung (5) besteht die erste Reihe aus lauter negativen, die zweite aus lauter positiven Gliedern, und umgekehrt ist es in Gleichung (6). Vereinigt man die Glieder auf der rechten Seite zu einer einzigen Reihe, so lässt sich je nach dem Gesetze, nach welchem positive und negative Glieder auf einander folgen, jede beliebige Zahl als Summe herstellen.*)[2] Nach der Natur des Problems muss aber in jeder der beiden Gleichungen eine einzige bestimmte Zahl als die richtige Summe zu Stande kommen, und es fragt sich also, welche Anordnung der Glieder die allein richtige ist.
Um darüber ins Klare zu kommen, gehen wir auf den Satz (6) des §. 18 zurück, wonach
(7) |
(8) |
für |
Es genügt, die Potentialfunctionen in (7) für solche Punkte der positiven Abscissenaxe herzustellen, deren Abscisse ist, und dann zu nehmen.
Statt aber die wahren Werthe der Potentialfunctionen in Rechnung zu bringen, wollen wir je einen zu grossen und einen zu kleinen nehmen. Wir gelangen dazu durch die Bemerkung, dass . Durchläuft man also die Centrallinie im Innern der ersten Kugel im Sinne der wachsenden , so gelangt man abwechselnd zu elektrischen Ladungen der ersten und der vierten Gruppe. Nun kann man sich jede Ladung der vierten Gruppe verschoben denken, das eine Mal in den nächstvorhergehenden, das andere Mal in den nächstfolgenden Unstetigkeitspunkt der ersten Gruppe. Dadurch, erhält man im ersten Falle im Punkte die Ladung , und dies gilt von an. Im andern Falle hat man im Punkte die Ladung , und im Punkte (mit anfangend), die Ladung . Durch die erste Verschiebung werden aber die Ladungen der vierten Gruppe von dem Punkte zu weit entfernt, im zweiten Falle werden sie ihm zu sehr genähert. Gibt man dabei Acht auf die Form der Potentialfunction und auf die Vorzeichen der Ladungen, so ergibt sich bei der abgeänderten Vertheilung im ersten Falle ein zu grosser Werth, im zweiten Falle ein zu kleiner Werth der Potentialfunction, verglichen mit dem wahren Werthe, der bei richtiger Vertheilung zu Stande kommen muss. Wir haben danach
(9) |
Die beiden unendlichen Reihen, welche in (9) vorkommen, sind (für und um so mehr für ) unter allen Umständen convergent, auch wenn man für die Constanten die Werthe aus den Gleichungen (2) einsetzt. Multiplicirt man nun mit und geht zu den Grenzwerthen über für , so ergibt sich
Hier kommen links und rechts in den Reihen dieselben Glieder in derselben Reihenfolge vor. Die doppelte Ungleichung geht also in eine Gleichung über, nemlich:
Danach erhalten wir aus Gleichung (7):
(10) |
In der Reihe auf der rechten Seite ist die Folge der Glieder keine willkürliche mehr, sondern genau vorgeschrieben. Die Reihe ist convergent. Man kann auch je zwei zusammengehörige Glieder vereinigen und erhält:
(11) |
Die unendliche Reihe lässt sich in ein bestimmtes Integral verwandeln. Es ist nemlich für ein positives :
Folglich können wir schreiben
|
Benutzt man dies für Gleichung (10), so erhält man schliesslich:
(12) |
In entsprechender Weise verfahren wir zur Berechnung von . Das Resultat lautet:
(13) |
Auch hier kann man die unendliche Reihe durch ein bestimmtes Integral summiren, nemlich:
(14) |
Nun lassen sich auch die richtigen Ausdrücke für die Potentialfunctionen und leicht herstellen. Zunächst hat man:
Die beiden Reihen, einzeln genommen, sind divergent. Die erste hat lauter positive, die zweite lauter negative Glieder. Vereinigt man die Glieder zu den Bestandteilen einer einzigen Reihe, so kann man je nach der Anordnung jede beliebige Summe zu Stande bringen. Nach der Natur der Aufgabe hat man aber für irgend einen gegebenen Punkt nur einen bestimmten Werth zu erwarten. Folglich kann auch nur eine einzige Anordnung der Glieder die richtige sein, und man sieht leicht, dass es diejenige ist, für welche die Gleichung (7) den richtigen Werth von liefert. Da dieser nun schon bekannt ist, so hat es keine Schwierigkeit, jene allein richtige Anordnung ausfindig zu machen. Man erhält:
(15) |
und in entsprechender Weise:
(16) |
Die Reihen in (15) und (16) sind convergent, wenn der Punkt nicht in einen Unstetigkeitspunkt der ersten, resp. der zweiten Kugel fällt.
Ueber die Integrale (12) und (14) ist noch eine Bemerkung zu machen. Die Integration lässt sich nemlich in geschlossener Form ausführen, wenn (und folglich auch ) ein rationaler Bruch ist. Es sei , so dass und ganze Zahlen, und zwar relative Primzahlen sind. Dann setze man in . Dadurch erhält man
(12*) |
Ebenso ergibt sich aus (14)
(14*) |
Die Integration geschieht dann nach bekannten Methoden durch Zerlegung in Partialbrüche.
Sind die Brüche und irrational, so kann man auf die Gleichungen (10) und (13) zurückgehen und zur Werthermittelung der unendlichen Reihen die Tafel zu Hülfe nehmen, welche Gauss der Abhandlung: Disquisitiones circa seriem infinitam*)[3] beigegeben hat. Gauss schreibt:
(17) |
für . Folglich ist
(10*) |
und
(13*) |
Das Resultat der theoretischen Entwicklung stimmt überein mit dem Ergebnis der experimentellen Untersuchung.
Wir kehren zurück zu der Voraussetzung, dass die Entfernung der Kugelmittelpunkte grösser ist als die Summe der Radien:
Wir setzen zur Abkürzung:
(1) |
(2) |
(3) |
(4) |
(5) |
und machen die Bemerkung, dass die gesammte Ladung der
ersten, die gesammte Ladung der zweiten Kugel ist. Mit Rücksicht auf die Gleichungen (8), (9), (10), (11) des §.50 und (5), (6), (7), (8) des §. 51 haben wir dann
(6) |
(7) |
Hieraus berechnet sich
(8) |
(9) |
Dabei ist zu beachten, dass und gegebene constante Grössen sind. und hängen ab von und den Wurzeln und der Gleichung (18) des §. 49. Diese Wurzeln sind aber selbst abhängig von . Da nun und constant sind und nur der Abstand der Kugelmittelpunkte sich ändern kann, so sieht man, dass und folglich auch und Functionen von sind.
Um die Bewegung der Kugeln zu untersuchen, hat man das Potential der gesammten Elektricitätsmenge auf sich selbst auszudrücken. Man erhält nach §.47, (4):
(10) |
wenn das Integral über die Oberfläche beider Kugeln erstreckt wird. Es ist aber auf der ersten, auf der zweiten Kugel. Ferner ergibt sich durch Integration über die erste Kugel:
und durch Integration über die zweite Kugel:
Folglich ist
und wenn man aus (8) und (9) die Werthe von und einführt:
(11) |
Aendert sich der Abstand der Kugelmittelpunkte um , so wird die dabei geleistete Arbeit ausgedrückt durch
Die Kugeln wirken also auf einander ebenso, als ob ihre Mittelpunkte sich mit der Kraft
abstiessen.*)[4]
Wir betrachten jetzt den Fall, dass in den Leitern die beiden Elektricitäten fortwährend geschieden werden. Die scheidenden Kräfte setzen wir als bekannt voraus.
In jedem Leiter ist eine unendliche Menge elektrischer Theilchen enthalten. Soll nach aussen keine Wirkung ausgeübt werden, so muss in jedem, noch so kleinen elektrischen Theilchen des Leiters die algebraische Summe der Elektricitätsmengen gleich Null sein.
Die Elektricitätsmenge , die in einem elektrischen Theilchen vorhanden, ist das Maass der Anziehung oder Abstossung, welche es in der Einheit der Entfernung auf die elektrische Einheit ausübt.
Wir nehmen im Innern des Leiters eine beliebige Fläche (Fig. 31) und betrachten an irgend einer Stelle derselben ein Flächenelement . Die Normale dieses Flächenelementes geht von ihm aus in zwei verschiedenen Richtungen, die wir als die Richtungen der positiven und der negativen Normale unterscheiden. Die positive (resp. negative) Seite der Fläche ist dem Raume zugekehrt, in welchen die positive (resp. negative) Normale eintritt. In dem Zeitelement gehen durch das Flächenelement sehr viele elektrische Theilchen von der negativen Seite der Fläche nach der positiven und umgekehrt von der positiven nach der negativen hinüber. Die algebraische Summe der Elektricitätsmengen, welche in der Zeit durch das Flächenelement von der negativen auf die positive Seite übergehen, vermindern wir um die algebraische Summe der Elektricitätsmengen, welche in derselben Zeit durch dasselbe Flächenelement von der positiven auf die negative Seite übergehen. Die Differenz dividiren wir durch die Grösse des Flächenelementes und durch . Der Quotient soll die specifische Stromintensität in der Richtung der positiven Normale des Flächenelementes genannt werden. Bezeichnen wir dieselbe mit , so ist hiernach
Das Flächenelement liege (Fig. 32) rechtwinklig zu der Axe der . Die elektrischen Theilchen werden durch dasselbe im allgemeinen in sehr verschiedenen Richtungen mit sehr verschiedenen Geschwindigkeiten hindurchgehen. Wir betrachten zunächst nur eine einzige Geschwindigkeit , deren Richtung mit den positiven Coordinatenaxen die Winkel einschliesse. Dieselbe Richtung geben wir der Axe eines Cylinders, welcher das Flächenelement zur Basis hat, und dessen Endflächen auf der Axe die Länge abschneiden. Dabei ist eine absolute Zahl. Der Inhalt des Cylinders findet sich
(1) |
da die Geschwindigkeits-Componente in der Richtung der ist. In dem Ausdrucke (1) ist das positive oder das negative Vorzeichen gültig, je nachdem positiv oder negativ
ist. Wir nehmen an, dass zur Zeit und während des nächstfolgenden Zeitelementes die Elektricitätsmengen, die mit der
vorgeschriebenen Geschwindigkeit in der gegebenen Richtung sich bewegen, in unendlicher Nähe des Punktes völlig gleichmässig vertheilt vorkommen. Nun sei zur Zeit das an den Punkt anstossende Raumelement mit elektrischen Theilchen von der fraglichen Geschwindigkeit erfüllt, deren Elektricitätsmenge die algebraische Summe habe. Dann sieht man, dass
(2) |
die algebraische Summe der Elektricitätsmenge derjenigen Theilchen ist, welche mit der vorgeschriebenen Geschwindigkeit behaftet den Cylinder zur Zeit erfüllen. Diese und nur diese sind es aber, die während des vorhergehenden Zeitelementes in der vorgeschriebenen Richtung die Basisfläche des Cylinders mit der Geschwindigkeit durchschritten haben.
Wiederholt man diese Betrachtung für jede Richtung und jede Geschwindigkeit, so sind alle elektrischen Theilchen berücksichtigt, welche nach Ablauf der Zeit in dem nächstfolgenden Zeitelement überhaupt durch das Flächenelement hindurchgehen. Man erhält dann so viel Ausdrücke von der Form (2), als Geschwindigkeiten nach Grösse und Richtung verschieden vorkommen. Diese Ausdrücke lassen sich in zwei Gruppen zusammenfassen, je nachdem positiv oder negativ ist. Für die erste Gruppe gibt der Ausdruck
(3) |
die algebraische Summe der Elektricitätsmengen, welche während des betrachteten Zeitelementes von der negativen auf die positive Seite von übergehen. Man hat dann aber in (3) die Summirung über alle elektrischen Theilchen zu erstrecken, welche mit positiver Geschwindigkeits-Componente behaftet in dem Raumelement vorkommen. Ebenso erhält man für die zweite Gruppe
(4) |
als algebraische Summe der Elektricitätsmengen, die von der positiven auf die negative Seite von übergehen. Die Summirung in (4) bezieht sich auf alle in enthaltenen Theilchen, deren Geschwindigkeits-Componente negativ ist. Um daher der Definition gemäss die specifische Stromintensität in der Richtung der zu berechnen, hat man die Summe (4) von (3) zu subtrahiren und die Differenz durch zu dividiren. In entsprechender Weise verfahren wir für die Richtungen der beiden anderen Axen.
Bezeichnen wir also mit die specifischen Stromintensitäten in den Richtungen der drei Coordinatenaxen, so ergeben sich für sie die Gleichungen:
(5) |
|
Die Summirungen beziehen sich auf alle elektrischen Theilchen, welche zur Zeit t in dem an den Punkt angrenzenden Raumelement vorhanden sind. Für jedes Theilchen ist seine Elektricitätsmenge mit der zugehörigen Geschwindigkeits-Componente zu multipliciren und alle so gebildeten Producte sind zu summiren.
Aus den drei Grössen lässt sich die specifische Stromintensität in irgend einer Richtung ableiten. Es sei die Geschwindigkeits-Componente eines einzelnen elektrischen Theilchens in der Richtung, welche mit den positiven Coordinatenaxen die Winkel einschliesst. Dann haben wir
(6) |
Bezeichnen wir mit die specifische Stromintensität in derselben Richtung, so erhalten wir entsprechend den drei Gleichungen (5):
und hieraus unter Benutzung der Gleichungen (6) und (5):
(7) |
Wir wollen nun eine Richtung aufsuchen, in welcher die specifische Stromintensität durch die Gleichung ausgedrückt wird:
(8) |
Sind die Winkel, welche diese Richtung mit den Coordinatenaxen einschliesst, so ergeben sich zu ihrer Bestimmung die Gleichungen:
(9) |
Denn durch diese Werthe geht die Gleichung (7) in (8) über, wenn gesetzt wird. Man kann aber auch direct von (9) zu (8) gelangen, da bekanntlich
Um die Bedeutung der specifischen Stromintensität zu erkennen, deren Richtung durch die Gleichungen (9) festgelegt wird, führen wir die Werthe von aus (9) in (7) ein. Dadurch ergibt sich:
(10) |
Die Klammergrösse ist aber , wenn den Winkel der beiden Richtungen und bezeichnet. Wir haben also kürzer:
(11) |
Speciell ergibt sich
(12) | für
|
Die durch die Gleichungen (9) festgelegte Richtung hat also die Eigenschaft, dass rechtwinklig zu ihr die specifische Stromintensität gleich Null ist, in ihr selbst aber ein Maximum. Diese Richtung ist demnach die Richtung der Strömung. Kennt man im Innern eines Leiters an irgend einer Stelle die specifischen Stromintensitäten in drei auf einander rechtwinkligen Richtungen, so findet sich daraus die Richtung der Strömung und die specifische Stromintensität in dieser Richtung nach demselben Gesetze, welches für die Zusammensetzung der Geschwindigkeiten und für die Zusammensetzung der Kräfte gilt. Man kann dasselbe das Gesetz vom Parallelepipedon der specifischen Stromintensitäten nennen.
Unter der freien Elektricität, welche in einem Körperelement resp. in einem Oberflächenelement enthalten ist, verstehen wir die algebraische Summe der in dem Körperelement, resp. dem Oberflächenelement überhaupt vorhandenen Elektricitätsmengen. Dividiren wir diese Summe durch den Rauminhalt des Körperelementes, resp. durch den Flächeninhalt des Oberflächenelementes, so ergibt sich ein Quotient, der die Dichtigkeit der freien Elektricität an der betreffenden Stelle genannt wird. Wir bezeichnen ihn mit .
durch diese die Elektricitätsmenge
Die zuerst berechnete Elektricitätsmenge tritt in das Parallepipedon ein, die zweite tritt aus, und es ergibt sich als Zuwachs für das Innere:
In derselben Weise berechnen wir die Zunahmen, welche von dem Durchgang durch die Seitenflächen herrühren, auf denen die Axe und resp. die Axe rechtwinklig stehen. Wir erhalten
|
Die ganze Zunahme an freier Elektricität, welche dem unendlich kleinen Parallelepipedon in dem Zeitelement zu Theil wird, findet sich, wenn man die drei letzten Ausdrücke addirt.
Andererseits hat man zu beachten, dass
die gesammte freie Elektricität ist, welche zur Zeit in dem Parallelepipedon sich befindet. Diese erleidet in dem nächsten Zeitelement die Zunahme
Wir haben danach für dieselbe Zunahme zwei verschiedene Ausdrücke gewonnen und erhalten durch ihre Gleichsetzung die wichtige Gleichung:
(1) |
Für einen beliebigen Leiter besteht, wie wir (§. 45) gesehen haben, das elektrische Gleichgewicht darin, dass die freie Elektricität mit einer für jeden Punkt bestimmten Dichtigkeit über die Oberfläche vertheilt ist, und dass an jeder Stelle im Innern die Dichtigkeit der Elektricitat den Werth Null hat. Dieser Zustand ist jedoch so aufzufassen (§. 44), dass in jedem noch so kleinen Raumelement des Innern gleiche Quantitäten positiver und negativer Elektricität in neutralem Gemisch vorhanden sind.
Betrachten wir nun nach eingetretenem Gleichgewicht ein einzelnes elektrisches Theilchen, so bieten sich über sein Verhalten zwei Auffassungen dar. Entweder kann man nemlich an- nehmen, dass jedes Theilchen sich in Ruhe befinde. Oder man kann sich alle elektrischen Theilchen in einer fortwährenden Bewegung begriffen denken, in einer Bewegung, bei der das Gleichgewicht der Elektricitäten darin besteht, dass an keiner Stelle des Leiters die Dichtigkeit eine Aenderung erleidet, und dass die specifische Stromintensität überall gleich Null ist.
Aendert der Leiter, den wir betrachten, seine Lage gegen andere elektrisch geladene Körper, so bleibt im Innern die Dichtigkeit überall Null. In der Oberfläche gehört aber zu jeder neuen Lage des Leiters eine bestimmte neue Vertheilung der freien Elektricität, die sich in demselben Momente fertig herstellt, in welchem der Leiter die neue Lage einnimmt (§. 47). Wenn man die relative Bewegung des betrachteten Leiters und aller übrigen geladenen Körper plötzlich unterbricht, so ist die neue Gleichgewichtslage der elektrischen Theilchen in demselben Moment (oder doch nach unmessbar kurzer Zeit) fertig vorhanden. Dies Verhalten ist noch der Erklärung bedürftig.
Nimmt man an, dass beim elektrischen Gleichgewichte jedes einzelne elektrische Theilchen in Ruhe sei, so kann bei einer Bewegung des Leiters die neue Vertheilung der freien Elektricität nur durch eine Bewegung der elektrischen Theilchen zu Stande kommen. Bei einer plötzlichen Fixirung aller geladenen Körper erklärt sich dann die momentane Herstellung des neuen elektrischen Gleichgewichtes nur dadurch, dass die Geschwindigkeit jedes elektrischen Theilchens in unmessbar kurzer Zeit zu Null wird.
Anders verhält sich die Sache, wenn man die elektrischen Theilchen unter allen Umständen in Bewegung begriffen annimmt. Beim elektrischen Gleichgewicht ist diese Bewegung so beschaffen, dass überall die specifische Stromintensitat gleich Null ist und die Dichtigkeit der freien Elektricität nirgends eine Aenderung erleidet. Während der relativen Bewegung der geladenen Körper modificirt sich die Bewegung der elektrischen Theilchen so, dass die specifische Stromintensität nicht mehr überall gleich Null ist. Die auftretenden specifischen Stromintensitäten bewirken, dass im Innern des betrachteten Leiters die Dichtigkeit überall Null bleibt, und dass in der Oberfläche bei jeder neuen Lage der geladenen Körper die neue Vertheilung der freien Elektricität vorhanden ist, wie das elektrostatische Gesetz sie verlangt. Bei plötzlicher Fixirung der geladenen Körper gehen die Geschwindig- keiten der elektrischen Theilchen nicht in Null über. Sie ändern sich nur so, dass sofort die specifische Stromintensität überall Null ist.
Wir geben dieser zweiten Auffassung den Vorzug. Wir nehmen an, dass die elektrischen Theilchen im Innern jedes Leiters in einer fortwährenden, ausserordentlich raschen Bewegung begriffen sind, die nur davon herrührt, dass jedes elektrische Theilchen durch die unmittelbar benachbarten Theilchen getrieben wird. So lange zu diesen molekularen Einwirkungen keine scheidenden Kräfte hinzutreten, ist die specifische Stromintensität überall Null. Findet aber an irgend einer Stelle im Innern des Leiters eine Scheidung der Elektricitäten statt, so besteht die Wirkung darin, dass in einer bestimmten Richtung die eine Elektricität beschleunigt, die entgegengesetzte verzögert wird. Durch ein Flächenelement, dessen Normale in jene Richtung fällt, gehen in Folge dessen nicht mehr ebenso grosse Elektricitätsmengen von der negativen zur positiven Seite über wie umgekehrt von der positiven zur negativen Seite. Oder mit anderen Worten: Ueberall da, wo Scheidung stattfindet, ist die specifische Stromintensität in der Richtung der scheidenden Kraft nicht mehr gleich Null. Fur jede Richtung normal zu der scheidenden Kraft bleibt dagegen die specifische Stromintensität Null.
Im Vergleich zu den Molekularkräften, welche die fortdauernde, sehr rasche Bewegung der elektrischen Theilchen hervorbringen, haben wir die Scheidungskräfte verschwindend klein anzunehmen. Die specifische Stromintensität an irgend einer Stelle ist nun eine stetige Function der daselbst auftretenden Scheidungskraft, die mit dieser gleichzeitig Null wird. Man könnte sich diese Function nach positiven, ganzen, ungeraden Potenzen der Scheidungskraft entwickelt denken, und darf, so lange das Verhältnis der letzteren zu den elektrischen Molekularkräften verschwindend klein ist, sich auf die erste Potenz beschränken. D. h. die specifische Stromintensität ist der Scheidungskraft proportional.
Bezeichnen wir also mit die gesammte elektrische Scheidungskraft im Punkte im Innern eines Leiters und mit ihre Componenten in der Richtung der Coordinatenaxen, so gelten die Gleichungen:
(1) |
|
Den Factor nennen wir den specifischen Widerstand des Leiters und die reciproke Grösse seine Leitungsfähigkeit. Die Grösse (und folglich auch ) ist constant für ein und denselben homogenen Leiter. Der Werth derselben ist aber ein anderer, je nachdem der Stoff ein anderer ist, aus welchem der Leiter besteht.
Wir wollen die besondere Voraussetzung machen, dass die scheidende Kraft von der Zeit unabhängig, also für alle Punkte im Innern des betrachteten Leiters eine Function nur von den Raum-Coordinaten sei. Die Componenten der scheidenden
Kraft, welche im Punkte auf die dort vorhandenen Elektricitätsmenge einwirkt, sollen mit bezeichnet werden und als Functionen von im Innern des Leiters gegeben sein. In Folge der Scheidung sammelt sich freie Elektricität an. Die davon herrührende Potentialfunction bezeichnen wir mit . Es ist also (§. 45)
Danach sind die Componenten der elektromotorischen Gesammtkraft, welche auf die im Punkte vorhandene Elektricitätsmenge ausgeübt wird, resp.
|
und diese Componenten haben resp. die Richtung der Axen der , der , der . Für die specifischen Stromintensitäten in denselben Richtungen erhalten wir also, entsprechend den Gleichungen (1) des vorigen Paragrapben, die Ausdrücke:
|
Die angesammelte freie Elektricität wirkt einer unaufhörlich fortgesetzten neuen Ansammlung von freier Elektricität Entgegen. In Folge dessen wird von einem gewissen Zeitpunkte an die Dichtigkeit
der freien Elektricität an keiner Stelle des Leiters mehr sich ändern, d. h. es wird von diesem Zeitpunkte an sein. Mit Rücksicht auf die Gleichung (1) des §. 55 erhalten wir also für jeden Punkt im Innern des Leiters:
oder, wenn für die obigen Ausdrücke eingesetzt werden:
(1) |
Die freie Oberfläche des Leiters soll isolirt sein. Dann ist in jedem ihrer Punkte die normal gegen sie gerichtete specifische Stromintensität gleich Null. Wir ziehen von einem Punkte in der freien Oberfläcbe die Normale nach innen und bezeichnen einen auf ihr genommenen Abstand mit . Die specifische Stromintensität normal gegen die Oberfläche ist
Wenn man diese gleich Null setzt, so ergibt sich für jeden Punkt der freien Oberfläche die Bedingungsgleichung:
(2) | . |
Aendern sich die Grössen im Innern des Leiters an keiner Stelle sprungweise, so treten weiter keine Gleichungen auf. Wir wollen aber noch den Fall betrachten, dass jene Grössen im Innern des Leiters beim Durchgang durch einzelne Flächen sich sprungweise ändern. Es werde von einem Punkte
einer Unstetigkeitsfläche aus nach beiden Seiten die Normale gezogen und darauf ein Abstand nach der einen Seite hin positiv, nach der anderen Seite negativ gerechnet. Dann ist noch auszudrücken, dass für zwei Punkte dieser Normale, die auf verschiedenen Seiten der Fläche unendlich nahe am Punkte liegen, die specifische Stromintensität in der Richtung der wachsenden dieselbe ist. Oder mit anderen Worten: dass an jeder Stelle der Unstetigkeitsfläche in den Raum auf der positiven Seite in jedem Zeitelement eben so viel Elektricität einströmt, als aus dem Raume auf der negativen Seite ausströmt. Dies spricht sich aus in der Gleichung:
(3) |
|
Die Gleichung (3) gilt für jeden Punkt der Unstetigkeitsflächen im Innern des Leiters.
Es soll nun bewiesen werden, dass immer eine Function existirt, welche den Bedingungen (1), (2), (3) des vorigen Paragraphen Genüge leistet und zu beiden Seiten jeder Unstetigkeitsfläche Werthe von gegebener Differenz besitzt. Um diesen Beweis zu führen, schliessen wir von dem Raume, welchen der Leiter ausfüllt, solche Räume von unendlich kleiner Dicke aus, welche die Unstetigkeitsflächen in sich fassen. Wie dies gemacht wird, ist in §. 21 auseinandergesetzt und durch Figur 12 erläutert. Der
übrig bleibende Raum des Leiters soll mit bezeichnet werden. In seinem Innern sind überall endlich und frei von Unstetigkeiten. Unter werde irgend eine Function von verstanden, die den folgenden beiden Bedingungen genügt. Für je zwei Punkte, die unendlich nahe an einander auf entgegengesetzten Seiten einer Unstetigkeitsfläche liegen, sollen die Werthe von eine gegebene endliche Differenz besitzen, und im Innern des Raumes sollen die ersten Derivirten von überall endlich und stetig variabel sein.
Solcher Functionen gibt es unendlich viele. Wird eine von ihnen mit bezeiclmet, so lässt sich jede andere in die Form bringen:
wenn eine passend zu wählende Constante bedeutet und eine Function von ist, die denselben Bedingungen genügt wie , die aber selbst in den Unstetigkeitsflächen von nicht unstetig wird.
Hiernach hat das Integral:
(1) |
über den Raum erstreckt, einen endlichen, positiven Werth. Dieser Werth ändert sich, wenn man von einer Function zu einer anderen übergeht. Unter allen zulässigen Functionen gibt es demnach mindestens eine – wir wollen sie mit bezeichnen –, welche den Integralwerth zu einem Minimum macht. Die Bedingung dafür lautet
(2) |
wenn unendlich klein genommen wird. Nun lässt sich aber entwickeln. Der Rechnungsgang ist in §. 34 vorgeschrieben. Man erhält:
(3) |
Auf der rechten Seite der Gleichung (3) ist der erste und der dritte Bestandtheil positiv. Der zweite kann sowohl positiv als
auch negativ ausfallen. Soll die Bedingung (2) befriedigt werden, so ist dazu nothwendig und hinreichend, dass
(4) |
sei. Denn in der That kommt dann auf der rechten Seite von (3) zu ein positives Glied hinzu, das nur dann zu Null wird, wenn überall . Die Gleichung (4) ist also hinreichend für das Zustandekommen von (2). Sie ist aber auch nothwendig. Denn wenn sie nicht erfüllt wäre, so könnte man das Vorzeichen von so wählen, dass auf der rechten Seite von (3) der zweite
Bestandtheil negativ ausfiele, und den Zahlwerth von so klein machen, dass der dritte Bestandtheil kleiner würde als der Zahlwerth des zweiten Bestandtheils. Dann hätte man
was mit (2) im Widerspruch steht.
Nun können wir das Integral auf der linken Seite der Gleichung (4) nach §. 20 transformiren. Dadurch geht die Gleichung (4) in folgende über:
(5) |
|
Das erste der beiden Integrale ist über den ganzen Raum zu erstrecken, das zweite über seine gesammte Oberfläche. Soll die Gleichung (5) erfüllt werden, so hat man jedes der beiden Integrale für sich gleich Null zu setzen. Das Raum-Integral wird zu Null, wenn für jeden Punkt im Innern von die mit multiplicirte Klammergrösse den Werth Null hat. Dies liefert die Bedingungsgleichung (1) des vorigen Paragraphen.
Die Oberfläche von besteht erstens aus der freien Oberfläche des Leiters und zweitens aus den Hüllen der Unstetigkeitsflächen im Innern. Man hat also zunächst für jeden Punkt in der freien Oberfläche des Leiters gleich Null zu setzen, was mit multiplicirt ist. Dies liefert die Bedingungsgleichung (2) des vorigen Paragraphen.
Die Hüllen einer Unstetigkeitsfläche sind zwei Flächen, welche auf entgegengesetzten Seiten unendlich nahe an ihr liegen und auf ihren Normalen resp. die unendlich kleinen Abschnitte und hervorbringen. Da die Normale immer nach dem Innern des Raumes gezogen wird, so hat man auf der positiven Seite der Unstetigkeitsfläche und auf der negativen Seite . Die Function ändert sich stetig, wenn der Punkt durch die Unstetigkeitsfläche hindurchgeht. Für zwei Punkte, die auf der negativen und auf der positiven Seite derselben Normale unendlich nahe an der Fläche liegen, hat also zwei Werthe, die von dem Werthe in dem Fusspunkte der Normale nur unendlich wenig verschieden sind. Das Oberflächen-Integral, welches über die beiden Hüllen einer Unstetigkeitsfläche erstreckt werden soll, ist demnach so zu schreiben:
Als Beitrag zu der Gleichung (5) ist dieses Integral einmal über alle Unstetigkeitsflächen zu erstrecken. Damit es den Werth Null erhalte, hat man für jeden Punkt in allen Unstetigkeitsflächen gleich Null zu setzen, was unter dem letzten Integral mit multiplicirt ist. Dies liefert die Bedingungsgleichung (3) des vorigen Paragraphen.
Da nun unter allen zulässigen Functionen mindestens eine das Integral (1) zu einem Minimum macht, so erfüllt diese eine Function die Bedingungen (1), (2), (3) des vorigen Paragraphen. Es lässt sich noch zeigen, dass, abgesehen von einer additiven Constanten, diese Function die einzige Lösung der Aufgabe ist. Angenommen, es gäbe ausser noch eine andere Function , welche das Integral (1) ebenfalls zu einem Minimum macht, so würde die Bedingung dafür lauten:
(6) |
wenn jetzt unter eine Constante verstanden wird, die unendlich nahe an 1 liegt. Beachtet man aber, dass die Function der Gleichung (4) Genüge leistet, so ergibt sich:
und
Folglich geht die Bedingung (6) in folgende Form über:
(7) |
Man darf aber die Constante , welche unendlich nahe an 1 liegen soll, nicht bloss grösser, sondern auch kleiner als 1 nehmen. Die Bedingung (7) lässt sich deshalb nur dadurch erfüllen, dass
das Integral den Werth Null erhält. Um das zu erreichen, hat man für jeden Punkt im Innern des Leiters
d. h. zu setzen.
Es gibt also immer eine Function , welche den Bedingungsgleichungen (1), (2), (3) des vorigen Paragraphen Genüge leistet und zu beiden Seiten jeder inneren Unstetigkeitsfläche Werthe von gegebener Differenz besitzt. Jede andere Function, die dies auch thut, unterscheidet sich von jener nur durch eine additive Constante.
Der Werth der additiven constanten Grösse lässt sich aus den gegebenen scheidenden Kräften nicht bestimmen. Ist ein Punkt der Leiteroberfläche mit der Erde durch einen unendlich dünnen Draht in Verbindung gesetzt, so ist in diesem Punkte . Ist dagegen der Leiter vollständig isolirt, so ist die algebraische Summe der Elektricitätsmengen constant, und zwar gleich Null, wenn ursprünglich keine freie Elektricität vorhanden war. In beiden Fällen gibt dies eine Nebenbedingung zur Bestimmung der additiven Constanten.
Nachdem die Function für das Innere und die Oberfläche des Leiters bestimmt ist, kommt es noch darauf an, sie in den äusseren Raum hinein stetig so fortzusetzen, dass sie dort für jeden Punkt die Laplace’sche Gleichung
erfülle und dass sie in unendlicher Entfernung gleich Null sei. Es ist früher schon (§. 34) gezeigt, dass diese Fortsetzung der Function immer und nur auf eine Weise existirt. Zu ihrer Ermittlung ist der Green’sche Satz in Anwendung zu bringen (§. 21).
Ist die Function für jeden Punkt im ganzen unendlichen Raume bekannt, so findet sich die Dichtigkeit der freien Elektricität im Innern des Leiters nach der Formel (6) und in der Oberfläche nach der Formel (7) des §. 45. Wenn in einem Theile des Leiters und ist, so geht hier die Gleichung (1) des vorigen Paragraphen über in:
d. h. es ist dann in diesem Theile des Leiters die Dichtigkeit der Elektricität gleich Null.
Wir wollen noch untersuchen, welche Bedeutung das Integral (1) des vorigen Paragraphen in dem Falle hat, dass sein Werth ein Minimum ist. Dasselbe lautet:
(1) |
Die Function , welche den Minimalwerth zu Stande bringt, ist bewiesenermaassen die Potentialfunction der freien Elektricität; folglich gelten die Gleichungen (§. 57):
(2) |
|
mit deren Hülfe der Ausdruck (1) sich schreiben lässt:
(3) |
oder auch:
(4) |
oder endlich:
(5) |
Die mechanische Bedeutung dieser Ausdrücke ist leicht zu erkennen. Wegen der Gleichungen (5) des §. 54 kann man statt (3) auch schreiben:
(6) |
Die Summirung bezieht sich auf alle elektrischen Theilchen des ganzen Leiters. Bezeichnet man mit die zur Zeit von der
bewegten Elektricität geleistete Arbeit, so ist der Ausdruck (6) nichts anderes als . Wir haben also:
(7) |
Es soll nun der besondere Fall behandelt werden, dass die elektromotorischen Kräfte nur in einer unendlich dünnen Schicht auftreten, z. B. an der Berührungsfläche von zwei heterogenen Bestandtheilen des Leiters. In diesem Falle lässt sich die Bedingung, der im Innern des Leitersystems genügen muss, noch transformiren. Diese Bedingung lautet so, dass das Integral
(1) |
über das ganze Leitersystem ausgedehnt, ein Minimum sein muss, und wenn dieselbe erfüllt ist, so hat das Integral (1) den Werth:
(2) |
Es gibt nun zwar unendlich viele Functionen , welche die Bedingung erfüllen. Aber je zwei von ihnen haben überall im Innern des Leiters eine constante Differenz. In Folge dessen bringen sie alle einen und denselben Minimalwerth (2) des Integrals (1) zu Stande. Von diesem Minimalwerthe wird man einen abweichenden Werth erhalten, wenn man für überall Null setzt. Da aber nur ein Minimalwerth des Integrals (1) vorhanden ist, so muss jeder abweichende Werth grösser ausfallen als der wahre Minimalwerth (2). D. h. wir haben die Ungleichung:
(3) |
Nun sind aber nach der Voraussetzung die Componenten nur in einer unendlich dünnen Schicht von Null verschieden. Aus der linken Seite von (3) fallen also alle Beiträge heraus, welche zu Raumelementen ausserhalb jener Schicht gehören. Für das Integral
bleibt deshalb nur ein Integrationsgebiet übrig, welches unendlich klein ist im Vergleich zu dem Raume, über welchen das Integral (2) zu erstrecken ist. Daraus folgt, dass die Ungleichung (3) nicht anders erfüllt werden kann, als wenn der Werth, welchen in der Grenzschicht besitzt, unendlich gross ist im Vergleich zu . Für diese Schicht gehen demnach die Gleichungen (2) des vorigen Paragraphen in folgende über:
(4) |
|
In irgend einem Punkte der Fläche, welche die beiden heterogenen Leiterbestandtheile trennt, errichten wir nach beiden Seiten
die Normale und zählen auf derselben die von dem Fusspunkte aus genommenen Abstände nach der einen Seite positiv, nach
der anderen negativ. Auf der negativen und auf der positiven Normale wahlen wir je einen Punkt unendlich nahe an der Trennungsfläche.
Der erste habe die Coordinaten dann hat der andere die Coordinaten , und es ist ihr Abstand von einander. Multipliciren wir auf beiden Seiten der Gleichungen (4) resp. mit und addiren, so ergibt sich
(5) |
Dabei sind mit und die Werthe der Function in jenen beiden der Trennungsfläche unendlich nahe gelegenen Punkten bezeichnet. Die Differenz dieser Werthe ist endlich und für jeden Punkt der Trennungsfläche bekannt, da überall in der unendlich dünnen Grenzschicht gegeben sind. Hier trifft also die Voraussetzung des §. 58 zu, dass die Differenz der Werthe von für je zwei Punkte gegeben ist, welche unendlich nahe an einander auf entgegengesetzten Seiten der Unstetigkeitsfläche liegen. Ausserhalb der Grenzschicht ändert die Function in dem übrigen
von dem Leitersystem erfüllten Raume sich stetig. In diesem übrigen
Raume ist . Folglich lautet die Bedingung für jetzt einfacher:
(6) |
wenn für die Trennungsfläche gegeben.
Hat man für das Innere des Leiters bestimmt, so finden sich die specifischen Stromintensitäten in der Richtung der Coordinatenaxen aus den Gleichungen:
(7) |
|
Diesen Fall hat zuerst Ohm*)[5] behandelt. Er nannte die Function die Spannung. Ueber die Bedeutung dieser Function war er aber im Irrthum. Er glaubte, sie drücke die Dichtigkeit der Elektricität aus.
Die Differenz der Spannungen zu beiden Seiten der Grenzfläche zweier heterogenen Leiterbestandtheile hängt von der Natur dieser beiden Bestandtheile ab. 1st die Spannungsdifferenz für die Grenzfläche (oder wenn ihrer mehrere vorhanden sind, für jede derselben) bekannt, so ist durch die Bedingung (6) die Function bis auf eine additive Constante eindeutig bestimmt. Wie der Werth dieser Constante zu ermitteln und wie die Function nur in einer Weise stetig in den äusseren Raum sich fortsetzt, ist in §. 58 bereits erörtert.
Ein Theil des Leitersystems sei drahtförmig. Unter einem Draht verstehen wir einen Körper, in dessen Innern eine stetig verlaufende Linie (die Axe) sich so ziehen lässt, dass jeder normal zu ihr gelegte ebene Querschnitt verschwindend kleine Dimensionen hat im Vergleich zu der Länge der Axe. Auf der Axe soll der
von ihrem Anfangspunkte bis zu einem unbestimmten Punkte hin durchlaufene Bogen mit bezeichnet werden. Der Querschnitt braucht zwar nicht überall derselbe zu sein. Doch setzen wir fest, dass bei einer stetigen Aenderung von auch die Aenderungen des Querschnittes nur stetig vor sich gehen, so dass man an jeder Stelle zwei Querschnitte einander hinreichend nahe legen kann, die von einander und von allen zwischenliegenden Querschnitten nur unendlich wenig abweichen. Zwischen je zwei solchen Querschnitten kann der Draht als ein Cylinder von beliebig gestaltetem, aber unverändertem Querschnitt angesehen werden.
Wir betrachten zunächst nur einen solchen Cylinder an einer beliebigen Stelle des Drahtes. Die Axe dieses Cylinders soll zu den Dimensionen des Querschnittes in endlichem Verhältnis stehen. Wir dürfen sie deshalb als geradlinig ansehen und legen in sie die Axe der des rechtwinkligen Coordinatensystems. Die normalen Querschnitte sind also zur -Ebene parallel. Da die Dimensionen jedes Querschnittes unendlich klein sind, so dürfen wir die Strömung in seiner Ebene vernachlässigen im Vergleich zu der Strömung, die normal gegen diese Ebene gerichtet ist. D. h. wir dürfen in jeder Richtung, die in die Ebene eines Querschnittes fällt, die specifische Stromintensität gleich Null setzen:
(1) |
Ferner dürfen wir in einem und demselben Querschnitt jede der Componenten und den specifischen Widerstand constant nehmen. Nun folgt aber aus (1) und aus den Gleichungen (2) des §. 59:
d. h. für jeden Punkt innerhalb desselben Querschnittes:
Da aber in jedem Querschnitt und unendlich klein sind, so hat man kürzer
Die erste der Gleichungen (2) des §. 59 gibt hiernach:
(2) |
Nun ist nur von abhängig, und ebenso hat nach der Voraussetzung in allen Punkten desselben Querschnittes denselben
Werth. Folglich ist für einen und denselben Querschnitt die normal gegen ihn gerichtete specifische Stromintensität in allen seinen Punkten constant.
Nach dieser Vorbereitung betrachten wir den drahtförmigen Leiter in seiner ganzen Ausdehnung. Wir legen normal gegen die Axe einen Querschnitt , der auf jener die Bogenlänge abschneidet. Ein Flächenelement des Querschnittes ist . Dasselbe soll als Basis eines Raumelementes angesehen werden, dessen Höhe ist. Das Volumen dieses Raumelementes ist demnach:
Bezeichnen wir nun wieder mit die zur Zeit von der bewegten
Elektricität geleistete Arbeit, so haben wir nach §. 59, Gleichung (7):
(3) |
Hier ist die Potentialfunction der freien Elektricität und die in der Richtung von genommene Componente der elektromotorischen Kraft.
Nach der Erklärung der specifischen Stromintensität ist die algebraische Summe der Elektricitätsmengen, welche im Zeitelement an der Stelle von der negativen zur positiven Seite des Querschnittes übergehen, vermindert um die algebraische Summe derjenigen Mengen, welche in demselben Zeitelement an derselben Stelle in entgegengesetzter Richtung hindurchgehen. Für den ganzen Querschnitt beträgt die betreffende Differenz:
die wir mit bezeichnen wollen. Es ist also :
(4) |
Wir nennen die Stromintensität an der Stelle des Querschnittes . Die Axe, auf welcher der Bogen gezählt wird, liegt normal gegen alle Querschnitte. Deshalb lassen wir für jeden Querschnitt die positive Normale mit der Richtung des wachsenden Bogens zusammenfallen. Da wir nun voraussetzen, dass keine Ansammlung von freier Elektricität mehr statttindet, vielmehr ein Beharrungszustand eingetreten ist, so muss an allen Stellen des Drahtes denselben Werth haben, oder – was dasselbe sagt, – es ist von unabhängig. Die Gleichung (3) geht über in folgende:
und diese kann nach der zuletzt über gemachten Bemerkung auch so geschrieben werden:
(5) |
Wir setzen
|
und nennen den Widerstand des drahtförmigen Leiters, den Integralwerth der elektromotorischen Kraft. Bezeichnen wir mit und resp. die Werthe, welche die Function im Anfangs- und resp. im Endpunkte des drahtförmigen Leiters besitzt, so geht aus Gleichung (5) hervor:
(6) |
Bei einem in sich zurücklaufenden drahtförmigen Leiter ist . Folglich ergibt sich hier:
(7) |
und es ist deshalb in einem geschlossenen lineären Strome:
(8) |
Der in dieser Gleichung ausgesprochene Zusammenhang zwischen der Stromintensität, dem Widerstande und dem Integralwerth der elektromotorischen Kraft wird das Ohm’sche Gesetz genannt.
Ist das Leitersystem aus beliebigen drahtförmigen Zweigen zusammengesetzt, so wenden wir die Gleichung (6) des vorigen Paragraphen auf jeden Theil zwischen zwei Knotenpunkten an. Die Knotenpunkte seien numerirt. Der Werth, welchen die Function in irgend einem derselben hat, werde dadurch bezeichnet,
|
Die Anzahl der unverzweigten Bestandtheile des Leitersystems sei , die Anzahl der Knotenpunkte . Dann haben wir zunächst Gleichungen von der Form:
(1) |
Ausserdem ist noch auszudrücken, dass in keinem Knotenpunkt eine Ansammlung von Elektricität stattfindet. Es muss also zu jeder Zeit die im nächsten Zeitelement in den Knotenpunkt eintretende Elektricitätsmenge ebenso gross sein, wie die während desselben Zeitelementes aus ihm austretende Elektricitätsmenge. Oder, mit anderen Worten, die algebraische Summe der Stromintensitäten in allen von dem Knotenpunkte ausgehenden Zweigen, überall in der Richtung von dem Knotenpunkte weg, muss gleich Null sein. Gehen z. B. von dem Knotenpunkte 1 nur die Zweige 1, 2; 1, 3; 1, 4 aus und keine anderen, so hat man:
(2) |
Von dieser Form sind Gleichungen vorhanden. Eine von ihnen ist aber eine identische Folge der übrigen. Denn vermöge der Relation erhält man identisch , wenn man die sämmtlichen Gleichungen (2) durch Addition zusammenfasst.
Die Werthe von und sind für jeden Zweig des Leitersystems bekannt. Dagegen sind und unbekannt. Die Anzahl dieser Unbekannten ist . Da nun die Anzahl der von einander unabhängigen lineären Gleichungen (1) und (2) gleich ist, so kann man aus ihnen jene Unbekannten eindeutig berechnen, wenn eine von ihnen, z. B. , bekannt ist. In der That kann in der Function eine additive Constante von willkürlichem Werthe vorkommen, ohne dass die Differenzen in (1) sich ändern.
Wir kehren zu der Untersuchung der §§. 57, 58, und 59 zurück unter der besonderen Voraussetzung des §. 60, dass nemlich die elektromotorischen Kräfte nur in der unendlich dünnen Grenzschicht an der Berührungsstelle von zwei heterogenen Bestandtheilen des Leiters auftreten. Unter dieser Voraussetzung geht die Gleichung (7) des §. 59 in folgende über:
(1) |
Hier ist ein Raumelement im Innern des Leiters, und die Integration ist über den ganzen von dem Leiter ausgefüllten Raum zu erstrecken. Nun haben wir aber die identischen Gleichungen:
|
Danach lässt die Gleichung (1) sich transformiren. Wir erhalten:
(2) |
In dieser Gleichung erstreckt sich das erste Integral auf den ganzen von dem Leiter erfüllten Raum, das zweite auf seine gesammte Oberfläche, d. h. auf die isolirte freie Oberfläche und auf die
Hüllen der Unstetigkeitsflächen. Diese Unstetigkeitsflächen sind hier die Flächen, in denen je zwei heterogene Leiterbestandtheile an einander stossen. Mit ist die auf dem Flächenelement nach dem Innern des Leiters gezogene Normale bezeichnet.
Für den Beharrungszustand, den wir voraussetzen, ist im Innern des Leiters an jeder Stelle:
(3) |
und an jeder Stelle der isolirten freien Oberfläche:
(4) |
Folglich bleibt auf der rechten Seite der Gleichung (2) nur noch das Oberflächen-Integral, erstreckt über beide Seiten jeder Unstetigkeitsfläche, übrig:
(5) |
Wir nehmen in irgend einer Unstetigkeitsfläche ein Flächenelement , errichten in einem Punkte desselben die Normale nach beiden Seiten und zählen auf ihr von dem Fusspunkte aus den Abstand positiv nach der einen, negativ nach der anderen Seite. Dann ist auf der Seite der positiven Normale und auf der Seite der negativen Normale . Folglich lässt sich statt der Gleichung (5) auch schreiben:
(6) |
Hier ist die Integration über jede Unstetigkeitsfläche nur einmal zu erstrecken. Nehmen wir aber Rücksicht auf die Gleichung (3) des §. 57, so ergibt sich sofort:
und danach erhält man statt (6) einfacher:
(7) |
Auch hier ist die Integration über jede Unstetigkeitsfläche nur einmal zu erstrecken. Setzen wir nun speciell voraus, dass in allen Punkten einer und derselben Unstetigkeitsfläche die Resultirende der elektromotorischen Kräfte constant und normal zur Fläche gerichtet sei, so ist für jede einzelne dieser Flächen die Spannungsdifferenz
es ist ferner für irgend eine Unstetigkeitsfläche
wobei die Stromintensität in der Richtung der wachsenden vorstellt, also die Elektricitätsmenge ist, welche in dem Zeitelement durch die Unstetigkeitsfläche in der angegebenen Richtung hindurchgeht. Hiernach vereinfacht sich die Gleichung (7) zu der folgenden:
(8) |
in welcher das Zeichen bedeuten soll, dass das Product für jede Unstetigkeitsfläche gebildet, und dass die sämmtlichen Producte summirt werden sollen.
Integral. Für die Umhüllungen der Unstetigkeitsflächen gelten die in den Gleichungen (5), (6), (7), (8) enthaltenen Transformationen. Von den Unstetigkeitsflächen rührt also für das zu berechnende Integral (1) ein Beitrag
her, in welchem die Summirung sich nur auf die in dem Leiterstück vorhandenen Unstetigkeitsflächen bezieht. Es bleiben noch die über und auszudehnenden Oberflächen-Integrale übrig. Diese können, da und constant sind, geschrieben werden:
Dabei ist die Richtung der positiven so gelegt, dass sie von in das Leiterstück hineinführt, von dagegen aus demselben heraus. Nun ist
die Elektricitätsmenge, welche in dem Zeitelement durch die Fläche in das Leitersystem einströmt, dagegen
die Elektricitätsmenge, welche in demselben Zeitelement durch austritt. Beide Mengen sind einander gleich. Wir erhalten also:
(9) |
Hier bezieht sich die Summirung auf die Producte für alle innerhalb des Leiterstückes befindlichen Unstetigkeitsflächen.*)[6]
Die elektromotorischen Kräfte bringen ausser dem galvanischen Strom noch eine andere Wirkuug hervor, nämlich eine Erwärmung
des Leiters. Die mechanische Wärmetheorie stellt den Satz auf, dass die mechanische Kraft eines Systems das Maass der darin enthaltenen Wärmemenge ist. Wir bezeichnon mit das Potential aller zwischen den Bestandtheilen des Systems auftretenden Anziehungs- und Abstossungskräfte. Dann ist (§. 37)
der Ausdruck für die mechanische Kraft. Sind ausser jenen Anziehungs- und Abstossungskräften keine anderen Kräfte wirksam, so hat man nach §. 37, Gleichung (2)
(1) |
In diesem Falle ist also die mechanische Kraft des Systems unveränderlich und folglich auch die in dem System vorhandene Wärmemenge constant. Treten aber ausser jenen inneren Anziehungs- und Abstossungskräften noch andere, äussere Kräfte auf, deren Componenten im Punkte mit bezeichnet
werden mögen, so lautet der Satz von der Erhaltung der lebendigen Kraft jetzt so:
(2) |
Folglich ist in diesem Falle die mechanische Kraft des Systems
(3) |
|
und sie hat in der Zeit von bis zugenommen um die von den äusseren Kräften während derselben Zeit geleistete Arbeit. Die in dem System vorhandene Wärmemenge hat also nach dem eben citirten Satze der mechanischen Wärmetheorie sich vermehrt um ein Quantum, welches jener Arbeit der äusseren Kräfte proportional ist.
Soll dies auf den vorliegenden Fall angewandt werden, so haben wir
|
zu setzen. Von diesen Kräften wird nach §. 59 in dem Zeitelement die Arbeit geleistet
(4) |
und folglich ist der in demselben Zeitelement zu Stande gekommene Wärmezuwachs dieser Grösse proportional.
In dem besonderen Falle, dass die äusseren elektromotorischen Kräfte nur an den Berührungsstellen von je zwei heterogenen Leiterbestandtheilen auftreten, und dass ihre Resultirende für alle Punkte derselben Unstetigkeitsfläche constant und normal zu ihr gerichtet ist, gelten für die Umformungen des vorigen Paragraphen. In dem Zeitelement kommt dann also in dem ganzen Leiter ein Wärmezuwachs zu Stande, welcher der Arbeit
(5) |
proportional ist. Soll nur ein Theil des Leiters in Betracht gezogen werden, so ergibt sich für ihn in der Zeit ein Wärmezuwachs, proportional der Arbeit
(6) |
Für einen drahtförmigen Theil des Leiters lässt sich nach §. 61 die in dem Zeitelement geleistete Arbeit durch
ausdrücken. Nehmen wir von unabhängig, so erhält demnach in der Zeiteinheit der Leiter einen Wärmezuwachs, welcher der Arbeit
(7) |
proportional ist. Dieses von Joule*)[7] aufgestellte Gesetz ist vielfach experimentell bewiesen worden.
Zur Erklärung der magnetischen Erscheinungen kann man eine ähnliche Hypothese aufstellen, wie sie der Theorie der Elektricität zu Grunde gelegt ist. Wir nehmen zwei einander entgegengesetzte magnetische Fluida an, ein positives und ein negatives. Zwei magnetische Theilchen, deren magnetische Massen (nach Zahlwerth und Vorzeichen) und sind, üben in der Entfernung eine Kraft
auf einander aus, deren Richtung in die Verbindungslinie der beiden Theilchen fällt. Die Kraft ist Abstossung oder Anziehung, je nachdem das Product positiv oder negativ ist. Insofern eine Anziehung als negative Abstossung angesehen werden kann, darf man auch sagen: zwei magnetische Theilchen von den magnetischen Massen und , die in der Entfernung von einander sich befinden, üben in der Richtung ihrer Verbindungslinie eine Abstossung
(1) |
auf einander aus.
Als magnetische Masseneinheit ist dabei dasjenige Quantum magnetischen Fluidums genommen, welches ein ihm gleiches Quantum in der Einheit der Entfernung mit der Krafteinheit abstösst.
Unter einem Magnet verstehen wir einen ponderablen Körper, welcher die magnetischen Fluida in einer solchen Vertheilung in sich enthält, dass er nach aussen magnetische Wirkungen ausübt. Die Erfahrung lehrt, dass kein Magnet von dem in ihm enthaltenen magnetischen Fluidum etwas nach aussen abgeben kann, und dass in jedem experimentell darstellbaren Magnet die algebraische Summe der magnetischen Massen gleich Null ist:
(2) | resp. |
je nachdem die magnetischen Fluida in discreten Punkten oder stetig über den Magnet vertheilt sind.
Die in den Gleichungen (2) ausgesprochene Thatsache schliessen wir aus der Einwirkung, welche der Erdmagnet auf jeden experimentell darstellbaren Magnet ausübt. Die erdmagnetische Kraft lässt sich in eine verticale und eine horizontale Componente zerlegen. Wenn man nun einen Magnet so aufhängt, dass er nur in horizontaler Richtung sich frei bewegen kann, so kommt die verticale Componente der erdmagnetischen Kraft nicht zur Geltung. Die horizontale Componente hat für jeden Ort an der Erdoberfläche eine bestimmte Grösse und eine bestimmte Richtung. Bei der verhaltnissmässig geringen Ausdehnung des aufgehängten Magnets werden demnach allen seinen magnetischen Theilchen parallele und gleiche Beschleunigungen ertheilt. Bezeichnen wir diese Beschleunigung mit , so wird der Magnet in der Richtung des erdmagnetischen Meridians von einer horizontalen Gesammtkraft
resp.
|
in Anspruch genommen. Nun übt aber der Erdmagnet keinerlei Anziehung oder Abstossung, sondern nur eine drehende Wirkung aus. Folglich muss
(2) | resp. |
sein, d. h. es muss, da constant und von Null verschieden ist, die eine oder die andere der Gleichungen (2) erfüllt sein.
Den eben ausgesprochenen Erfahrungssätzen wird dadurch Genüge geleistet, dass wir in jedem Körpermolekül des Magnets gleiche Quantitäten beider magnetischen Fluida annehmen, die von dem Molekül unter keinen Umständen auf ein anderes übergehen konnen. Der Magnet heisst im Maximum magnetisirt, wenn innerhalb jedes Moleküls die magnetischen Fluida so vertheilt sind, dass die Gesammtwirkung nach aussen ein Maximum ist.
Die von einem Magnet herrührende Potentialfunction ist
(3) |
resp.
(4) |
je nachdem die Fluida in discreten Punkten concentrirt oder stetig vertheilt angenommen werden. Dabei bezeichnet die Entfernung des magnetischen Theilchens , resp. von dem Punkte . Die Summirung in (3) und die Integration in (4) ist über alle Bestandtheile des Magnets auszudehnen.
Auf die im Punkte concentrirt gedachte positive Einheit magnetischer Masse wirkt hiernach eine Kraft, deren Componenten parallel den Coordinatenaxen ausgedrückt werden durch die Gleichungen:
(5) |
|
Ausserhalb der magnetischen Massen, von denen die Potentialfunction herrührt, ist überall
oder, was dasselbe sagt:
(6) |
Ferner ergibt sich noch aus den Gleichungen (5), dass den partiellen Differentialgleichungen genügen müssen:
(7) |
|
Obgleich wir in Wirklichkeit nur körperliche Magnete kennen, so ist es doch nicht überflüssig, den idealen Fall mit in Betracht zu ziehen, dass die magnetischen Flüssigkeiten über eine Fläche stetig vertheilt sind. Die Integration in (4) und in (2) ist dann über alle Elemente dieser Fläche auszudehnen.
Da die Gleichung (4) dieselbe Form hat wie die Gleichung (2) des §. 45, so gelten hier auch die Folgerungen, welche in demselben Paragraphen in den Gleichungen (6) und (7) ausgesprochen sind. Kennt man also im ganzen unendlichen Raume die von einem Magnet herrührende Potentialfunction , so findet sich leicht die magnetische Dichtigkeit im Punkte . Man erhält
(8) |
wenn die magnetischen Massen stetig über einen Raum von drei Dimensionen vertheilt sind; dagegen
(9) |
wenn sie über eine Fläche stetig ausgebreitet sind.
Die Erfahrung zeigt, dass nicht nur Magnete, sondern auch galvanische Ströme nach aussen magnetische Wirkungen üben. Um diese Wirkungen zu untersuchen, stellen wir die Hypothese auf, dass die magnetischen Kräfte, welche in einem galvanischen Strome ihren Grund haben, überall ausserhalb des Stromes denselben Gesetzen unterliegen, als rührten sie von magnetischen Massen her.
Der galvanische Strom sei linear und einfach in sich zurücklaufend. Als Leiter des Stromes wird also eine Linie (ein unendlich dünner Draht) genommen, deren Endpunkt mit dem Anfangs- punkte zusammenfällt, und die zwischen dem Anfangs- und Endpunkte keine einander schneidende oder deckende Bestandtheile besitzt. Im Punkte , der irgendwo ausserhalb des Leiters liegt, sei die positive Einheit der magnetischen Masse concentrirt. Der galvanische Strom übt auf sie eine magnetische Kraft, deren Componenten parallel den Coordinatenaxen mit bezeichnet werden sollen. Nach der aufgestellten Hypothese genügen diese Componenten den partiellen Differentialgleichungen:
(1) |
(2) |
|
In Folge der Gleichungen (2) ist
ein vollständiges Differential, also gibt es eine Function von , die so beschaffen ist, dass überall ausserhalb des galvanischen Stromes
(3) |
Erstrecken wir nun das Integral
(4) |
durch eine im endlichen Gebiete verlaufende Curve, deren Endpunkt mit dem Anfangspunkte zusammenfällt und deren übrige Punkte bei einem einfachen Umlauf sämmtlich nur einmal getroffen werden. Um über den Werth dieses Integrals ins Klare zu kommen, ist es wünschenswerth, einen Hülfssatz vorauszuschicken.
Wir zeichnen in dem endlichen Gebiete der Ebene eine Curve, deren Endpunkt und Anfangspunkt zusammenfallen und deren übrige Punkte bei einem einfachen Umlauf sämmtlich nur
positiven Sinne, wenn dabei die Tangente in der Richtung des wachsenden Bogens zu der nach innen gezogenen Normale ebenso liegt, wie die Axe der positiven zu der Axe der positiven .
Es seien und zwei Functionen von und , die innerhalb des von der Curve begrenzten Flächenstückes einwerthig, endlich und stetig variabel vorausgesetzt werden. Wir betrachten das Integral
(1) |
ausgedehnt über das von der Curve begrenzte Flächenstück. Dabei bezeichnen und positive Zunahmen der Variabeln. Für den ersten Bestandtheil des Integrals können wir mit der Integration nach beginnen. Wir ziehen die Ordinaten, welche zu den Abscissen und gehören. Zwischen ihnen liegt ein unendlich schmaler Flächenstreifen, welcher ebenso oft in das von der Curve begrenzte Flächengebiet eintritt, wie aus demselben austritt. Wir bezeichnen die Ordinaten der Eintrittsstellen mit
die Ordinaten der Austrittsstellen dagegen mit
und bemerken, dass
Die Bogenelemente, welche der unendlich schmale Flächenstreifen bei seinem Ein- und Austritt auf der Begrenzungscurve abschneidet, seien
Der Cosinus des Winkels, welchen ein solches Bogenelement mit der Richtung der positiven einschliesst, ist positiv an allen
Eintrittsstellen, dagegen negativ an allen Austrittsstellen. Bezeichnet man also (nach Zahlwerth und Vorzeichen) mit die Projection
von auf der Axe der , so ergibt sich
Danach finden wir
|
Das lässt sich kürzer schreiben
wobei das Summenzeichen auf der rechten Seite bedeutet, dass die Werthe von an allen Eintritts- und Austrittsstellen des unendlich schmalen Flächenstreifens genommen werden sollen. Die Integration nach wird dadurch ausgeführt, dass man nicht einen einzelnen Flächenstreifen in Betracht zieht, sondern alle, die überhaupt (von Parallelen zur -Axe begrenzt) das Flächengebiet durchschneiden. Folglich ergibt sich
und es ist die Integration rechts durch die ganze in sich zurücklaufende Curve zu erstrecken.
In entsprechender Weise kommen wir zu der Gleichung
und auch hier ist das Integral auf der rechten Seite (im positiven Sinne des Umlaufs) durch die ganze Curve zu erstrecken.
Danach gelangen wir zu dem Resultat, dass
(2) |
ist, vorausgesetzt, dass wir unter und zwei Functionen von und verstehen, die einwerthig, endlich und stetig variabel sind innerhalb des Flächengebietes, über welches die Integration auf der linken Seite ausgedehnt wird, und dass man die Integration
rechts in positivem Sinne des Umlaufs durch die Begrenzungscurve erstrecke.*)[8]
In dem besonderen Falle, dass innerhalb des von der Curve umschlossenen Flächengebiets überall
(3) |
ist, geht die Gleichung (2) über in
(4) |
Uebrigens bleiben, wie man leicht sieht, die Sätze (2) und (4) auch dann gültig, wenn die Curve nicht durchaus in dem Quadranten der positiven und der positiven verläuft. Diese Voraussetzung dient nur zur leichteren Entwicklung des Beweises. Ist sie von vorn herein nicht erfüllt, so kann man, da die Curve sich nirgends ins Unendliche erstreckt, durch parallele Verschiebung der Axen es leicht erreichen, dass die verlangte Lage vorhanden ist.
Nach dieser Vorbereitung kehren wir zu dem Integral (4) des §. 66 zurück. Wir nehmen eine stetig gekrümmte Fläche zu Hülfe, die ganz im endlichen Gebiete liegt, und die den vorgeschriebenen Integrationsweg zur vollständigen und alleinigen Begrenzung hat. Die Gleichung dieser Fläche sei
(1) |
Da der vorgeschriebene Integrationsweg auf der Fläche liegt, so hat man in §. 66, (4)
zu setzen und aus die Coordinate mit Hülfe der Gleichung (1) zu eliminiren. Dadurch geht das Integral (4) des §. 66 über in
(2) |
und hier ist die Integration durch die in der -Ebene liegende Projection der gegebenen Curve zu erstrecken.
(3) |
|
Dadurch ergibt sich
|
Folglich haben wir hier
(4) |
Wenn nun die Curve, durch welche das Integral
erstreckt werden soll, nicht kettenförmig mit dem Leiter des galvanischen Stromes verschlungen ist, so lässt sich die Fläche (1) immer so legen, dass sie keinen Punkt mit diesem Leiter gemein hat. Dann sind für jeden Punkt der Fläche die Gleichungen (2) des §. 66 erfüllt, und folglich geht die Gleichung (4) über in
(5) |
Es gilt also auch die Gleichung (4) des vorigen Paragraphen, d. h. es ist
(6) |
wenn dieses Integral durch eine in sich zurücklaufende Curve erstreckt wird, die nicht kettenförmig mit dem Leiter des galvanischen Stromes verschlungen ist.
Wenn dagegen die Integrationscurve mit dem Stromleiter kettenförmig verschlungen ist, so ist es unmöglich, die Fläche (1) so zu legen, dass sie keinen Punkt mit dem Leiter gemein habe. Dann ist also die Gleichung (5) nicht überall erfüllt und deshalb hat auch das Integral (6) nicht den Werth Null.
Wir legen eine Fläche in der Weise, dass der Leiter des galvanischen Stromes ihre vollständige und alleinige Begrenzung bilde. Dann gilt der Satz (6) des vorigen Paragraphen für jeden Integrationsweg, welcher die Fläche nicht schneidet. Nehmen wir an irgend einer Stelle des Raumes den Anfangspunkt der Integration und erstrecken von da aus das Integral
bis zum Punkte auf verschiedenen Wegen, von denen aber keiner die Fläche schneidet, so sind die Integralwerthe, die auf allen diesen Wegen zu Stande kommen, einander gleich.
Das Integral (1) ist also eine Function von , die überall ausserhalb der Fläche sich stetig ändert.
Wir errichten in irgend einem Punkte der Fläche nach beiden Seiten hin die Normale und zählen darauf den Abstand von ihrem Fusspunkte aus positiv nach der einen, negativ nach der anderen Seite. Auf der positiven und auf der negativen Normale nehmen wir je einen Punkt unendlich nahe an der Fläche , und bezeichnen die Werthe, welche die Function in ihnen annimmt, mit und resp. . Die Differenz
ergibt sich, wenn man das Integral (1) von dem Punkte auf der negativen Normale nach dem unendlich nahe gelegenen Punkte auf der positiven Normale durch eine Curve erstreckt, welche die Fläche nicht schneidet.
Nun sind aber im ganzen unendlichen Raume ausserhalb der Strombahn einwerthig, endlich und stetig variabel. Daraus folgt, dass in unendlicher Nähe der Fläche die Derivirte von , sowohl parallel als auch normal zur Fläche genommen, auf der positiven Seite denselben Werth hat, wie auf der negativen Seite. Es ist also für jede beliebige Stelle der Fläche
(2) |
wobei eine constante Grösse bezeichnet, und es ist ferner
(3) |
Vermöge der Gleichung (1) des §. 66 genügt die Function im ganzen unendlichen Raume ausserhalb der Strombahn der partiellen Differentialgleichung
(4) |
und sie hat den Werth Null in unendlicher Entfernung:
(5) | für |
Diesen Bedingungen (2), (3), (4), (5) entsprechend, lässt sich die Function immer und nur in einer Weise herstellen, wie man mit Hülfe des Dirichlet'schen Princips leicht beweisen kann.
Wir wollen statt dessen nach Green's Methode den Ausdruck für die Function direct bilden.
Der Satz von Green (§. 20) lässt sich hier folgendermaassen verwerthen.
Wir setzen
und
(1) |
Der Raum , welcher für uns in Betracht kommt, wird begrenzt von den beiden Seiten der Fläche und von zwei Kugelflächen, von denen die eine mit dem Radius , die andere mit dem Radius um den Punkt als Mittelpunkt construirt ist, und zwar für und .
Hier treffen alle Voraussetzungen des §. 21 zu mit der einen Modification, dass in der Oberfläche des Raumes nicht überall Null ist. Durch Wiederholung des dort angewandten Verfahrens gelangt man demnach zu der Gleichung
(2) |
und es bezeichnet den Werth von im Punkte . Das Raumintegral ist Null vermöge der Gleichung (4) des vorigen Paragraphen. Das Oberflächen-Integral ist auszudehnen über die Kugel vom Radius und über die beiden Seiten der Fläche .
Für die Kugelfläche fällt die nach dem Innern des Raumes gezogene Normale in die Richtung der abnehmenden . Folglich kann das über diese Kugelfläche erstreckte Integral geschrieben werden:
wobei das Element einer Kugelfläche vom Radius 1 bezeichnet. Nun steht für sowohl als in endlichem Verhältnis zu . Folglich wird
und man sieht, dass das Integral den Grenzwerth Null hat für .
Hiernach bleibt auf der rechten Seite der Gleichung (2) nichts weiter übrig als das Oberflächen-Integral, ausgedehnt über beide Seiten der Fläche .
Wir errichten im Punkte der Fläche die Normale nach beiden Seiten und zählen auf ihr von dem Fusspunkte aus den Abstand positiv nach der einen, negativ nach der andern Seite. Dann ist auf der positiven Seite , auf der negativen . Die Gleichung (2) geht dadurch in folgende über:
Dafür kann man auch schreiben:
Hier ist das zweite Integral gleich Null in Folge der Gleichung (3) des vorigen Paragraphen. In dem ersten Integrale hat man für die Gleichung (2) des vorigen und für die Gleichung (1) dieses Paragraphen zu beachten. Dadurch ergibt sich schliesslich:
(3) |
Wir stellen noch die Hypothese auf, dass die magnetischen Kräfte, welche von mehreren galvanischen Strömen auf die im Punkte concentrirt gedachte positive magnetische Masseneinheit ausgeübt werden, sich nach dem Satze vom Parallelogramm der Kräfte zusammensetzen. Für einen einzigen Strom folgt daraus unmittelbar, dass eine fache Stromintensität auch fache Kräfte ausübt. Die Componenten sind also der Stromintensität proportional, und deshalb auch
(1) |
Da wir die Stromintensität immer in der Richtung nehmen, in welcher die Bogenlänge des Stromleiters zunimmt (§. 61), so ist zunächst festzustellen, wie diese Richtung und die Richtung der auf der Fläche errichteten positiven Normale zu einander liegen sollen. Wir treffen die Bestimmung, dass, von einem Punkte der auf errichteten positiven Normale aus gesehen, die Richtung des wachsenden Bogens dieselbe sein soll, wie die Richtung, in welcher für einen auf das Zifferblatt sehenden Beobachter die Spitze des Uhrzeigers weiterrückt. Oder mit andern Worten: wenn jemand auf der positiven Seite der Fläche sich aufrecht hinstellt und dann die Begrenzung in der Richtung des wachsenden Bogens durchläuft, so hat er die Fläche zur rechten Hand.
Die Erfahrung lehrt nun, dass bei dieser gegenseitigen Lage der positiven Normale und des wachsenden Bogens die Differenz positiv ausfällt, wenn positiv ist. Folglich ist die Constante positiv. Der Einfachheit wegen wollen wir die Einheit der Stromintensität so wählen, dass ist. Dann geht die Gleichung (2) des §. 69 über in:
(2) |
und statt der Gleichung (3) des vorigen Paragraphen erhalten wir:
(3) |
Das hier eingeführte Maass der Stromintensität wird das magnetische genannt.
Wir suchen die mechanische Bedeutung des für gefundenen Ausdruckes. Es ist
für . Folglich kann man so schreiben:
(1) |
Der Ausdruck für hat also die Form der Potentialfunction einer idealen magnetischen Massenvertheilung. Denken wir uns, man könnte die magnetischen Fluida stetig über eine Fläche ausbreiten, und es wäre die in dem Flächenelement enthaltene magnetische Masse, so würde
die Potentialfunction dieser magnetischen Masse sein, wenn man die Integration über die ganze Fläche ausdehnt.
Belegen wir also die Fläche (für ) in jedem Flächenelemente mit der magnetischen Masse
und eine zu parallele Fläche (für ) in jedem Flächenelemente mit der magnetischen Masse
so ist die Wirkung der über beide Flächen ausgebreiteten magnetischen Massen dieselbe wie die Wirkung des durch die Begrenzung von hindurchgehenden galvanischen Stromes.
Die magnetischen Massen der beiden Belegungen sind von entgegengesetztem Zeichen, von gleicher und constanter Dichtigkeit, und diese Dichtigkeit ist der Scheidungsweite umgekehrt proportional.
Die Wirkung auf einen Punkt im inneren Raume zwischen den beiden unendlich nahe an einander liegenden Flächen ist hier nicht mit einbegriffen.
Das Integral in der Gleichung (3) des §.71 hat auch eine geometrische Bedeutung. Wir ziehen vom Punkte einen Strahl, welcher die Strombahn durchschneidet, und setzen ihn so in Bewegung, dass der Schnittpunkt die Curve von Anfang bis zu Ende durchläuft. Dadurch wird eine Kegelfiäche erzeugt, welche den Punkt zum Scheitel hat. Um denselben Punkt als Mittelpunkt legen wir eine Kugelfläche vom Radius 1. Diese wird von der Kegelfläche in einer geschlossenen Linie durchschnitten. Wir wollen zunächst der Einfachheit wegen vor-
aussetzen, dass die Linie (die Projection von auf der Kugel) ebenso einfach in sich zurückläuft wie die Linie selbst, dass also, wenn man sie von Anfang bis zu Ende durchläuft, keiner ihrer Punkte mehr als einmal getroffen wird. Ueber die Gestalt der Fläche , welche von der Strombahn begrenzt wird, haben wir keinerlei besondere Voraussetzung gemacht. Wenn nun, wie eben verabredet worden, die Projection auf der Kugel vom Radius 1 eine einfach in sich zurücklaufende Linie ist, so können wir der Fläche eine solche Gestalt geben, dass ihre Projection ein von umschlossenes Stück der Kugeloberfläche einfach bedeckt. Zieht man dann vom Punkte aus durch irgend einen Punkt dieses umschlossenen Stückes der Kugeloberfläche einen Strahl, so wird dieser, gehörig verlängert, die Fläche in einem Punkte, aber auch nur in einem Punkte durchschneiden. Der wachsende Strahl tritt an dieser Stelle von der dem Punkte zugekehrten Seite der Fläche auf die abgekehrte Seite über. Der Theil der Kugeloberfläche, welcher von der Projection der Fläche nicht bedeckt wird, darf als das durch ausgeschlossene Gebiet bezeichnet werden. Zieht man von aus durch irgend einen Punkt des ausgeschlossenen Gebietes einen Strahl, so trifft dieser, wie weit man ihn auch verlängern möge, die Fläche gar nicht.
Wir wählen auf der Fläche irgend einen Punkt und bezeichnen mit die Länge des Strahles, welcher vom Punkte nach hingezogen ist. Mit werde ein auf der Fläche genommenes Flächenelement bezeichnet, auf dessen Begrenzung der Punkt liegt. Lassen wir nun einen von ausgehenden beweglichen Strahl an der ganzen Begrenzung von hingleiten, so beschreibt er eine Kegelfläche. Diese schneidet die Kugeloberfläche vom Radius 1 in einer einfach in sich zurücklaufenden Linie, der Begrenzung eines auf der Kugel liegenden Flächenelementes , welches die Projection von ist.
Die gegen die Fläche im Punkte errichtete positive Normale schliesst mit der Richtung des wachsenden einen Winkel ein, dessen Cosinus
ist, und dieser Cosinus ist positiv oder negativ, je nachdem die dem Punkte abgekehrte Seite der Fläche die positive oder die negative ist.
Die Projection von auf einer um beschriebenen Kugel vom Radius berechnet sich
und es gilt das obere oder das untere Vorzeichen, je nachdem positiv oder negativ ist. Soll die Projection auf der Kugel vom Radius 1 ausgedrückt werden, so hat man noch durch zu dividiren, also
(1) |
Wir bezeichnen mit den Flächeninhalt der auf der Kugel vom Radius 1 liegenden Projection von , und zwar in dem Sinne, dass eine absolute Zahl ist. Alsdann ergibt sich aus (1) durch Integration
(2) |
und es gilt das positive oder das negative Vorzeichen, je nachdem die Fläche dem Punkte ihre positive oder ihre negative Seite zukehrt.
Nun ist noch auf das Vorzeichen von Acht zu geben. Wenn die Fläche dem Punkte ihre positive Seite zukehrt, so ist positiv oder negativ, je nachdem — von dem Punkte aus gesehen — der positive Strom in derselben Richtung fliesst, in welcher der Uhrzeiger weiterrückt, oder in der entgegengesetzten Richtung. Kehrt die Fläche dem Punkte ihre negative Seite zu, so gilt für die umgekehrte Vorzeichenregel. Dies lässt sich auch noch anders ausdrücken, nemlich: Das Vorzeichen von ist dasselbe wie auf der rechten Seite der Gleichung (2), wenn — vom Punkte aus gesehen — die Richtung des positiven Stromes mit der Drehungsrichtung des Uhrzeigers übereinstimmt. Und das Vorzeichen von ist das entgegengesetzte von dem auf der rechten Seite der Gleichung (2), wenn — vom Punkte aus gesehen — die Richtung des positiven Stromes der Drehungsrichtung des Uhrzeigers entgegengesetzt ist. Das Product
ist also positiv oder negativ, je nachdem vom Punkte gesehen — der positive oder der negative Strom in der Drehungsrichtung des Uhrzeigers fliesst.
Für ein im Punkte angebrachtes Auge verstehen wir unter der Himmelskugel die um diesen Punkt als Mittelpunkt construirte Kugel vom Radius 1.
Hiernach erhält man für die Herstellung der Potentialfunction im Punkte die folgende Regel:
Man multiplicire den absoluten Werth der Stromintensität mit dem Theile der Himmelskugel, welcher für ein im Punkte befindliches Auge von der Strombahn umschlossen erscheint, und gebe dem Producte positives oder negatives Vorzeichen, je nachdem für dasselbe Auge die Richtung des positiven Stromes mit der Drehungsrichtung des Uhrzeigers übereinstimmt oder ihr entgegengesetzt ist.
Diese von Gauss*)[9] ausgesprochene Regel behält auch dann ihre Gültigkeit, wenn die Projection der einfach in sich zurücklaufenden Strombahn auf der Himmelskugel Doppelpunkte enthält. Dann kehrt die Fläche dem Punkte nicht mehr einerlei Seite zu. Vielmehr gehören (Fig. 38) zwei Bestandtheile von , deren Begrenzungen in einem Doppelpunkte zusammenstossen, zu solchen Theilen der Fläche , welche dem Punkte entgegengesetzte Seiten zukehren. Die einzelnen auf einander folgenden Bestandtheile von kommen also nach Gleichung (2) mit abwechselnden Vorzeichen in Rechnung und haben alle dasselbe mit einerlei Vorzeichen als gemeinschaftlichen Factor. Will man aber die absoluten Werthe der einzelnen Bestandtheile von mit dem absoluten Werthe von multiplicirt in Rechnung bringen, so hat man den Producten abwechselnde Vorzeichen zu geben und kommt so auf die von Gauss aufgestellte Regel zurück.
Nachdem wir zu einer geometrischen Interpretation der Formel (3) §.71 gelangt sind, welche die Potentialfunction der von dem galvanischen Strome ausgeübten magnetischen Kraft ausdrückt, können wir davon eine Anwendung auf die Kraftcomponenten selbst machen. Um die Componente parallel der Axe der positiven zu finden, haben wir den Punkt in dieser Richtung um die Strecke zu verschieben und die davon herrührende Aenderung der Function durch die Grösse der Verschiebung zu dividiren. Nun ist die Function ein Product von zwei Factoren, von denen der erste — die Stromintensität — bei der vorgenommenen Verschiebung keine Aenderung erleidet. Der zweite Factor ist der Theil der Himmelskugel, den das Auge das eine mal vom Punkte , das andere mal vom Punkte aus durch die Strombahn umschlossen sieht. Statt aber die Strombahn im Raume fest beizubehalten und das Auge aus dem Punkte in den Punkt zu verschieben, kann man auch das Auge in dem ersten Punkte lassen und dagegen die Strombahn so verschieben, dass jeder ihrer Punkte in der Richtung der abnehmenden den Weg durchläuft. Es fragt sich, welche Theile der Himmelskugel dabei aus der Umschliessung austreten und welche in sie neu eintreten (Fig. 39 und 40). Jedes Element der Strombahn erzeugt bei der Verschiebung ein unendlich kleines Parallelogramm, dessen Projection auf der Himmelskugel zu suchen ist. Wir lassen die Richtung des wachsenden Bogens mit der Richtung des positiven Stromes zusammenfallen. Sie möge in Fig. 39 mit der Drehungsrichtung des Uhrzeigers übereinstimmen, in Fig. 40 aber die entgegengesetzte sein. Hat man zur Berechnung von die absoluten Werthe der Projection auf der Himmelskugel und der Stromintensität mit einander multiplicirt, so ist das Product für Fig. 39 mit positivem, für Fig. 40 mit negativem Vorzeichen zu versehen. Danach erhält man die Aenderung von mit dem richtigen Vorzeichen, wenn man bei Fig. 39 die aus der Umschliessung austretenden Theile der Himmelskugel mit negativem Zeichen, die eintretenden mit positivem Zeichen in Rechnung bringt und mit dem absoluten
Werthe der Stromintensität multiplicirt. Bei Fig. 40 hat man dagegen die austretenden Theile der Himmelskugel mit positivem
Zeichen, die eintretenden mit negativem Zeichen zu nehmen und auch hier mit dem absoluten Werthe der Stromintensität zu multipliciren.
Sehen wir nun das Bogenelement als eine unendlich kleine gerade Linie an, so können wir durch sie und den Punkt eine Ebene festlegen. Wir ziehen die Normale dieser Ebene und zwar positiv auf derjenigen Seite der Ebene, auf welcher ein dem Strome zugewandter Beobachter aufrecht stehend den positiven Strom von rechts nach links vorbeifliessen sieht. Wir bezeichnen mit den Cosinus des Winkels, den die Richtung der positiven Normale mit der Richtung der positiven einschliesst. Dann ist zu bemerken, dass für Fig. 39 dieser Cosinus positiv oder negativ ist, je nachdem das Bogenelement einem in die Umschliessung eintretenden Parallelogramm angehört oder einem austretenden. Für Fig. 40 gilt die entgegengesetzte Zeichenregel.
Ein solches Parallelogramm hat die Seiten und . Seine Projektion auf der Himmelskugel ist ein Parallelogramm, dessen Grundlinie und Höhe resp.
und |
sind. Man sieht also, dass der Flächeninhalt der Projectionsfigur auf der Himmelskugel (abgesehen vom Vorzeichen)
ist. Dieses Product hat nun aber dasselbe Vorzeichen wie . Folglich ist für Fig. 39 das Product positiv oder negativ, je nachdem das dadurch ausgedrückte Flächenelement in die Umschliessung eintritt oder aus ihr heraustritt. Und die entgegengesetzten Zeichen ergeben sich bei Fig. 40. Man bringt also in jedem Falle das betreffende Element richtig in Rechnung, wenn man das Product selbst nimmt mit dem ihm eigenen Vorzeichen. Folglich ergibt sich
(1) |
und
(2) |
Hier sind und absolut zu nehmen. Aus der Gleichung (2) können wir auf die Kraftcomponente schliessen, mit welcher ein einzelnes Stromelement die im Punkte concentrirte positive Einheit der magnetischen Masse in der Richtung der wachsenden in Angriff nimmt. Diese Kraftcomponente in der Richtung der wachsenden ist nemlich
In derselben Weise finden sich die Kraftcomponenten in der Richtung der wachsenden und resp. der wachsenden :
Daraus geht hervor, dass die Gesammtkraft, welche das Stromelement auf den Punkt ausübt, in die Richtung von fällt, d. h. in die positive Normale der Ebene, welche durch das Stromelement und den Punkt festgelegt wird. Die Grösse dieser Kraft ist
(3) |
Die positive Normale tritt aus der Ebene in denjenigen Raum, in welchem man auf der Ebene aufrecht stehend den positiven Strom von rechts nach links an sich vorüberfliessen sieht.
Diese Regel setzt uns in den Stand, nach Grösse und Richtung die Kräfte anzugeben, welche von den sämmtlichen Stromelementen eines geschlossenen galvanischen Stromes oder auch von mehreren Strömen auf die im Punkte befindliche Einheit der positiven magnetischen Masse ausgeübt werden. Die einzelnen Kräfte setzen sich nach dem Gesetze vom Parallelogramm zusammen.
Wir betrachten, wie vorher, einen geschlossenen lineären Strom und legen eine Fläche , so dass die in sich zurücklaufende Strombahn deren alleinige und vollständige Begrenzung bildet (Fig. 41). Als positive Seite der Fläche nehmen wir diejenige, welche dem Beobachter zugekehrt sein muss, damit er den positiven Strom in der Drehungsrichtung des Uhrzeigers fliessen sehe. Nach dem magnetischen Maass gilt für die Stromintensität die Gleichung:
(1) |
Integral in (1) einzuschlagenden Integrationsweg durchläuft, so hat man die Fläche zur linken Hand. Oder mit anderen Worten: vor einem Beobachter, der auf der positiven Seite der Fläche aufrecht steht, führt der Integrationsweg von rechts nach links vorbei.
Ist von der Zeit unabhängig, so gibt es die algebraische Summe der Elektricitätsmengen an, welche in der Zeiteinheit von der negativen auf die positive Seite von übergehen, vermindert um die algebraische Summe derjenigen Mengen, welche in derselben Zeit von der positiven zur negativen Seite übergehen. Diesen Ueberschuss berechnet man also nach der Gleichung (1), indem man das Integral
(2) |
in der vorgeschriebenen Richtung durch die Begrenzung von erstreckt. Dies gilt auch dann, wenn die Fläche von der Strombahn nicht durchschnitten wird. Denn in solchem Falle ist sowohl die durch hindurchgehende Elektricitätsmenge als auch das Integral (2) gleich Null.
Sind mehrere galvanische Ströme vorhanden, welche als Componenten der magnetischen Kräfte liefern
|
so ist nach dem Gesetz vom Parallelogramm zu schreiben:
(3) |
|
und es gilt dann allgemein der Satz:
Das Integral
von rechts nach links durch die Begrenzung von erstreckt, gibt an, wie viel grösser die Elektricitätsmenge ist, welche in der Zeiteinheit von der negativen Seite auf die positive Seite von übertritt, als diejenige, welche während derselben Zeit in der entgegengesetzten Richtung durch die Fläche hindurchgeht.
Wir wollen den Satz des vorigen Paragraphen auf unendlich kleine Flächenelemente anwenden. Wir betrachten zunächst ein ebenes Rechteck, dessen Seiten und resp. zu den Axen der und der parallel laufen. Der dem Anfangspunkte zunächst gelegene Eckpunkt soll die Coordinaten haben. Die Ebene des Rechtecks liegt normal gegen die z-Axe. Die specifische Stromintensität in der Richtung dieser Axe ist . Folglich geht die Gleichung (1) des vorigen Paragraphen hier in folgende über
Nun ist aber
|
Folglich geht das Integral über in
und die Gleichung (1) des vorigen Paragraphen lautet jetzt
Zwei entsprechende Gleichungen erhält man, wenn durch den Punkt noch zwei ebene Flächenelemente normal gegen die Axen der und der gelegt werden. Die Resultate lauten:
(1) |
(2) |
(3) |
Diese Gleichungen können dazu dienen, für die Stelle die spezifischen Stromintensitäten zu berechnen, wenn die Componenten der von den galvanischen Strömen ausgeübten magnetischen Kraft gegeben sind.
Es werde umgekehrt die Aufgabe gestellt, die Componenten der von den galvanischen Strömen ausgeübten magnetischen Kraft zu bestimmen, wenn für jede Stelle des Raumes die spezifischen Stromintensitäten gegeben sind. Es handelt sich also darum, die Functionen so zu bestimmen, dass sie den partiellen Differentialgleichungen genügen:
(1) |
(2) |
(3) |
Die spezifischen Stromintensitäten sind nur innerhalb der von Strömen durchflossenen Leiter von Null verschieden und im ganzen übrigen Raume gleich Null. Da wir voraussetzen, dass die magnetischen Kräfte nur von den galvanischen Strömen herrühren sollen, nicht aber von magnetischen Massen, so ist im ganzen un-
endlichen Raume die partielle Differentialgleichung (6) des §. 65 erfüllt, nemlich:
(4) |
Noch ist anzumerken, dass in unendlicher Entfernung die magnetischen Kräfte gleich Null sind:
(5) |
Die Gleichungen (1), (2), (3) sind nicht völlig unabhängig von einander. Sie erfüllen die Bedingungsgleichung
Um nun unsere Aufgabe zu lösen, eliminiren wir zunächst und . Dies geschieht dadurch, dass wir in Gleichung (4) nach , in (3) nach , in (2) nach differenziren und die Resultate links und rechts addiren. Auf diese Weise ergibt sich:
Durch Vergleichung mit §. 13, (4) gelangt man zu einer mechanischen Interpretation des gewonnenen Resultates. Danach darf man wie die von einer anziehenden schweren Masse herrührende Potentialfunction ansehen, wenn im Punkte die Dichtigkeit der Masse
ist. Es ergibt sich also ohne weiteres:
(6) |
und in entsprechender Weise:
(7) |
(8) |
In diesen Gleichungen bedeutet das an den Punkt anstossende Raumelement, ist die Entfernung des Punktes vom Punkte und sind die Compononten der magnetischen Kraft, welche auf die im Punkte concentrirte positive Einheit der magnetischen Masse ausgeübt wird. Die Integrationen in (6), (7), (8) sind über die sämmtlichen von galvanischen Strömen durchflossenen Leiter auszudehnen.
Die Aufgabe des vorigen Paragraphen lässt sich auch noch auf einem anderen Wege lösen. Wir setzen
(1) |
|
Diese Ausdrücke sind so beschaffen, dass sie die Gleichung (4) des vorigen Paragraphen von selbst erfüllen. Die Gleichungen (1), (2), (3) des vorigen Paragraphen geben jetzt:
(2) |
|
Durch diese partiellen Differentialgleichungen sind die Functionen noch nicht völlig bestimmt. Denn angenommen, man habe eine Lösung gefunden, so bezeichne man mit irgend eine Function von , die mit ihren Derivirten endlich und stetig variabel ist. Dann genügen auch die Functionen
den partiellen Differentialgleichungen (2) und geben vermöge der Gleichungen (1) für dasselbe wie die Lösung . Und umgekehrt, wenn man ausser der Lösung noch eine andere Lösung gefunden hat, so sind die Differenzen
|
die partiellen Derivirten einer und derselben Function , resp. nach , nach , nach genommen. Denn aus den Gleichungen (2) ergibt sich für diese Differenzen:
Diese partiellen Differentialgleichungen sind erfüllt, wenn man setzt:
|
Darin spricht sich aber aus, dass die Differenzen die resp. nach genommenen Derivirten einer und derselben Function sind.
Um nun die Functionen völlig zu bestimmen, darf man noch eine Gleichung hinzufügen. Wir wählen die Gleichung:
(3) |
Durch sie gehen die Gleichungen (2) in folgende über:
(4) |
|
Diesen partiellen Differentialgleichungen genügen die Lösungen:
(5) |
|
Hier bedeuten die spezifischen Stromintensitäten im Punkte , es ist das an diesen Punkt anstossende Raumelement und die Entfernung desselben Punktes von dem Punkte . Mit sind die Werthe von in dem letztgenannten Punkte bezeichnet. Die Integrationen hat man über alle von Strömen durchflossenen Leiter auszudehnen.
Wir gehen zu der Behandlung einer Aufgabe über, die in der Theorie des Erdmagnetismus von Wichtigkeit ist.
Im Innern eines einfach zusammenhangenden Körpers sind magnetische Massen vorhanden, deren Vertheilung man nicht kennt. Es sollen aber für jeden Punkt im äusseren Räume die Componenten der von jenen Massen ausgeübten magnetischen Kraft bekannt sein. Diese Componenten sind die partiellen Derivirten einer Potentialfunction , die bis auf eine additive Constante für jeden Punkt des äusseren Raumes eindeutig bestimmt ist. Der Werth der additiven Constanten ergibt sich aus der Bedingung, dass in unendlicher Entfernung die Function den Werth Null hat.
Im äusseren Räume ist die Function nebst ihren sämmtlichen Derivirten überall endlich und stetig variabel, und sie genügt an jeder Stelle des äusseren Raumes der partiellen Differentialgleichung
(1) |
Nun lässt sich die Function in unendlich mannichfaltiger Weise ins Innere des gegebenen Körpers stetig fortsetzen, d. h. so, dass sie im Innern endlich und stetig variabel ist, und dass sie in jedem Punkte der Oberfläche den dort gegebenen Werth annimmt. Jede
solche Fortsetzung liefert dann für einen inneren Punkt im allgemeinen einen anderen Werth der Summe
(1) |
Diese Summe, durch dividirt, gibt aber die magnetische Dichtigkeit in dem betreffenden Punkte an. Es gibt also, wie man sieht, unendlich viele Vertheilungen magnetischer Massen im Innern des Körpers, so beschaffen, dass sie die im ganzen äusseren Räume vorgeschriebenen magnetischen Wirkungen zu Stande bringen.
Nun kann man aber den Fall besonders ins Auge fassen, dass im ganzen inneren, wie im äusseren Räume keine magnetischen Massen und keine galvanischen Ströme vorhanden sind. Es entstehen dabei zwei Fragen, nemlich:
1) Können die im äusseren Räume vorgeschriebenen magnetischen Wirkungen dadurchhervorgebrachtwerden, dassin der Oberflächedes Körpers keinegalvanischen Ströme, sondern nur magnetische Massen vertheilt sind?
2) Können jene Wirkungen dadurch zu Stande kommen, dass in der Oberfläche des Körpers keine magnetischen Massen, sondern nur galvanische Ströme auftreten?
Jede dieser beiden Fragen ist besonders zu behandeln. Es wird sich finden, dass in dem einen wie in dem anderen Falle eine einzige bestimmte Vertheilung des Magnetismus, resp. der Ströme das Verlangte leistet.
Zunächst sind die Bedingungsgleichungen aufzustellen, in denen sich ausspricht, dass im Innern des Körpers keine magnetischen Massen und keine galvanischen Ströme vorhanden sind. Dazu wird erfordert, dass im Innern des Körpers an jeder Stelle
(2) |
sei, und dass ebenfalls im Innern an jeder Stelle die drei Gleichungen erfüllt seien:
(3) |
|
In Folge dieser Gleichungen (2) und (3) sind im Innern des Körpers die partiellen Derivirten einer Function , nemlich:
(4) |
und diese Function genügt im Innern des Körpers der partiellen Differentialgleichung (1).
Wir bezeichnen mit die Oberfläche des Körpers. In einem Punkte derselben werde die Normale nach aussen und nach innen gezogen, und eine auf derselben abgetragene Strecke nach aussen positiv, nach innen negativ gerechnet. Durch resp. soll ausgedrückt werden, dass es sich um einen Punkt auf der Normale handelt, welcher ausserhalb, resp. innerhalb des Körpers unendlich nahe an der Oberfläche liegt. Die Werthe der Function und ihrer ersten Derivirten in einem solchen Punkte mögen durch den angehängten Index resp. bezeichnet werden. Es ist zu bemerken, dass und für jeden Punkt der Oberfläche bekannt sind.
Zunächst sollen die im äusseren Räume gegebenen magnetischen Wirkungen dadurch hervorgebracht werden, dass magnetische Massen nur in der Oberfläche des Körpers vertheilt sind, und keine galvanischen Ströme auftreten.
Dies Problem lässt sich folgendermaassen formuliren:
Die Function ist für jeden Punkt im äusseren Räume gegeben. Sie ist daselbst mit allen ihren Derivirten überall endlich und stetig variabel und genügt der partiellen Differentialgleichung (1) des vorigen Paragraphen. Die Function soll für das Innere des Körpers so bestimmt werden, dass sie darin der partiellen Differentialgleichung
(1) |
Genüge leiste, dass sie nebst ihren Derivirten im Innern endlich und stetig variabel sei, und dass an jeder Stelle der Oberfläche
(2) |
sei.
Die Gleichung (1) sagt aus, dass im Innern keine magnetischen Massen und keine Ströme, die Gleichung (2), dass in der Oberfläche keine Ströme vorhanden sind.
Diese Aufgabe ist im §. 21 gelöst, und im §. 34 ist bewiesen, dass es immer eine und nur eine Auflösung gibt. Hat man dieselbe gefunden, so ergibt sich die Dichtigkeit der magnetischen Massen in einem Punkte der Oberfläche nach §. 65 (9) aus der Gleichung:
(3) |
Wir gehen zu der zweiten Aufgabe über. Die im äusseren Raume gegebenen magnetischen Wirkungen sollen dadurch zu Stande kommen, dass galvanische Ströme nur in der Oberfläche des Körpers auftreten und nirgends magnetische Massen vorhanden sind.
Diese Aufgabe formulirt sich wie folgt:
Die Function ist für jeden Punkt im äusseren Räume in derselben Weise gegeben, wie bei der vorigen Aufgabe. Ihre Fortsetzung soll für das Innere des Körpers so bestimmt werden, dass sie darin der partiellen Differentialgleichung
(1) |
Genüge leistet, dass sie nebst ihren Derivirten im Innern endlich und stetig variabel sei, und dass an jeder Stelle der Oberfläche
(2) |
sei.
Die Gleichung (1) sagt aus, dass im Innern keine magnetischen Massen und keine Ströme, die Gleichung (2), dass in der Oberfläche keine magnetischen Massen vorhanden sind.
Aus der Gleichung (1) folgt noch
(3) |
wenn das Integral über die Oberfläche des Körpers erstreckt wird. Um dies zu beweisen, errichten wir im Punkte der Oberfläche nach innen zu die Normale und bezeichnen eine von jenem Punkte aus darauf abgetragene Strecke mit , so dass ist für negative Werthe von . Durch Anwendung des in §. 19 (4) entwickelten Hülfsatzes erhält man
Dabei ist das Integral links über den ganzen Körper, das Integral rechts über seine Oberfläche auszudehnen. Beachtet man aber die Gleichungen (4) des §. 79, so lässt sich die letzte Gleichung so schreiben:
Nun ist aber vermöge der Gleichung (l) die linke Seite gleich Null. Es ist ferner
(4) |
Setzt man dieses ein, so erlangt man die zu beweisende Gleichung (3).
Es kommt nun darauf an, zu beweisen, dass es immer eine, und nur eine Function gibt, die den aufgestellten Bedingungen Genüge leistet. Zu dem Ende bezeichnen wir mit eine einwerthige Function von über die nichts weiter festgesetzt wird, als dass sie selbst und ihre ersten Derivirten im Innern des Körpers überall endlich und stetig variabel sein sollen. Solcher Functionen gibt es unendlich viele. Folglich kann auch das über den Körper ausgedehnte Integral
(5) |
unendlich viele verschiedene Werthe annehmen. Welche Function man aber auch nehmen möge, immer wird der Werth von positiv und endlich ausfallen. Das Erste ergibt sich aus der Form des Integrals, das Andere folgt unmittelbar aus der Voraussetzung. Wir wollen nur solche Functionen in Betracht ziehen, von denen
keine zwei in constantem Verhältniss zu einander stehen. Diese Beschränkung wird eingeführt durch die Nebenbedingung, dass das Oberflächen-Integral
(6) |
sein soll. Unter verstehen wir eine von Null verschiedene Constante, deren Grösse vorläufig unbestimmt bleiben möge.
Bezeichnen wir eine von den unendlich vielen Functionen u \, mit v \,, so lässt jede andere sich in die Form bringen
wenn eine passend zu wählende Constante bedeutet und eine Function, die im Innern des Körpers an dieselbe Bedingung geknüpft ist wie die Functionen , mit der aus (6) hervorgehenden Nebenbedingung, dass das Oberflächen-Integral
(7) |
Da die Werthe von endlich und positiv sind, so gibt es unter den Integralen (5), bei denen die Nebenbedingung (6) erfüllt ist, mindestens ein Minimum. Wir bezeichnen mit die Function, welche dieses Minimum zu Stande bringt. Dann lässt sich jede andere Function in die Form bringen
und wenn man nun unendlich klein annimmt, so lautet die Bedingung des Minimum
(8) |
Das Integral lässt sich in derselben Weise entwickeln wie in §. 34. Wir erhalten
(9) |
|
Auf der rechten Seite dieser Gleichung wollen wir den zweiten Bestandteil nach §. 20 transformiren. Es findet sich
(10) |
|
Nun kommen aber nur solche Functionen in Betracht, welche die Nebenbedingung (7) erfüllen. Um diese mit zu berücksichtigen, multipliciren wir ihre beiden Seiten mit einer vorläufig noch unbestimmten constanten Grösse , ferner mit und verbinden das Resultat mit (10) durch Addition. Dadurch findet sich, dass bei Gültigkeit der Gleichung (7) die Gleichung (9) in folgende übergeht:
(11) |
|
Dies gilt für jeden Werth der Constanten . Soll für ein unendlich kleines die Bedingung (8) erfüllt sein, so muss der Inbegriff dessen, was auf der rechten Seite von (11) mit multiplicirt ist, gleich Null gesetzt werden. Dazu ist nöthig und hinreichend, dass
(12) |
sei an jeder Stelle im Innern des Körpers und
(13) |
in jedem Punkte seiner Oberfläche.
Setzen wir dann
(14) |
so genügt die Function allen aufgestellten Bedingungen.
Die Constante ist von dem Werthe der Grösse abhängig, jedenfalls aber von Null verschieden. Denn angenommen, es wäre so müsste vermöge der Gleichung (13) in jedem Punkte der Oberfläche sein. Man hätte also, wenn man dies und die Gleichung (12) beachtet:
Die linke Seite dieser Gleichung geht aber durch die Transformation des §. 20 hervor aus dem Integral
Dieses Integral müsste also den Werth Null haben, was nicht anders möglich ist, als wenn man setzt. Hieraus würde aber ohne weiteres folgen:
nach Gleichung (3), und das steht mit der Nebenbedingung (6) im Widerspruch. Demnach muss von Null verschieden sein.
Es bleibt noch zu beweisen, dass es ausser keine andere Function gibt, welche unter der Bedingung (6) das Integral (5) zu einem Minimum macht. Angenommen, es wäre eine Function, die dies leistete, so würde sie die Bedingung erfüllen;
(15) |
wenn hier die Constante unendlich nahe an 1 genommen wird. Nun ist aber nach den Gleichungen (11), (12) und (13):
|
Folglich lautet die Bedingung (15) jetzt:
(16) |
Man darf aber die Constante welche hier unendlich nahe an 1 liegen soll, nicht bloss grösser, sondern auch kleiner als 1 nehmen, und deshalb kann die Bedingung (16) nur dadurch erfüllt werden,
dass man setzt:
d. h. |
Sieht man von einer willkürlichen additiven Constanten ab, so ist demnach die einzige Function, welche unter Innehaltung der Nebenbedingung (6) das Integral (5) zu einem Minimum macht.
Endlich kann man noch den Zusammenhang zwischen und aufsuchen. Es ist schon bewiesen, dass
Das dreifache Integral links ist das Minimum . Auf der
rechten Seite fällt das dreifache Integral heraus wegen der Gleichung (12). Zieht man also noch die Gleichung (13) heran, so geht die letzte Gleichung über in
d. h. in
Da wir über noch disponiren können, so dürfen wir
setzen und erhalten aus (14):
(17) |
Es gibt also, abgesehen von einer additiven Constanten, nur eine Function , welche den zu Anfang dieses Paragraphen aufgestellten Bedingungen Genüge leistet.
Der Satz ist nur dann gültig, wenn der gegebene Körper einfach zusammenhangend ist.
Um die Elektricitätsmenge zu finden, welche in der Zeiteinheit durch die Curve 1 2 von ihrer negativen auf die positive Seite mehr überströmt als umgekehrt, haben wir nach §. 75 das Integral
in positiver Richtung durch die Begrenzung von zu erstrecken. Es ergibt sich für den Integrationsweg 1 2 ausserhalb des Körpers:
und für den Integrationsweg 2 1 innerhalb:
Setzen wir also
(1) |
so erhalten wir
(2) |
auf die andere Seite wie umgekehrt. Das kommt auf dasselbe hinaus, als ob man sagt: durch eine solche Linie geht gar keine Elektricität hindurch. Diese Linien sind also die Strömungslinien. Für zwei solche Linien:
|
gibt die Differenz
die Stromintensität der zwischen ihnen sich bewegenden Elektricität an.
Es ist zu bemerken, dass die Function ebenso mit einer willkürlichen additiven Constanten behaftet ist wie die Function des vorigen Paragraphen. Auf die Differenz übt aber diese Constante gar keinen Einfluss, weil sie in Minuend und Subtrahend dieselbe ist. Es gibt also nur ein System von Strömungslinien und zwischen irgend welchen zwei Linien dieses Systems nur eine bestimmte Stromintensität.
Nehmen wir in der Oberfläche ein unendlich kleines Linienelement , so ist
die Elektricitätsmenge, welche in der Zeiteinheit normal gegen das Linienelement von der negativen auf die positive Seite desselben übertritt, vermindert um die Elektricitätsmenge, welche in derselben Zeiteinheit in entgegengesetzter Richtung hindurchgeht. Diese Grösse, dividirt durch , nennen wir die specifische Stromintensität in der gegen das Linienelement normalen Richtung. Bezeichnen wir dieselbe mit , so ist demnach
(3) |
Die Erde ist ein einfach zusammenhangender Körper. Auf sie lassen sich also die Untersuchungen der §§. 70 bis 82 anwenden. Um die im äusseren Raume beobachteten magnetischen Wirkungen auf ihren Grund zurückzuführen, kann man unendlich viele verschiedene Vertheilungen magnetischer Massen im Innern der Erde annehmen. Dieselben lassen sich aber ersetzen durch eine einzige Vertheilung magnetischer Fluida an der Oberfläche oder durch eine einzige Anordnung galvanischer Ströme an der Oberfläche.
Die Vertheilung von magnetischen Flüssigkeiten an der Oberfläche der Erde ist nur eine ideale. Dagegen können die galvanischen Ströme in der Oberfläche wirklich vorhanden sein. Wollte man die äusseren magnetischen Wirkungen allein aus magnetischen Massen im Innern der Erde erklären, so müssten dieselben in enormen Quantitäten vorhanden sein. Dagegen reichen schon sehr schwache galvanische Ströme in der Oberfläche hin, um jene äusseren magnetischen Wirkungen hervorzubringen. Nur muss für die Ströme eine fortdauernde elektromotorische Kraft nachgewiesen werden.
Wir wollen jetzt einen mehrfach zusammenhangenden Körper genauer betrachten. Ein Körper heisst einfach zusammenhangend, wenn sich in keiner Weise eine Schnittfläche hindurchlegen lässt, durch welche er nicht in völlig getrennte Stücke zerfiele. Lässt sich ein Körper durch Schnittflächen in einen einfach zusammenhangenden verwandeln, so nennen wir ihn fach zusammenhangend. Für einen solchen Körper ist auch der äussere Raum mehrfach zusammenhangend, und zwar wie jener fach, falls der Körper selbst vollständig begrenzt im endlichen Gebiete liegt.
durchschnitten wird, und dass keine zwei Linien, die in einem Knotenpunkte zusammenstossen, einen Winkel von genau 180° einschliessen (Fig. 45).
Die ebene Hülfsfigur besteht nun aus einem Polygon, dessen sämmtliche Eckpunkte Knotenpunkte sind, und welches die übrigen Knotenpunkte in seinem Innern enthält. Ein Theil der gezogenen Linien bildet die Begrenzung des Polygons, die übrigen liegen im Innern und zerlegen dasselbe in eine noch näher zu bestimmende Anzahl einzelner Figuren.
Zerschneidet man jede Linie der Figur 45 an einer zwischen den Knotenpunkten liegenden Stelle und schreibt vor, dass beim stetigen Durchlaufen des Liniensystems keine Schnittstelle überschritten werden darf, so zerfällt dasselbe in n einfach zusammenhangende Systeme, von denen jedes einen Knotenpunkt in sich enthält. In der That kann man von jedem Knotenpunkte aus auf allen von dort auslaufenden Linien sich stetig fortbewegen, auf jeder aber nur bis an die Schnittstelle. Lässt mau nun einen Schnitt fallen, so werden dadurch die beiden einfach zusammenhangenden Systeme, welche daselbst an einander stossen, zu einem einzigen einfach zusammenhangenden Systeme vereinigt. Oder mit anderen Worten: durch die Aufhebung eines Schnittes wird die Anzahl der einfach zusammenhangenden Liniensysteme um 1 vermindert. Will man also nur ein einziges einfach zusammenhangendes System behalten, so muss man Schnitte beseitigen. Das gegebene Liniensystem wird demnach durch Schnitte im Innern der Linien in ein einfach zusammenhangendes System verwandelt. In Fig. 45 seien nun äussere Knotenpunkte vorhanden, folglich auch äussere Begrenzungslinien. Um die Anzahl der einzelnen Figuren zu betimmen [10], in welche das -Eck durch die inneren Linien zerlegt wird, ziehen wir in jeder Figur, die mehr als drei Seiten hat, von einem Punkte aus die Diagonalen. (Sie sind in Fig. 46 punktirt.)
Dadurch zerfallen die inneren Figuren in lauter Dreiecke, deren Anzahl leicht aus ihrer Winkelsumme bestimmt werden kann. Die Summe der Winkel an den äusseren Knotenpunkten ist nemlich
und an den inneren Knotenpunkten
Folglich haben wir
Dreiecke und
innere Dreiecksseiten. Dabei ist jede innere Linie der Fig. 46 doppelt gezählt. Die Anzahl dieser inneren Linien ist also
In der ursprünglichen Fig. 45 sind aber nur
innere Linien vorhanden. Folglich hat man in Fig. 46
punktirte Linien, die wieder weggenommen werden müssen, wenn man auf die ursprüngliche Figur zurückkommen will. Durch jede weggenommene punktirte Linie werden zwei benachbarte Figuren zu einer einzigen vereinigt. Die Anzahl der einzelnen Figuren, in welche das -Eck der Fig. 45 durch die inneren Linien zerlegt wird, ist demnach
Nun entspricht jedem Schnitt im Innern der Linien von Fig. 45 eine Querschnittsfläche im Innern des gegebenen Drahtsystems. Dasselbe wird also durch Querschnittsflächen in einen einfach zusammenhangenden Körper verwandelt. Jeder einzelnen einfachen Figur in 45 entspricht eine Querschnittsfläche im äusseren Raume. Die Anzahl dieser Querschnittsflächen ist demnach auch . Sind sie alle vorhanden, so besitzt der äussere Raum noch vollen Zusammenhang. Denn man kann von einem Punkte auf der einen Seite irgend eines Querschnittes nach allen Punkten auf der einen wie auf der andern Seite jedes Querschnittes gelangen, ohne den äusseren Raum zu verlassen. Wollte man aber im äusseren Raume noch eine neue Querschnittsfläche legen, so
würde er dadurch in zwei getrennte Stücke zerfallen. Der gegebene Körper und der äussere Raum sind also beide -fach zusammenhangend.
Aus dem Gange des Beweises ersieht man zugleich, dass der gegebene Körper in mannichfaltiger Weise in einen einfach zusammenhangenden zerlegt werden kann. Die Anzahl der Querschnitte ist aber bei allen Zerlegungen dieselbe.
Nach dieser Einschaltung kehren wir zu der Untersuchung des §. 81 zurück.
Die Aufgabe des §. 81 soll jetzt unter der Voraussetzung behandelt werden, dass der gegebene Körper fach zusammenhangend ist.
Wir zerlegen zunächst den äusseren Raum durch Querschnittsflächen in einen einfach zusammenhangenden und setzen fest, dass alle Verschiebungen, die mit einem Punkte im äusseren Raume vorgenommen werden, völlig innerhalb dieses einfach zusammenhangenden Raumes liegen sollen, d. h. dass keine Verschiebung durch die Oberfläche des gegebenen Körpers oder durch irgend eine der Querschnittsflächen schneidend hindurchgehen darf. Nach §. 79 (4) ist
an jeder Stelle des äusseren Raumes ein vollständiges Differential. Erstreckt man also das Integral
(1) |
aus unendlicher Entfernung nach dem im äusseren Raume gelegenen Punkte , so ist der Werth desselben unabhängig von dem Integrationswege, wenn nur dieser Weg seiner ganzen Erstreckung nach in dem einfach zusammenhangenden äusseren Raume liegt. Die Function ist demnach innerhalb des genannten Raumes eine einwerthige, überall endliche Function des Ortes, deren Werthe bei jeder zulässigen stetigen Verschiebung des Punktes sich stetig ändert.
Für zwei Punkte, die einander unendlich nahe auf entgegengesetzten Seiten irgend eines der Querschnitte liegen, hat die Function Werthe von endlicher Differenz. Man findet diese Differenz, indem man das Integral
von dem einen Punkte nach dem andern hin längs eines Integrationsweges erstreckt, welcher völlig innerhalb des einfach zusammenhangenden äusseren Raumes liegt. Für einen und denselben Querschnitt ist die Differenz
constant, an welcher Stelle dieses Querschnittes man auch die beiden unendlich nahe gelegenen Punkte nehmen möge. Denn zieht man längs eines Querschnittes zwei einander unendlich nahe gelegene Linien, die eine auf der positiven, die andere auf der negativen Seite des Querschnittes, so habe in irgend einem Punkte der einen Linie die Componenten resp. dieselben Werthe wie in dem unendlich nahe gelegenen Punkte der andern Linie.
Die constanten Werthe, welche die Differenz
zu beiden Seiten der Querschnitte besitzt, sind nach der Natur der Aufgabe bekannt. Wir wollen sie mit bezeichnen.
Soll nun die Function gemäss den Bedingungen (1) und (2) des §. 81 in das Innere des gegebenen Körpers fortgesetzt werden, so kann man dazu genau den dort eingeschlagenen Weg wieder durchmachen. Aber die Function, welche sich dabei ergibt (sie soll hier mit bezeichnet werden), ist nicht mehr die einzige Lösung der Aufgabe. Man kann nemlich noch eine Function hinzufügen, welche willkürliche constante Grössen als lineär auftretende Factoren enthält. Wir stellen durch Querschnittsflächen im Innern des gegebenen Körpers einfachen Zusammenhang her, und gehen darauf aus, die Function den folgenden Bedingungen gemäss zu bestimmen. Es soll
(2) |
sein im ganzen Innern. Es soll
(3) |
sein für jeden Punkt der Oberfläche dos fach zusammenhangenden Körpers. Dabei ist mit die nach innen gezogene Normale dieses Punktes gemeint. Es soll
(4) |
sein für je zwei Punkte, die einander unendlich nahe auf entgegengesetzten Seiten des Querschnittes liegen. Es soll endlich für denselben Querschnitt
(5) |
sein, wenn wir mit eine Strecke bezeichnen, die von einem Punkte des Querschnittes aus auf der Normale abgetragen ist, positiv nach der einen, negativ nach der andern Seite.
Im Uebrigen soll die Function nebst ihren Derivirten überall endlich und stetig variabel sein innerhalb des ganzen fach zusammenhangenden Raumes, in welchen der gegebene fach zusammenhangende Körper durch den Querschnitt verwandelt wird.
Diese Aufgabe ist im §. 60 gelöst. Man braucht nur die dort vorkommende Grösse zu beiden Seiten des Querschnittes und durch den ganzen Körper hindurch constant zu nehmen. Es ist ferner bewiesen, dass die Aufgabe nur eine Lösung zulässt. Nimmt man jetzt der Reihe nach , so erhält man verschiedene Functionen
bei denen die Gleichungen (2), (3), (4), (5) erfüllt sind. Die in (4) vorgeschriebene Unstetigkeit tritt für jede Function nur an einem der Querschnitte ein und für jede an einem besondern.
Wir setzen nun
(6) |
im Innern des gegebenen Körpers. Da die im äusseren Raume gegebene Function bei der Herstellung von nach §. 81 ihren Einfluss (wenn man sich so ausdrücken darf) bereits völlig geltend gemacht hat, so muss jetzt nothwendig für den äusseren Raum
(7) |
genommen werden. Dann genügt die Function
(8) |
den folgenden Bedingungen. Sie stimmt im ganzen äusseren Räume mit der dort gegebenen Function überein. Sie erfüllt im äusseren Raume wie im Inneren des gegebenen Körpers die partielle Differentialgleichung (2). Für jeden Punkt in der Oberfläche des fach zusammenhangenden Körpers ist
(9) |
Beim Durchgange durch die Querschnitte von der negativen auf die positive Seite ändert sich die Function sprungweise um die constanten Grössen . Uebrigens ist sie nebst ihren ersten Derivirten endlich und stetig variabel im Innern des einfach zusammenhangenden Körpers, welcher durch die Querschnitte zu Stande gebracht ist. Für zwei unendlich nahe gelegene Punkte auf verschiedenen Seiten des Querschnitts hat die Derivirte in der Richtung der wachsenden Normale denselben Werth.
Da die Coefficienten völlig willkürlich sind, so gibt es in der Oberfläche eines mehrfach zusammenhangenden Körpers unendlich viele verschiedene Stromvertheilungen, von denen jede die im äusseren Raume vorgeschriebenen magnetischen Wirkungen hervorbringt.
Hat man ein bestimmtes System von Constanten angenommen, so ergeben sich die Strömungslinien und die Stromintensitäten durch Anwendung des in §. 82 entwickelten Verfahrens. Man hat dabei zweierlei Arten von Strömen zu unterscheiden. Setzt man nemlich die sämmtlichen Constanten gleich Null, woraus auch folgt, so erhalt man eine einzige Anordnung von Strömen, von denen allein die äusseren magnetischen Wirkungen herrühren. Setzt man dagegen , so erhält man für jedes bestimmte System von Constanten eine Stromvertheilung, von der im äusseren Raume gar keine magnetischen Wirkungen ausgeübt werden. Es geht dies unmittelbar aus der Gleichung (7) hervor. Wir wollen den einfachsten Fall, nemlich , im nächsten Paragraphen noch näher betrachten.
Wir nehmen zwei Punkte, die einander unendlich nahe auf entgegengesetzten Seiten des Querschnittes liegen und verbinden sie durch eine Linie, die ganz innerhalb des einfach zusammenhangenden äusseren Raumes verläuft. Diese Linie kann man zur Begrenzung einer Fläche machen, welche die Oberfläche des Ringes in irgend einer Linie des zweiten Systems durchschneidet. Wir stellen uns auf derjenigen Seite der Fläche auf, auf welcher ein positiver Umlauf durch die Begrenzung von der negativen auf die positive Seite von führt. Um die Elektricitätsmenge zu finden, welche in der Zeiteinheit von unten nach oben durch
die eben gelegte Fläche mehr hindurchströmt als von oben nach unten, haben wir nach §. 75 das Integral
durch die Begrenzungslinie zu erstrecken, und zwar von der negativen bis auf die positive Seite von . Der Werth dieses Integrals ist
Nun lässt sich aber im äusseren Raume wie im Innern des Ringes
setzen und dabei bemerken, dass im ganzen äusseren Raume
ist. Dadurch erhält man die Gleichung
(1) |
Diese Gleichung würde unverändert bleiben, wenn man überall setzen wollte. Geht also ein Strom, dem die Function angehört, an einer Stelle durch eine Linie des zweiten Systems hindurch, so tritt er an derselben oder an einer anderen Stelle wieder auf die ursprüngliche Seite zurück. Folglich lassen sich die Linien des zweiten Systems auf der Oberfläche des Ringes (und mit ihnen die Begrenzung des Querschnittes ) so zurechtschieben, dass sie zu Strömungslinien der Ströme zweiter Art werden. Ihre Gleichungen sind in der allgemeinen Form enthalten
(2) |
und es bedeutet den Werth der Function im Innern des Ringes unendlich nahe an seiner Oberfläche.
Auf demselben Wege findet sich, dass die Linien des ersten Systems, passend angeordnet, Strömungslinien der Ströme erster Art sind. Sie werden festgelegt durch Gleichungen von der Form
(3) |
wobei und die Werthe von in zwei Punkten sind, die einander unendlich nahe auf der äusseren und der inneren Seite der Ringoberfläche liegen.
Die magnetischen Wirkungen im äusseren Raume rühren bloss von den Strömen her, die in den Bahnen (3) fliessen. Die Ströme, denen die Strömungslinien (2) angehören, üben im äusseren Raume keine magnetische Wirkung aus.
Wir können die Wechselwirkung zwei permanenter Magnete bestimmen, indem wir ihr Potential auf einander bilden. Es sei in irgend einem Raumelement des ersten Magnets die magnetische Masse , in einem Raumelement des zweiten Magnets die magnetische Masse vorhanden. Diese Massen und sollen von der Zeit unabhängig sein. Dann ist
(1) |
die Potentialfunction des ersten Magnets auf die im Punkte concentrirt gedachte positive magnetische Einheit. Es ist ferner
(1) |
die Potentialfunction des zweiten Magnets auf die im Punkte concentrirt gedachte positive magnetische Einheit. Dabei bezeichnet die Entfernung eines Punktes in dem mit der magnetischen Masse , resp. , erfüllten Raumelemente von dem Punkte . Die Integration erstreckt sich in (1) über den ganzen ersten, in (2) über den ganzen zweiten Magnet.
Das Potential der beiden Magnete auf einander wird ausgedrückt durch die Gleichung
(3) |
Hier bedeutet die Entfernung zweier Punkte, von denen der eine dem mit , der andere dem mit erfüllten Raumelemente angehört. Die Integration in (3) ist über beide Magnete auszudehnen. Durch Vergleichung der Formeln (1), (2), (3) erkennt man, dass P sich in der doppelten Weise ausdrücken lässt:
(4) |
(5) |
Die Gleichung (4) ist so zu verstehen, dass der in (2) vorkommende Punkt in das mit erfüllte Raumelement des ersten Magnets verlegt ist. In (5) hat man dagegen den in
(1) vorkommenden Punkt in das mit erfüllte Raumelement des zweiten Magnets zu verlegen. Die Integration erstreckt sich in (4) über den ersten, in (5) über den zweiten Magnet.
Wir wollen dazu übergeben, die elektromagnetische Wechselwirkung zwischen einem constanten lineären galvanischen Strome und einem Magnet zu betrachten. Wir brauchen nur eine Fläche zu construiren, welche die Strombahn zur Begrenzung hat, und diese Fläche, sowie eine unendlich nahe liegende, nach §. 72 mit magnetischer Masse zu belegen. Dadurch erhalten wir einen Magnet, welcher nach aussen dieselbe magnetische Wirkung übt wie der gegebene Strom.
In einem Punkte der Fläche errichten wir nach einer Seite die Normale und bezeichnen mit eine auf ihr von jenem Punkte aus gezählte Strecke. Dann hat man zu setzen:
für
|
Hier bezeichnet die Intensität des lineären Stromes, eine unendlich kleine Länge und ein Element der Fläche .
Ist also die Potentialfunction des gegebenen Magnets, so haben wir
(1) |
|
Statt können wir noch die Potentialfunction der von dem galvanischen Strome ausgeübten magnetischen Kraft einführen. Es ist nemlich (§. 71) nach magnetischem Maasse
Folglich ergibt sich
(2) |
Bei einer unendlich kleinen Verschiebung des Magnets ändert sich der Werth von . Die Aenderung gibt die Arbeit an, welche die von dem Strome ausgeübten magnetischen Kräfte zu leisten haben, um jene Verschiebung zu Stande zu bringen. Nach dem Satze von der Gleichheit der Wirkung und Gegenwirkung findet sich umgekehrt die Wirkung des Magnets auf den Strom.
Wir haben im §. 86 die Wechselwirkung zwischen zwei Magneten betrachtet. In §. 87 ist für den ersten Magnet ein constanter galvanischer Strom an die Stelle gesetzt. Man kann aber auch noch statt des andern Magnets einen constanten Strom nehmen. Dann handelt es sich um die Wechselwirkung zwischen zwei constanten Strömen. Insofern die dabei geleistete Arbeit zur Bewegung der Ströme mit den Stromleitern verbraucht wird, nennen wir die Wechselwirkung die elektrodynamische.
Es soll jetzt die Funktion hergestellt werden, deren unendlich kleine Aenderung die elektrodynamische Elementar-Arbeit angibt, welche bei einer unendlich kleinen Verschiebung der beiden Ströme geleistet wird.
Wir können dabei von der Gleichung (2) des vorigen Paragraphen ausgehen, haben aber jetzt als die Potentialfunction der magnetischen Kraft anzusehen, welche von einem lineären galvanischen Strome ausgeübt wird. Im Punkte sind die Componenten dieser Kraft
(1) |
und es ist zu beachten, dass überall ausserhalb des lineären Stromes, von dem sie herrühren, endlich und stetig variabel sind. Nun findet sich
und folglich kann man die Gleichung (2) des vorigen Paragraphen jetzt so schreiben:
(2) |
|
Betrachtet man aber die beiden Seiten der Fläche als einen Theil der Begrenzung des unendlichen Raumes (die übrige Begrenzung ist eine unendlich entfernte Kugelfläche), so kann man auf der positiven, wie auf der negativen Seite von die Normale nach dem Innern dieses Raumes hin ziehen. Auf der Seite der positiven hat man , auf der Seite der negativen dagegen . Die Gleichung (4) gibt demnach jetzt:
(3) |
wenn die Integration über beide Seiten der Fläche ausgedehnt wird.
Dieses Integral lässt sich durch ein Raum-Integral, ersetzen. Bezeichnen wir nemlich mit den unendlichen Raum, welcher eine unendlich entfernte Kugelfläche und die beiden Seiten der Fläche zur Begrenzung hat, so findet sich nach §. 19 (4), dass das über den unendlichen Raum ausgedehnte Integral
gleich ist dem Oberflächen-Integral
wenn dieses über die beiden Seiten der Fläche und über die unendlich ferne Kugelfläche erstreckt wird. Nun sind aber in unendlicher Entfernung sowohl als gleich Null. Das Integral über die Kugelfläche fällt also weg, und wir erhalten
(4) |
Die Integration in (4) ist über den ganzen unendlichen Raum auszudehnen.
Wir können noch weiter transformiren. Durch Ausführung der Differentiation ergibt sich nemlich
|
Da aber von einem lineären galvanischen Strome herrühren, so ist in dem ganzen unendlichen Raume ausserhalb des Stromleiters
Es ist ferner die Potentialfunction der magnetischen Kraft, welche der erste lineäre galvanische Strom ausübt, folglich
Danach kann man statt der Gleichung (4) auch
(5) |
setzen, und das Integral erstreckt sich über den ganzen unendlichen Raum.
Die Gleichung (5) des vorigen Paragraphen bleibt auch dann gültig, wenn der erste Leiter nicht lineär ist. Denn wir können jeden geschlossenen nichtlineären Strom als ein System von lineären Strömen auffassen. Dabei würde resp. an die Stelle treten für und an die Stelle für . Nachher kann man dann wieder die Summen mit einfachen Buchstaben bezeichnen, so dass die Formel (5) wieder zu Stande kömmt.
Ebenso kann man auch den zweiten Strom nichtlineär nehmen. Die Gleichung (5) des vorigen Paragraphen bleibt dabei in unveränderter Form gültig. Nur hat man jetzt unter die Componenten der gesammten magnetischen Kraft zu verstehen, welche der nichtlineäre erste Strom ausübt, und unter die Componenten der gesammten magnetischen Kraft, die der nichtlineäre zweite Strom ausübt.
Wir können nun auf die Gleichungen (1) des §. 78 zurückgehen. Durch sie lässt sich der Ausdruck (5) des vorigen Paragraphen so transformiren:
(1) |
Hier erscheint es zweckmässig, die Integration nach Theilen anzuwenden. Wir erhalten
Um das bestimmte Integral zu ermitteln, hat man auf beiden Seiten die Grenzen einzusetzen. Dabei verschwindet rechts der vom Integralzeichen freie Bestandtheil. Denn es ist für sowohl als gleich Null. Man erhält also
In derselben Weise lassen sich die übrigen Bestandtheile auf der rechten Seite von (1) umformen. Es ergibt sich danach
Die Integration ist noch zu vereinfachen. Es sind nemlich die Differenzen
|
nur im Innern des zweiten Leiters von Null verschieden [§. 66, (2), §. 77, (1), (2), (3)]. Bezeichnen wir also mit ein Raumelement des zweiten Leiters, so erhalten wir jetzt
(2) |
und die Integration erstreckt sich nur über den Raum des zweiten Leiters.
Die Functionen sind durch die Gleichungen (5) des §. 78 ausgedrückt. Es ist nemlich
(3) |
|
Hier beziehen sich nur auf die magnetischen Kräfte, die von dem ersten Strome ausgeübt werden. Folglich hat man in den Gleichungen (3) unter ein Raumelement im Innern des ersten Leiters zu verstehen. Es sind die Componenten der specifischen Stromintensität in einem Punkte dieses Raumelementes, und ist der Abstand desselben Punktes von dem Punkte . Die Integrationen in (3) erstrecken sich nur über den Raum des ersten Leiters.
Bezeichnen wir ferner mit die Componenten der specifischen Stromintensität in einem Punkte des zweiten Leiters, so haben wir nach den Gleichungen (1), (2), (3) des §. 77
(4) |
|
Wir führen dies zunächst in Gleichung (2) ein und erhalten
(5) |
Die Integration ist über den Raum des ganzen zweiten Leiters auszudehnen.
In derselben Weise hätte man auch zu dem Ausdrucke gelangen können:
(6) |
Hier hängen mit den magnetischen Kräften zusammen, die der zweite Strom ausübt, und es sind die Componenten der specifischen Stromintensität in einem Punkte im Innern des ersten Leiters. Die Integration in (6) hat man über den Raum des ersten Leiters auszudehnen.
Setzt man in (5) für ihre Ausdrücke ein aus (3), so ergibt sich
Dafür lässt sich kürzer schreiben:
(7) |
Die Bedeutung des Ausdruckes
ist leicht zu erkennen. Es ist nemlich, wenn i die gesammte specifische Stromintensität in einem Punkte von bezeichnet, nach §. 54, (9):
|
Dem entsprechend erhalten wir
|
wenn die gesammte specifische Stromintensität in einem Punkte von bezeichnet. Demnach ist
|
und die Gleichung (7) geht schliesslich in die folgende über:
(8) |
Wir kehren zu dem speciellen Falle von zwei constanten geschlossenen lineären Strömen zurück. Der erste Leiter (Fig. 48) ist ein in sich zurücklaufender Draht vom Querschnitt . Die im Innern
des Drahtes normal gegen alle Querschnitte verlaufende Axe ist eine Curve, deren Länge von einem festen Punkte aus bis zum Punkte mit bezeichnet werden möge. Der zweite Leiter ist ebenfalls ein in sich zurücklaufender Draht. Sein Querschnitt werde mit bezeichnet. Auf der Axe wählen wir einen festen Ausgangspunkt und einen beweglichen Punkt . Der zwischen beiden liegende Bogen der Axe habe die Länge .
Die Querschnitte und sollen im Vergleich zu den Drahtlängen so klein sein, dass in allen Punkten eines und desselben Querschnittes die specifische Stromintensität constant und überall normal gegen den Querschnitt gerichtet ist. Wir bezeichnen dieselbe im Punkte des ersten Leiters mit , im Punkte des zweiten Leiters mit .
Hiernach sind und Functionen von , und es sind , und Functionen von . Für constante lineäre Ströme gilt der §. 61. Es ist also
und hier sind und constant.
Im vorliegenden Falle ist und . Folglich lautet jetzt die Gleichung (8) des vorigen Paragraphen
oder kürzer
(1) |
Der Winkel ist derselbe, wie der Winkel, welchen die Bogenelemente und mit einander einschliessen. Folglich haben wir
(2) |
Ferner ist zu beachten, dass
daraus findet sich
(3) |
Gibt man hierauf Acht, so lässt sich statt der Gleichung (1) auch schreiben:
(4) |
oder, was auf dasselbe hinauskommt:
(5) |
Den Ausdruck (4) kann man transformiren. Die unbestimmte Integration nach Theilen gibt
|
Setzt man die Grenzen ein, so fällt der vom Integralzeichen freie Theil heraus, da die Integration durch die geschlossene Linie auszudehnen ist. Folglich erhalten wir
(6) |
Nun ergibt sich aus dem Ausdrucke für durch Differentiation
|
Andererseits ist . Durch Vergleichung finden wir
|
Bezeichnet man mit und die Winkel, welche die Richtung der von nach führenden Linie mit den Richtungen des wachsenden und des wachsenden einschliesst, so erkennt man leicht, dass die beiden letzten Gleichungen auch so geschrieben werden können:
(7) |
Folglich geht die Gleichung (6) in die neue Form über:
(8) |
Die Winkel und sind in Fig. 48 bezeichnet.
Aus der Function lässt sich die Kraft finden, mit der die beiden Stromelemente und auf einander wirken. Wir bezeichnen mit die abstossende Kraft, welche und in der Richtung von auf einander ausüben. Denken wir uns, dass während der unendlich kleinen Zeit die Entfernung sich um geändert habe, so ist die bei der Verschiebung der Elemente und geleistete Arbeit
und die Gesammtarbeit bei der Verschiebung beider geschlossenen Leiter
Diese Gesammtarbeit ist gleich der Aenderung von . Wir haben also die Gleichung
(1) |
Nun berechnet sich aber aus der Gleichung (5) des vorigen Paragraphen
Der zweite Bestandtheil auf der rechten Seite ist noch durch Integration nach Theilen umzuformen. Man erhält, indem man unbestimmt integrirt:
Setzt man die Grenzen ein, so verschwindet der freie Theil, weil die Integration durch den geschlossenen zweiten Leiter erstreckt wird. Man hat also
Wir transformiren weiter. Bei unbestimmter Integration ist
Setzt man hier die Grenzen ein, so verschwindet wieder der freie Theil. Denn es ist hier die Integration durch den geschlossenen ersten Leiter ausgedehnt. Also hat man schliesslich
und es ist deshalb
(2) |
Nun finden wir durch Differentiation
folglich
Setzen wir dies in den Ausdruck für ein und beachten die Gleichungen (1) und (2), so ergibt sich
(3) |
Wir bezeichnen den Winkel mit . Dann lässt mit Rücksicht auf die Gleichungen (2), (3) und (7) des vorigen Paragraphen die eben gewonnene Gleichung (3) sich auch so schreiben:
(4) |
Dies ist das von Ampère gefundene Gesetz der elektrodynamischen Wechselwirkung zwei lineärer Stromelemente.*)[11]
Wir haben bisher die elektromagnetische Wechselwirkung zwischen einem Magnet und einem galvanischen Strome, sowie die elektrodynamische Wechselwirkung zwischen zwei galvanischen Strömen betrachtet. Die Erscheinungen, um die es sich handelt, bestehen darin, dass die bei jenen Wechselwirkungen geleistete Arbeit dazu verbraucht wird, die ponderabeln Träger des Magnetismus und resp. der galvanischen Ströme mit zu bewegen. Es vollführen also die magnetischen Fluida und ihr ponderabler Träger eine gemeinschaftliche Bewegung, und ebenso der galvanische Strom und sein ponderabler Leiter.
Hier sind es die zwischen Magnet und Strom, resp. zwischen zwei Strömen auftretenden Kräfte, welche eine Aenderung in der relativen Lage der ponderabeln Träger bewirken. Umgekehrt wird zu erwarten sein, dass eine Aenderung der gegenseitigen Lage, die den ponderabeln Trägern ertheilt wird, eine neue Scheidung der Elektricitäten, also die Erregung neuer Ströme zur Folge haben könne.
Dass eine solche Erscheinung in Wirklichkeit eintritt, hat zuerst Faraday*)[12] experimentell nachgewiesen. Man hat diese Art der Stromerregung mit dem Namen Induction belegt.
Wenn ein unbewegter Magnet auf die in einem unbewegten Leiter strömende Elektricität einwirkt, so erfahren positive und negative Elektricität einen gleichen und gleich gerichteten Antrieb. Kehrt man die Stromrichtung um, so bleibt die Grösse des Antriebes dieselbe, die Richtung geht in die entgegengesetzte über. In beiden Fällen übertragen die beiden Elektricitäten den ihnen eingeprägten gemeinsamen Bewegungs-Impuls auf den Leiter, und dieser folgt dem Impulse, wenn er beweglich ist.
Man kann dies so erklären, dass die Einwirkung, welche ein ruhender Magnet auf die in einer bestimmten Richtung strömende Elektricität von einerlei Art ausübt, in doppelter Weise in die entgegengesetzte Einwirkung verwandelt werden kann. Einmal, indem man die Richtung beibehält und statt der strömenden Elektricität die entgegengesetzte Art an die Stelle setzt. Das andere mal, indem man die Elektricitätsart beibehält und die Strömungsrichtung umkehrt.
Ist diese Erklärung richtig, so lässt sich voraussagen, was eintreten wird, wenn in einem geschlossenen Leiter positive und negative Elektricitäten in entgegengesetzten Richtungen strömen, und man nun den Leiter gegen den Magnet (oder den Magnet gegen den Leiter, oder beide gegen einander) bewegt. Hier haben wir eine relative Lagenänderung, welche für positive und negative Elektricität von einerlei Richtung und Grösse ist. Folglich werden die ungleichnamigen Elektricitäten von Seiten des Magnets entgegengesetzte Einwirkungen erfahren. Die positive und die negative Elektricität werden in entgegengesetzten Richtungen aus einander getrieben: es findet Scheidung statt.
Das Experiment hat gezeigt, dass dieser Erfolg wirklich eintritt.
Dasselbe Resultat kömmt zu Stande, wenn der Magnet durch einen constanten galvanischen Strom ersetzt wird.
Hier ist es die relative Bewegung des Leiters gegen den inducirenden Magnet oder den inducirenden Strom, welche in jenem Leiter den Inductionsstrom hervorruft. Es kann aber auch bei unveränderter gegenseitiger Lage eine Induction stattfinden, wenn nemlich in dem inducirenden Magnet die Vertheilung des Magnetismus, resp. in dem inducirenden Strome die Stromintensität eine Aenderung erleidet.
Je nachdem die Induction von einem Magnet oder von einem galvanischen Strome ausgeübt wird, hat man sie mit verschiedenen Namen belegt. Man nennt sie im ersten Falle magnet-elektrische Induction, im zweiten Falle Volta-Induction.
Wir betrachten insbesondere die Volta-Induction für den Fall, dass die beiden Stromleiter lineär sind. In dem einen Leiter sei ein Strom von der Intensität , in dem anderen von der Intensität vorhanden. Um das Gesetz der Volta-Inductiun zu erforschen, untersuchen wir zunächst nach Anleitung des §. 90 die geleistete elektrodynamische Arbeit. Wir müssen deshalb von constanten Strömen ausgehen. Denn für solche constante Ströme haben wir in den §§. 88 bis 91 eine Function hergestellt, deren Aenderung die elektrodynamische Arbeit angibt, welche bei einer unendlich kleinen Verschiebung der Stromleiter geleistet wird. Ein lineärer constanter Strom ist ein solcher, dessen Stromintensität constant ist. Unter einem nichtlineären constanten Strome wollen wir einen solchen verstehen, bei welchem an jeder Stelle des Leiters die specifische Stromintensität von der Zeit unabhängig ist.
Für zwei lineäre constante Ströme gehen wir auf die Gleichung (5) des §.90 zurück, nemlich:
(1) |
Dabei haben wir mit den Factor bezeichnet, welcher nur von der Gestalt und der gegenseitigen Lage der Leiter abhängt, nemlich:
(2) |
Die während des Zeitelementes von bis verrichtete elektrodynamische Arbeit ist
(3) |
d. h. gleich dem Zuwachs, welchen in jenem Zeitelement erleidet, insofern und constant genommen werden. Diese Arbeit wird geleistet durch die Wechselwirkung der in dem einen und in dem anderen Leiter in Strömung begriffenen elektrischen Theilchen. Sie ist aber nicht die einzige Arbeit, welche vermöge der Wechsel-
wirkung der beiden galvanischen Ströme während des Zeitelementes geleistet wird, sondern es kommt, wie wir sehen werden, noch elektromotorische Arheit hinzu.
Vorab ist es wichtig zu bemerken, dass unter Umständen die in dem Zeitelement von bis verrichtete elektrodynamische Elementararbeit selbst dann noch durch (3) ausgedrückt wird, wenn die Stromintensitäten und nicht constant sind. Wir wollen und variabel nehmen, aber die Annahme machen, dass zu jeder Zeit die Zunahmen von und , welche während des nächstfolgenden Zeitelementes zu Stande kommen, unendlich klein sind. In diesem Falle darf man nemlich die Zunahmen von und so auffassen, als ob sie in dem Moment nach Ablauf jenes Zeitelementes plötzlich zu Stande kämen. Dann gelten während des Zeitintervalles von bis die Stromintensitäten und als constant, und die während des genannten Zeitintervalles geleistete elektrodynamische Elementararbeit wird in der That wieder durch (3) ausgedrückt.
Wir wollen jetzt darauf ausgehen, den Begriff des Potentials zu erweitern. Bis dahin haben wir unter dem Potential eine Function verstanden, welche nur von den Coordinaten der bewegten Theilchen abhängig ist, deren Ausdruck die Zeit explicite nicht enthält, und deren Differenz für eine Anfangslage und eine Endlage der bewegten Theilchen die Arbeit angibt, welche bei der Ueberführung aus der Anfangs- in die Endlage geleistet ist. Bei dem Vorhandensein eines Potentials ist dann also die geleistete Arbeit nur abhängig von der Anfangs- und der Endlage der Theilchen und unabhängig von den Wegen, die aus der Anfangs- in die Endlage führen. Es gilt der Satz von der Erhaltung der lebendigen Kraft.
Der Begriff des Potentials soll nun unter Beibehaltung der wesentlichen Bedeutung dieser Function dahin erweitert werden, dass sie ausser von den Coordinaten auch noch von den Geschwindigkeiten der bewegten Theilchen abhängig sein soll, dass aber ihr Ausdruck nach wie vor die Zeit explicite nicht enthält. In diesem Falle ist die Arbeit, welche bei der Ueberführung aus der Anfangs- in die Endlage geleistet worden, allein abhängig erstens von der Anfangs- und der Endlage der Theilchen und zweitens von ihren Anfangs- und Endgeschwindigkeiten. Sie ist aber unabhängig von den durchlaufenen Wegen und von den Geschwindigkeiten während dieses Laufs. Es gilt wieder der Satz von der Erhaltung der lebendigen Kraft.
Die elektrodynamische Arbeit, welche bei veränderlichen Stromintensitäten in dem Zeitintervall von 0 bis geleistet wird, ist
Diese Arbeit setzt sich durch Summirung aus allen Elementararbeiten zusammen. Die Summe ist aber nicht bloss abhängig von der Anfangs- und Endlage und von den Anfangs- und Endgeschwindigkeiten der Theilchen. Wenn also die elektrodynamische Arbeit die einzige Arbeit wäre, welche durch die Wechselwirkung der beiden galvanischen Ströme geleistet würde, so wäre bei veränderlichen Stromintensitäten kein Potential vorhanden, und es wäre der Satz von der Erhaltung der lebendigen Kraft nicht gültig.
Nun ist aber schon hervorgehoben, dass vermöge der Wechselwirkung der beiden galvanischen Ströme auch noch elektromotorische Arbeit verrichtet wird, nemlich die Arbeit, durch welche die Inductionsströme in beiden Leitern zu Stande kommen. Diese Arbeit zu erforschen, ist unsere eigentliche Aufgabe.
Wir wollen annehmen, die gesammte Arbeit, welche vermöge der Wechselwirkung der beiden Ströme geleistet wird, sei so beschaffen, dass (in dem erweiterten Sinne des Wortes) ein Potential vorhanden ist. Mit anderen Worten: wir stellen die Hypothese auf, dass bei den Bewegungen, welche auf der Wechselwirkung der beiden Ströme beruhen, der Satz von der Erhaltung der lebendigen Kraft in Gültigkeit sei.
Dann muss die im Zeitelement verrichtete elektromotorische Arbeit, von der die Inductionsströme herrühren, zu der Arbeit (3) hinzugefügt, eine Summe geben, die ein vollständiges Differential ist, und zwar das vollständige Differential einer Function, die explicite nur von den Coordinaten und von den Geschwindigkeiten der bewegten elektrischen Theilchen abhängig ist.
Der verlangte Beitrag zu dem Ausdrucke (3) ist
(4) |
Die Summe der beiden Ausdrücke (3) und (4) ist das vollständige Differential der Function
(5) |
welche der Function entgegengesetzt gleich ist.
Der Beitrag (4) besteht aus zwei Theilen, von denen jeder als elektromotorische Arbeit aufzufassen ist. Es lässt sich leicht zeigen, dass der erste Bestandtheil die elektromotorische Arbeit im ersten Leiter und der zweite Bestandtheil die elektromotorische Arbeit im zweiten Leiter ausdrückt.
Wir dürfen nemlich nicht vergessen, dass auch von den äusseren elektromotorischen Kräften und von den Kräften der freien Elektricität Arbeit geleistet wird. Bezeichnen wir mit und die Integralwerthe dieser elektromotorischen Kräfte resp. für den ersten und zweiten Leiter, und beachten, dass hier die Gleichung (7) des §. 61 Gültigkeit hat, so findet sich die ganze elektromotorische Arbeit, welche in dem Zeitintervall von bis geleistet wird:
Dieser Ausdruck ist leicht zu interpretiren. Es ist
der Integralwerth der gesammten elektromotorischen Kraft im ersten Leiter, und
hat dieselbe Bedeutung für den zweiten Leiter. Von und resp. rühren die beharrlichen Ströme her. Folglich ist
(6) |
der Integralwerth der elektromotorischen Kraft für den Inductionsstrom im ersten Leiter, und es ist
(7) |
der Integralwerth der elektromotorischen Kraft für den Inductionsstrom im zweiten Leiter.
Darin spricht sich das von Neumann*)[13] aufgestellte Gesetz der Volta-Induction für zwei geschlossene lineäre Leiter aus. Die Erfahrung hat dasselbe als richtig bestätigt.
Der Satz des vorigen Paragraphen lässt sich ohne weiteres auf zwei nichtlineäre geschlossene Ströme übertragen. Man hat nur anzunehmen, dass die specifischen Stromintensitäten an jeder Stelle des ersten wie des zweiten Leiters im Zeitelement nur unendlich kleine Aenderungen erfahren, und die Hypothese aufzustellen, dass die gesammte Arbeit, welche im Zeitelemente von der Wechselwirkung der beiden galvanischen Ströme herrührt, das vollständige Differential einer Function sei, welche die charakteristischen Eigenschaften eines Potentials (im weiteren Sinne) besitzt.
Um dies einzusehen, braucht man nur zu bedenken, dass man den einen wie den anderen nichtlineären Strom je als ein System von lineären Strömen auffassen kann.
Es wiederholt sich hier der Gedankengang des vorigen Paragraphen. Für die Function haben wir in §. 89 [Gleichungen (5), (6), (7)] die Ausdrücke gefunden:
(1) |
Wir wollen nun diese Function auch für den Fall betrachten, dass die specifischen Stromintensitäten von der Zeit mit abhängig sein können. Dann kommt es auf die Aenderungen an, welche die Function im Zeitelemente unter den verschiedenen zulässigen Voraussetzungen erleidet. Es werde mit die Aenderung bezeichnet, welche zu Stande kömmt, wenn die specifischen Stromintensitäten in beiden Leitern als unabhängig von angesehen werden, mit die Aenderung, welche davon herrührt, dass man die specifischen Stromintensitäten nur im zweiten Leiter von der Zeit unabhängig nimmt, und mit die Aenderung, welche sich ergibt, wenn die specifischen Stromintensitäten nur im ersten Leiter von unabhängig genommen werden. Endlich soll das vollständige Differential von sein, welches in dem Zeitelement zu Stande kommt, wenn die gegenseitige Lage der Elemente des ersten und zweiten Leiters und die specifischen Stromintensitäten an jeder Stelle beider Leiter in jenem Zeitelement unendlich kleine Aenderungen erleiden.
Dann haben wir zunächst
(2) |
Setzt man die beiden Ströme als constant voraus, so wird nach §. 89 in dem Zeitintervall von bis die elektrodynamische Elementararbeit
(3) |
geleistet. Dieser Ausdruck für die elektrodynamische Elementararbeit bleibt auch dann noch richtig, wenn an jeder Stelle des einen wie des anderen Leiters die specifischen Stromintensitäten in dem Zeitelemente unendlich kleine Aenderungen erleiden. In diesem Falle ist kein vollständiges Differential und folglich für die elektrodynamische Arbeit allein kein Potential vorhanden. Nun werden aber auch noch in beiden Leitern elektromotorische Arbeiten verrichtet, welche von der Wechselwirkung der beiden galvanischen Ströme herrühren.
Wir stellen die Hypothese auf, dass für die gesammte Arbeit, welche vermöge der Wechselwirkung der beiden galvanischen Ströme geleistet wird, ein Potential existirt. Um diese Gesammtarbeit zu finden, haben wir also zu (3) einen solchen Beitrag hinzuzufügen, dass die Summe ein vollständiges Differential ist. Dieser Beitrag ist
(4) |
und die Summe ist dann das vollständige Differential von .
Folglich ist
(5) |
das Potential der Wechselwirkung der beiden galvanischen Ströme.
Die gesammte Arbeit zerlegt sich in drei Bestandtheile, nemlich
erstens: die elektromotorische Arbeit im ersten Leiter
zweitens: die elektromotorische Arbeit im zweiten Leiter
drittens: die elektrodynamische Arbeit beider Ströme auf einander
Nachdem wir das Potential der Wechselwirkung der beiden galvanischen Ströme kennen gelernt haben, wollen wir diese Wechselwirkung zu erklären versuchen aus der Wechselwirkung der einzelnen elektrischen Theilchen.
Zu dem Ende ist es nöthig, allgemein zu erörtern, wie die Sätze der §§. 36 bis 43 abzuändern sind, wenn das Potential nicht nur von den Coordinaten, sondern auch von den Geschwindigkeiten der bewegten materiellen Punkte abhängt.
Wir betrachten ein System von bewegten materiellen Theilchen. Es sei die lebendige Kraft dieses Systems. Der Ausdruck für die zur Zeit geleistete Arbeit (das Potential) möge in zwei Theile zerlegt werden
so dass nur von den Coordinaten der Theilchen abhängig ist, ausserdem noch von den Geschwindigkeiten. Wir bezeichnen mit die Coordinaten irgend eines der materiellen Punkte und schreiben zur Abkürzung , und entsprechend die zweiten Derivirten. Die Componenten der auf den Punkt wirkenden Kraft seien . In dem Zeitelement , nach Ablauf der Zeit , wird die Arbeit geleistet
(1) |
Die Summirung ist über sämmtliche Punkte auszudehnen. Diese Arbeit ist gleich dem Zuwachs, welchen das Potential in dem Zeitelement erleidet:
(2) |
Nun haben wir aber
(3) |
(4) |
Aus der Gleichung (2) geht hervor, dass in kein Glied vorkommen darf, das nicht eine von den Geschwindigkeits-Componenten als Factor enthielte. Die Derivirte genügt dieser Bedingung. Damit dasselbe mit der Fall sei, darf in kein Glied vorhanden sein, in welchem die Geschwindigkeiten nur in
der ersten Potenz aufträten. Denn dadurch würde der zweite Bestandttheil von mit Gliedern behaftet sein, die von
frei wären. Man sieht also, dass in die Grössen mindestens in der zweiten Potenz enthalten sein müssen.
Am einfachsten nehmen wir für eine homogene Function zweiten Grades von , also
(5) |
Die Coefficienten sind Functionen der Coordinaten sämmtlicher Punkte. Die Derivirte besteht dann aus einer homogenen Function dritten Grades von und einer homogenen Function ersten Grades derselben Variabeln und die auftretenden Coefficienten sind Functionen der Coordinaten . Nun hat aber die homogene lineare Function von , welche in vorkommt, ebenso wie die Function , von selbst schon die Form (1) und lässt sich in keiner andern Weise in diese Form bringen. Dagegen kann man die in auftretende Function dritten Grades in sehr mannigfaltiger Weise in die Form (1) bringen. Aus dem Ausdruck für die Arbeit sind also die bewegenden Kräfte nicht völlig bestimmt.
Der Satz von der Erhaltung der lebendigen Kraft spricht sich aus in der Formel
Wir fragen nun, wie die Bewegung vor sich gehen müsse, damit dieser Satz in Gültigkeit sei.
Zur Beantwortung dieser Frage haben wir einen Fingerzeig im §. 43. Dort ist bewiesen:
Wenn nur von den Coordinaten abhängig ist und der Ausdruck dieser Function die Zeit explicite nicht enthält, wenn ferner eine homogene Function zweiten Grades von ist, so ist
die nothwendige und hinreichende Bedingung, damit
sei.
Hier ist nun eine Function nur von den Coordinaten , eine Function, deren Ausdruck die Zeit explicite nicht enthält, es ist eine homogene Function zweiten Grades von Folglich können wir ohne weiteres den Satz des §. 43 anwenden, der jetzt so lautet:
Wenn die Bewegung so vor sich gehen soll, dass der Satz von der Erhaltung der lebendigen Kraft
(6) |
in Gültigkeit ist, so ist die nothwendige und hinreichende Bedingung zu erfüllen:
(7) |
Diese Bedingung führt auf Differentialgleichungen von der Form (6) des §. 42. Man hat dort für unsern vorliegenden Fall nur statt und statt zu schreiben.
Es kömmt nun darauf an, den Satz des vorigen Paragraphen auf den Fall anzuwenden, dass die bewegten materiellen Punkte elektrische Theilchen, und die Kräfte, unter deren Einwirkung sie sich bewegen, ihre gegenseitigen Anziehungen und Abstossungen sind.
Für diese Aufgabe ist das Potential der Wechselwirkungen der elektrischen Theilchen, soweit es von den Geschwindigkeiten mit abhängt. Dasselbe besteht aus drei Theilen, nemlich dem Potential der beiden Ströme auf einander, dem Potential des ersten Stromes auf sich selbst, und dem Potential des zweiten Stromes auf sich selbst. Nach §. 94 (5) ist
(1) |
Wenn ein Leiter der Elektricität bewegt wird, und in ihm die elektrischen Theilchen gleichzeitig in Bewegung begriffen sind,
so kann man die Bewegung jedes solchen Theilchens in zwei zerlegt denken, nemlich die Bewegung mit dem Leiter und die relative Bewegung gegen den Leiter. Es seien
die Componenten der absoluten Geschwindigkeit des im Punkte concentrirten elektrischen Theilchens , und es seien
die Componenten der absoluten Geschwindigkeit des Leiterelementes.
Dann sind
die Componenten der relativen Geschwindigkeit des elektrischen Theilchens gegen den Leiter.
Wir bezeichnen mit die Coordinaten eines Punktes von und mit die Coordinaten eines Punktes von . Dann ist
folglich durch Differentiation
Führen wir nun eine Function ein durch die Definitions-Gleichung
(2) |
so haben wir
Dadurch lässt sich der Ausdruck (1) für in die folgende Form bringen:
(3) |
Wir beginnen mit der Integration über den ersten Leiter, also mit dem Integral
Durch Integration nach Theilen [§. 20, Gleichungen (1) und (2)] erhält man dafür
(4) |
und es ist das erste dieser beiden Integrale über den Raum des ersten Leiters, das zweite über seine Oberfläche zu erstrecken. Wir setzen aber Ströme voraus, bei denen an keiner Stelle die Dichtigkeit der freien Elektricität sich ändert [§. 57, Gleichung (1)] und bei denen die Oberfläche des Leiters isolirt ist [§. 57, Gleichung (2)]. Wir haben also
|
Hiernach vereinfacht sich das Raum-Integral in (4), und das Oberflächen-Integral fällt ganz weg. Der Ausdruck (3) geht in Folge dessen über in:
(5) |
In dieser Formel braucht man nur die Differentiation von wirklich auszuführen und die Function aus Gleichung (2) wieder einzusetzen, um den neuen Ausdruck zu erlangen:
(6) |
Für die weitere Transformation ist es von Nutzen, den Zusammenhang zwischen den specifischen Stromintensitäten und den
Componenten der Geschwindigkeit des einzelnen elektrischen Theilchens in Betracht zu ziehen. Nach §. 54, (5) ist nemlich bei der hier gebrauchten Bezeichnung
|
Die Summirung erstreckt sich über alle im Raumelemente enthaltenen elektrischen Theilchen. Nun können aber für ein und dasselbe Leiterelement die Geschwindigkeits-Compononten vor das Summenzeichen genommen werden. Und da im Innern des Leiters an keiner Stelle freie Elektricität vorhanden ist, so haben wir
(7) |
Folglich vereinfachen sich die letzten Gleichungen und wir erhalten
(8) |
|
Drei entsprechende Gleichungen ergeben sich für das Raumelement des zweiten Leiters. Mit Hülfe dieser Gleichungen geht der Ausdruck (6) über in:
(9) |
Die eine Summirung ist über alle elektrischen Theilchen des ersten, die andere über alle Theilchen des zweiten Stromes zu erstrecken.
Die Gleichung (9) lässt sich noch einfacher schreiben. Bezeichnet man nemlich die in der Zeit eintretende Aenderung von , die von der Bewegung des Theilchens herrührt, mit , die entsprechende Aenderung von , die von der Bewegung des Theilchens herrührt, mit , so findet sich schliesslich:
(10) |
Dieser Ausdruck gibt das Potential abhängig von der absoluten Bewegung der elektrischen Theilchen. Nun dürfen in (10) noch solche Glieder hinzugefügt werden, die bei der Summation sich aufheben, und durch deren Einführung bewirkt wird, dass nur noch die relative Geschwindigkeit vorkömmt.
Der Inbegriff dieser Glieder ist
(11) |
Es ist leicht einzusehen, dass diese Doppelsummne den Werth Null hat. Beginnen wir nemlich in
mit der Summirung über den zweiten Leiter, so kann der Factor aus dem inneren Summenzeichen herausgenommen werden. Für irgend ein einzelnes Element des zweiten Leiters ist constant und . Folglich liefert jedes Element des zweiten Leiters zu der Summe den Beitrag Null, und deshalb ist die ganze Summe gleich Null. In entsprechender Weise zeigen wir, dass auch der zweite Bestandtheil von (11) den Werth Null hat.
Fügen wir nun den Beitrag (11) auf der rechten Seite von (10) hinzu und schreiben
so ergibt sich
(12) |
Dieser Ausdruck kömmt zu Stande, wenn man für die Wechselwirkung der beiden einzelnen bewegten Theilchen und setzt:
(13) |
Das elektrostatische Potential der beiden Theilchen ist
(14) |
Hier muss aber beachtet werden, dass in (13) und (14) die Elektricitätsmengen nach verschiedenen Maasse gemessen sind, nemlich in D nach magnetischem, in S nach elektrostatischem Maass. Sollen beide Ausdrücke zusammengefasst werden, so müssen sie
vorher auf einerlei Maass gebracht werden. Wir können z. B. in elektrostatisches Maass einführen. Dies geschieht, indem wir in (12) und (13) statt und statt schreiben. Die Grösse ist eine durch Experiment zu bestimmende Constante. Hiernach erhalten wir schliesslich das Potential zwei elektrischer Theilchen:
(I) |
Dieser Ausdruck führt auf Weber’s Grundgesetz der Wechselwirkung zwischen zwei elektrischen Theilchen. Wir wollen dasselbe im nächsten Paragraphen ableiten.
Wir haben angenommen, dass bei der Wechselwirkung zwischen elektrischen Theilchen der Satz von der Erhaltung der lebendigen Kraft in Gültigkeit sei. Folglich geht die Bewegung so vor sich, dass der erweiterte Satz von Lagrange (§.95) erfüllt ist, neinlich
(1) |
Wir nehmen nur zwei elektrische Theilchen, die in den Punkten und concentrirt sind. Ihre Elektricitätsmengen seien und , ihre Massen und . In diesem Falle ist
Danach erhalten wir
Hier ist dieselbe Transformation wie im §. 39 auszuführen. Dadurch ergibt sich
(2) |
Ferner haben wir
Das letzte Integral ist noch zu transformiren. Die Integration nach Theilen gibt
Bei der Einsetzung der Grenzen fällt der freie Theil heraus, weil ist zu Anfang und zu Ende der Bewegung. Folglich erhalten wir
und deshalb
(3) |
|
Setzt man nun aus (2) und (3) in (1) ein, so findet sich, dass zwei elektrische Theilchen und in der Entfernung r eine Abstossung auf einander ausüben, deren Richtung in ihre Verbindungslinie fällt, und deren Grösse
ist. Dies ist Weber’s Grundgesetz.[14]
Wir kehren zu dem Ausdruck (5) in §. 94 zurück. Danach ist
für magnetisches Maass, dagegen
(1) |
für elektrostatisches Maass. Führen wir hier, mit Hülfe der Gleichungen (8) des vorletzten Paragraphen und der drei entsprechenden Gleichungen für den zweiten Leiter, sofort die Geschwindigkeiten ein, so erhalten wir
(2) |
Wir wollen wieder so transformiren, dass nur die relative Lage und die relativen Bewegungen in Betracht kommen. Es ist
(3) |
Denn wir können mit der Summirung über den zweiten Leiter beginnen. Dann tritt
vor das innere Summenzeichen. Für irgend ein beliebiges Element des zweiten Leiters ist constant. Bei der Summirung über dieses Element kann also auch als Factor vorangenommen werden. Es ist aber für jedes einzelne Element des zweiten Leiters . Folglich liefern alle einzelnen Elemente des zweiten Leiters den Beitrag Null, und deshalb ist die ganze Summe gleich Null. In entsprechender Weise zeigen wir, dass
(4) |
ist. Aus (2), (3), (4) ergibt sich dann
(5) |
Für zwei einzelne Theilchen setzen wir demnach
(II) |
Wir wollen auch mit Hülfe dieses zweiten Ausdruckes für die Wechselwirkung zwischen zwei elektrischen Theilchen berechnen. Wir gehen wie in §. 97 aus von der Formel
(1) |
in welcher der erweiterte Satz von Lagrange sich ausspricht. Wir könnten nun wieder denselben Weg einschlagen wie in §. 97. Es ist aber auch erlaubt, sofort von der Formel (6) des §. 42 Gebrauch zu machen, welche hier lautet:
(2) |
Für sind der Reihe nach die Coordinaten einzusetzen. Wir führen die Rechnung durch für . Es ist
also
Demnach haben wir jetzt
(3) |
Es findet sich aber aus der Formel (II) des vorigen Paragraphen
|
Endlich ist
Setzt man dies ein in Gleichung (3), so erhält man
(4) |
|
Ebenso findet sich
(5) |
|
(6) |
|
Ueber bewegte freie Elektricität ist es bis jetzt nicht gelungen, Versuche anzustellen.
Um die Wirkung sämmtlicher elektrischer Theilchen auf das eine Theilchen zu untersuchen, haben wir zu setzen
(1) |
wenn V die elektrostatische Potentialfunction der Theilchen auf den Punkt bezeichnet. Was betrifft, so sind die beiden Hypothesen (§§. 96 u. 98) zu unterscheiden. Nach Weber’s Formel ist
(2a) |
nach Riemann’s Formel dagegen
(2b) |
Wir wollen die letztgenannte zuerst behandeln. Werden in (2b) die Quadrate ausgerechnet, so zerlegt sich D in drei Bestandtheile, nemlich:
Bezeichnen wir die Geschwindigkeit des Teilchens mit , die Geschwindigkeit des Theilchens mit , so lässt sich kürzer schreiben:
Zur Abkürzung wollen wir setzen
|
Dann haben wir
(3) |
Die Functionen genügen der Gleichung von Laplace, folglich auch , insofern es von abhängig ist:
(4) |
Wir wollen noch die Aenderung von herstellen, die in dem Zeitelement dadurch zu Stande kommt, dass die Theilchen sich bewegen, und constant genommen werden. Es findet sich
Nun haben wir aber
folglich
und ebenso
Der Ausdruck für geht dadurch in den folgenden über
(5) |
Auf Grund dieser Differentialgleichung könnte man über die Bedeutung der Functionen eine Annahme machen. Man kann annehmen, die elektrische Wirkung werde durch einen Aether vermittelt. Vermöge der Gleichung (5) liessen sich dann als die Dichtigkeit, als die Stromintensitäten dieses Aethers ansehen.
Wir wollen für die Wirkung der sämmtlichen Theilchen auf das eine Theilchen das Potential auch nach Weber’s Theorie herstellen.
Zunächst ist wieder
(1) |
Diese Function genügt der Gleichung von Laplace. Zur Abkürzung möge für irgend eine Function die Summe der drei Derivirten
gesetzt werden. Bei dieser Bezeichnung haben wir also
(2) |
Die Function ist jetzt aus Gleichung (2a) des vorigen Paragraphen zu nehmen. Es ist nun aber
folglich
Setzen wir dies in den Ausdruck für ein, so ergibt sich
(3) |
Diese Function genügt, insofern sie von abhängig ist, nicht der Gleichung von Laplace, sondern der complicirteren Differentialgleichung
(4) |
Um das zu beweisen, setzen wir
|
Die einzelnen Summanden in sind dann, abgesehen von constanten Factoren, von der Form
Es ist aber
und es lässt sich durch Differentiation leicht beweisen, dass
|
Folglich erhalten wir einfacher
Die Factoren sind von unabhängig. Es wird also
und dies ist gleich Null, da ist. Damit ist auch die Gleichung (4) bewiesen.
Weber’s Hypothese führt also bei dem vorliegenden Problem auf eine complicirtere Differentialgleichung.
Wir wollen jetzt für das Theilchen die Bewegungsgleichungen selbst ableiten, und zwar zunächst nach Riemann’s Hypothese:
(1) |
(2) |
Für die Bewegung gilt der erweiterte Satz von Lagrange und aus ihm ergibt sich wie in §. 99, (2):
Hier sind für der Reihe nach die Coordinaten einzusetzen. Wir erhalten für in derselben Weise wie in §. 99, (3):
(3) |
Die nach genommenen partiellen Derivirten und sind von der Beschleunigung unabhängig. Wohl aber kommt die Beschleumgung vor in . Es ist nemlich
folglich
oder kürzer
wenn man mit eine Differentiation nach andeutet, bei welcher, als constant angesehen wird. Führt man dies in Gleichung (3) ein, so ergibt sich:
(4) |
Auf demselben Wege erhalten wir die beiden anderen Gleichungen:
(5) |
(6) |
Endlich sollen für das elektrische Theilchen die Bewegungsgleichungen auch aus Weber’s Formel hergeleitet werden:
(1) |
(2) |
Hier findet sich
wobei Functionen von sind, welche der partiellen Differentialgleichung genügen
Durch Differentiation nach erhalten wir
und hier ist die Function nur von den Coordinaten und
den Geschwindigkeiten abhängig. Demnach lauten die Bewegungsgleichungen:
(3) |
Hier müsste also zunächst eliminirt werden.
Der Ausdruck (12) des §. 96 ist von uns so interpretirt worden, dass der von den Geschwindigkeiten abhängige Theil des Gesammtpotentials zwei geschlossener Ströme auf einander sich durch Summirung aus lauter Einzelpotentialen zusammensetzt. Das Einzel-
potential bezieht sich überhaupt auf zwei elektrische Theilchen und . Handelt es sich um das Potential zweier Ströme auf einander, so hat man jedes Theilchen des einen Stromes mit jedem Theilchen des anderen Stromes zusammenzufassen, für jede solche Zusammenstellung das Einzelpotential zu bilden und alle Einzelpotentiale zu summiren. So kömmt aus §. 96 (13) der Ausdruck für in Gleichung (12) desselben Paragraphen richtig zu Stande, und ehenso aus (II) der Ausdruck für in Gleichung (5) des §. 98.
Soll nun aus dem Fundamentalgesetze Weber’s
(1) |
oder aus dem Fundamentalgesetze Riemann’s
(2) |
die gesammte Wechselwirkung aller elektrischen Theilchen berechnet werden, welche überhaupt in zwei geschlossenen Leitern in Ruhe und in Strömung begriffen sind, so hat man für jede Combination von zwei verschiedenen Theilchen und den Ausdruck (1) resp. (2) herzustellen und zu summiren.
Hier sind dreierlei Combinationen zu unterscheiden, nemlich zwei ruhende Theilchen, ein ruhendes und ein bewegtes Theilchen und endlich zwei bewegte Theilchen.
Wir wollen den besonderen Fall von zwei geschlossenen constanten Strömen betrachten, um zu untersuchen, ob Weber’s Grundgesetz, resp. Riemann’s Grundgesetz mit Ampère’s Gesetze im Einklang stehen oder nicht. Bei Ampère handelt es sich um die elektrodynamische Wechselwirkung zwischen zwei Stromelementen, von denen das eine dem ersten, das andere dem zweiten Strome angehört. Es kommen also hier nur die Wechselwirkungen zwischen den bewegten elektrischen Theilchen der beiden constanten Ströme in Betracht.
Nun lässt sich zunächst beweisen, dass der von herrührende Beitrag zu dem Gesammtpotential der bewegten elektrischen Theilchen gleich Null ist. Denn wir können mit einem einzelnen Theilchen zunächst alle anderen Theilchen in Combiimtion bringen. Dann tritt aus dem Summenzeichen heraus, und es ist die Summirung über alle von verschiedenen Theilchen auszudehnen. Nehmen wir zunächst die Summirung über ein Stromelement vor, so kann auch vor das Summenzeichen gebracht werden. Für beharrliche (hier: constante) Ströme ist aber in jedem Stromelemente. Alle Beiträge zu der zu bildenden Summe sind also Null. Dies gilt für die Zusammenstellung jedes einzelnen Theilchens mit den davon verschiedenen Theilchen . Folglich ist hier
(3) |
Es bleibt nur noch die Summe aller Werthe von übrig für die Combinationen von je zwei bewegten Theilchen. Diese Combinationen zerfallen in drei Gruppen, nemlich:
erstens: je ein Theilchen des ersten Stromes mit je einem Theilchen des zweiten Stromes;
zweitens: je zwei Theilchen des ersten Stromes;
drittens: je zwei Theilchen des zweiten Stromes.
Diese Gruppen liefern der Reihe nach die Potentiale, welche in §. 96 mit bezeichnet sind.
Für constante Ströme sind und constant. Gehen wir von (1) aus, so ist
(4) |
wenn die Summirung über alle Combinationen von Theilchen des ersten Stromes ausgedehnt wird.
Da der Leiter von unveränderlicher Gestalt vorausgesetzt wird, so dürfen wir ein mit demselben fest verbundenes Coordinatensystem zu Grunde legen. Dann ist bei einem constanten Strome die Function
nur abhängig von einerseits und andererseits. Nimmt man zunächst ein einzelnes und summirt über alle , so ist die Summe eine Function einzig und allein von d. h. von den Coordinaten jenes Theilchens . Bildet man aber diese Summe für jede Werthen-Combination die überhaupt zu
Punkten im Innern des Leiters gehört und fasst alle diese Summen durch Addition zusammen, so ist das Resultat constant.
Dasselbe gilt von der Summe
(5) |
wenn sie über alle Combinationen von Theilchen des ersten Stromes erstreckt wird.
Ebenso beweisen wir, dass bei constanten Strömen constant ist.
Bei constanten Strömen ist also die von den bewegten elektrischen Theilchen geleistete Gesammtarbeit gleich der Aenderung von allein. Danach zeigt sich, dass Weber’s und Riemann’s Grundgesetze mit Ampère’s Gesetze im Einklang stehen. Denn Ampère’s Gesetz bezieht sich auf constante Ströme. Ampère hat bei seinen Beobachtungen die Gleichgewichtslage beweglicher Stromleiter abgewartet, die von constanten Strömen durchflossen waren. Aus diesen Beobachtungen hat er sein Gesetz abstrahirt. Da wir nun Ampère’s Gesetz aus abgeleitet haben, und der Ausdruck für aus Weber’s und auch aus Riemann’s Grundgesetze sich herstellen lässt, so ist jener Einklang in der That nachgewiesen.[15]
WS: Die Anmerkungen dieser Seite werden auf der vorherigen Seite wiedergegeben.
Eine Magnetnadel, die um ihren Schwerpunkt frei drehbar aufgehängt ist, stellt sich an jedem Orte der Erdoberfläche in eine ganz bestimmte Richtung ein, selbst dann, wenn künstliche Magnete oder galvanische Ströme in ihrer Nähe nicht vorhanden sind. Man erklärt diese Erscheinung dadurch, dass man die Erde selbst als einen Magnet ansieht. Man nimmt an, dass im Innern der Erde magnetische Massen vorhanden sind oder galvanische Ströme im Innern, resp. an der Oberfläche der Erde, oder dass beide Ursachen neben einander auftreten und die beobachteten magnetischen Wirkungen im äusseren Raume hervorbringen. Nun lässt sich aber jeder geschlossene nichtlineäre Strom als ein System von lineären Strömen auffassen (§. 89). Und wenn es nur auf die äussere magnetische Wirkung ankömmt, so darf man (nach §. 72) den geschlossenen lineären Strom durch eine gewisse Vertheilung fingirter magnetischer Massen ersetzen.
Ohne der Allgemeinheit der Untersuchung zu schaden, nehmen wir also an, dass die magnetischen Wirkungen, welche der Erdkörper an seiner Oberfläche und im äusseren Raume ausübt, allein herrühre von einer (freilich unbekannten) Vertheilung magnetischer Massen in seinem Innern. Wir betrachten die Erde als eine Kugel vom Radius und legen in ihren Mittelpunkt den Anfangspunkt eines rechtwinkligen Coordinatensystems, dessen positive z-Axe den Nordpol treffen möge. Bezeichnet, man mit ein unendlich kleines magnetisches Massenelement im Innern der Erde, mit die Coordinaten eines Punktes an der Oberfläche oder im äusseren Raume und mit die Entfernung dieses Punktes von dem magne- tischen Element , so hat die von dem Erdmagnetismus herrührende Potentialfunction im Punkte den Werth
(1) |
Die Integration ist über alle magnetischen Massen im Innern der Erdkugel zu erstrecken. Dabei bemerken wir, dass wie bei jedem anderen Magnet auch hier die algebraische Summe der magnetischen Massen im Innern der Erde gleich Null sein muss;
(2) |
Die Vertheilung der magnetischen Massen ist uns nicht bekannt. Wir können also die Function nicht a priori aus ihrer Definitionsgleichung (1) herstellen. Wohl aber sind wir im Stande, an beliebig vielen Punkten der Erdoberfläche die auf die positive magnetische Einheit ausgeübte erdmagnetische Kraft ihrer Grösse und Richtung nach zu beobachten, und daraus lässt sich mit grösserer oder geringerer Genauigkeit der Werth der Potentialfunction in jedem Punkte der Erdoberfläche berechnen. Mit absoluter Genauigkeit, wenn man an jeder Stelle der Erdoberfläche die nach Norden gerichtete horizontale Componente der erdmagnetischen Kraft als bekannt voraussetzt.
In der That denken wir uns auf der Erdoberfläche ein System von Meridianen gezogen und auf irgend einem Meridian vom Pole aus den sphärischen Abstand genommen. Kennt man dann auf diesem Meridian für jedes (von bis ) die nördlich gerichtete horizontale Componente , so ergibt sieh durch Integration
(3) |
und die Integrationsconstante ist der Werth der Potentialfunction im Nordpol. Der Werth dieser additiven Constanten bestimmt sich, wie wir später (§. 110) zeigen werden, daraus, dass die magnetischen Massen im Innern der Erde die Bedingungsgleichung (2) erfüllen.
Kennt man also auf jedem Meridian die nördlich gerichtete horizontale Componente der erdmagnetischen Kraft, so ist auch die Potentialfunction in jedem Punkte der Erdoberfläche bekannt. Diesen Satz hat Gauss aufgestellt im Artikel 15 seiner Abhandlung: allgemeine Theorie des Erdmagnetismus.[16]
Die Voraussetzung, dass die Function in jedem Punkte der Oberfläche gegeben sei, bildet das Fundament der weiteren Untersuchung.
Wenn die Potentialfunction an jeder Stelle der Erdoberfläche gegeben ist, so lässt sie sich, wie in den §§. 21 und 34 gezeigt worden, immer in einer und nur in einer Weise in den äusseren Raum hinein fortsetzen, so dass sie in diesem äusseren Raume überall endlich und stetig variabel ist, dass sie in unendlicher Entfernung den Werth Null hat, und dass an jeder Stelle des äusseren Raumes die partielle Differentialgleichung
(1) |
erfüllt wird. Man hat als Begrenzung des Raumes (§. 21) die Erdoberfläche und eine concentrische Kugelfläche von unendlich grossem Radius zu nehmen. Diese Polentialfunction entspricht der Voraussetzung, dass im äusseren Raume keine magnetischen Massen vorhanden sind.
Im §. 79 ist nachgewiesen, dass man die Function , ausgehend von den Werthen in der Erdoberfläche, in unendlich mannichfaltiger Weise ins Innere stetig fortsetzen kann. Jede solche Fortsetzung liefert dann für einen inneren Punkt im allgemeinen einen anderen Werth des Ausdruckes
Folglich gibt es unendlich viele verschiedene Vertheilungen von magnetischen Massen im Innern der Erde, welche sämmtlich dieselbe magnetische Wirkung an der Oberfläche und im äusseren Raume ausüben, nemlich die Wirkung, welche aus der in der Oberfläche gegebenen Potentialfunction und ihrer eindeutigen Fortsetzung im äusseren Raume sich berechnet.
Im §. 80 haben wir den wichtigen Satz entwickelt, dass man die unbestimmte räumliche Vertheilung der magnetischen Massen im Innern ersetzen kann durch eine einzige, ganz bestimmte Vertheilung über die Oberfläche. Die Potentialfunction, welche von dieser fingirten Belegung der Oberfläche herrührt, soll zur Unterscheidung mit bezeichnet werden. In einem Punkte der Erdoberfläche oder des äusseren Raumes ist dann
(2) |
Im Innern der Erde ist eine einwerthige, endliche und stetige Function des Ortes, dagegen völlig unbestimmt.
den Winkel einschliessen. Dann wird die von der fingirten magnetischen Belegung der Erdoberfläche herrührende Potentialfunction im Punkte definirt durch die Gleichung:
(3) |
und es ist
(4) |
(5) |
Die Dichtigkeit ist eine Function von und . Wir haben variabel von bis und variabel von bis zu nehmen. Die Function
(6) |
ist nun freilich a priori nicht bekannt. Folglich geben uns die Gleichungen (3) und (4) auch nicht ohne weiteres die Werthe von im ganzen unendlichen Raume. Sie machen uns aber darauf aufmerksam, dass sich nach ganzen Potenzen von entwickeln lässt. Die Coefficienten der Entwicklung sind Functionen von und , deren Form wir aus den Bedingungen zu bestimmen haben, dass im äusseren Raume sowohl wie im Innern der Erdkugel der Gleichung von Laplace Genüge leisten muss und beim Durchgange durch die Erdoberfläche nicht unstetig werden darf [§. 79 (1), §. 80 (1) und (2)]. Ist hiernach die Entwicklung von vollständig durchgeführt, so treten darin unendlich viele constante Coefficienten auf, die vorläufig unbestimmt sind. Sie erhalten dadurch bestimmte Werthe, dass die so entwickelte Function an jeder Stelle der Erdoberfläche mit der dort gegebenen Potentialfunction übereinstimmen soll.
Auf diese Weise gelangt man zu einem völlig bestimmten Ausdrucke für die Function , und wenn dieser hergestellt ist, so ergibt sich die Dichtigkeit der fingirten magnetischen Belegung der Erdoberfläche mit Hülfe der Gleichung (3) des §. 80.
Nach diesem Ueberblick über den einzuschlagenden Weg gehen wir zu der Durchführung der Rechnung selbst über.
Das Element der Kugeloberfläche vom Radius lässt sich ausdrücken
Führt man dies in die Gleichung (3) des vorigen Paragraphen ein und benutzt die Gleichungen (4) und (6) desselben Paragraphen, so erhält man
(1) |
Nun können wir für entwickeln:
(2) |
|
Dagegen hat man für :
(3) |
|
Die auftretenden Coefficienten sind in beiden Entwicklungen dieselben. Es sind algebraische, rationale, ganze Functionen von , und zwar jede von dem Grade, den ihr Index angibt. Es ist nicht schwer, einen Ausdruck für zu finden. Man hat nur zu beachten, dass die Gleichungen (2) und (3) auf der einen Entwicklung beruhen
(3) |
|
wenn positiv und kleiner als genommen wird. Man kann aber schreiben
und da drr absolute Zahlwerth von kleiner als ist, so darf man auf der rechten Seite der letzten Gleichung den ersten Factor nach dem binomischen Lehrsatze entwickeln und jedes Glied der Reihe mit dem zweiten Factor ausmultipliciren. Dadurch ergibt sich
|
Hier hat man die Potenzen von mit negativen, gebrochenen Exponenten wieder nach dem binomischen Lehrsatze zu entwickeln und schliesslich nach ganzen Potenzen von zu ordnen. Auf diesem Wege findet sich
(4) |
und für jedes ganze , das grösser als ist:
(5) |
|
Hiernach dürfen wir die Coefficienten in (2) und (3) als bekannte Functionen von ansehen.[17] Für stimmen beide Entwicklungen überein. Werden die in (2) und (3) gewonnenen Reihen in die Gleichung (1) eingeführt, so ergibt sich
für einen Punkt im äusseren Raume :
(6) |
ferner für einen Punkt im Innern der Erde
(7) |
endlich für einen Punkt der Erdoberfläche
(8) |
In den drei letzten Gleichungen hat überall dieselbe Bedeutung, nemlich
(9) |
Nun ist aber eine ganze Function ten Grades von d. h. nach Gleichung (5) des vorigen Paragraphen eine ganze Function ten Grades von den drei Grossen
. Folglich gilt dasselbe in Betreff der Function . Um einen Ausdruck für zu erhalten, haben wir zu beachten, dass die Function im äusseren Raume sowohl wie im Innern der Erde der Gleichung von Laplace Genüge leisten muss. Es lässt sich dabei nach (9) und (4) vorab bemerken, dass ist.
Die Gleichung von Laplace lautet für Kugelcoordinaten [§. 29, (4)]
(1) |
Nehmen wir zunächst einen Punkt im äusseren Raume, so ergibt sich aus Gleichung (6) des vorigen Paragraphen:
Handelt es sich dagegen um einen Punkt im Innern der Erde, so berechnen wir nach Gleichung (7) des vorigen Paragraphen
Im einen wie im anderen Falle ist dies in die partielle Differentialgleichung (1) einzuführen. Die Differentiationen nach und treffen nur die Functionen . Nachdem auch diese Differentiationen vorschriftsmässig bewirkt und die Resultate der Rechnung in (1) eingesetzt sind, hat man für sich gleich Null zu setzen, was mit jeder einzelnen Potenz von multiplicirt ist. Dadurch erhält man für einen äusseren wie für einen inneren Punkt in gleicher Weise die partielle Differentialgleichung
(2) |
Eine Function , welche dieser partiellen Differentialgleichung Genüge leistet, wird eine Kugelfunction ten Ranges genannt.
Um zu einer Entwicklung dieser Function zu gelungen, erinnern wir uns daran, dass eine ganze Function ten Grades von ist, dass also in dem zu bildenden Ausdrucke nur Potenzen mit ganzen, positiven Exponenten auftreten können und überhaupt kein Exponent grösser als . Nun lassen sich aber die Potenzen von und von durch die Cosinus und Sinus der Vielfachen von ausdrücken, und da keine höhere Potenz als die te vorhanden ist, so wird auch höchstens das fache von auftreten.
Wir setzen deshalb
(3) |
und führen diesen Ausdruck in die partielle Differentialgleichung (2) ein. Dadurch ergibt sich eine Reihe, geordnet nach Cosinus und Sinus der Vielfachen von , bis zum fachen, und der Werth
dieser Reihe soll Null sein. Dazu ist nöthig und hinreichend, dass man für sich gleich Null setze, was mit und was mit multiplicirt ist, und zwar für jedes ganze von bis .
Durch Ausführung der Rechnung ergeben sich zur Bestimmung von und von die gewöhnlichen Differentialgleichungen
Beide Gleichungen sind in derselben Form enthalten, nemlich in der Form
(4) |
Nun bemerken wir, dass und in der Gleichung (3) mit und resp. multiplicirt auftreten. Dem Cosinus und dem Sinus von entspricht aber als höchste Potenz von und resp. die te Potenz. Da nun in dem Ausdrucke für die letztgenannten beiden Functionen nur in der Verbindung
und |
auftreten, so hat man sich darauf gefasst zu machen, dass in der gemeinschaftliche Factor auftreten werde.
Wir setzen also
(5) |
und erhalten zur Bestimmung der Function aus (4) die Differentialgleichung
(6) |
|
wenn zur Abkürzung gesetzt wird. Die Form dieser Gleichung weist uns darauf hin, eine Entwicklung nach absteigenden Potenzen von mit der Exponentundifferenz vorzunehmen:
(7) |
Führt man dies in (6) ein, so ist die höchste dort auftretende Potenz von . Dieselbe ist multiplicirt mit
Ferner ist dann multiplicirt mit
|
Soll aber die Gleichung (6) erfüllt sein, so ist für sich gleich Null zu setzen, was mit jeder einzelnen Potenz von multiplicirt ist. Es ist also zunächst
Dies liefert zwei Werthe von , nemlich
und |
und dem entsprechend erhalten wir zwei von einander unabhängige particuläre Integrale. Das zweite ist für unsern Zweck nicht brauchbar, da. die Exponenten von negativ sind und deshalb das Integral unendlich wird für .
Es ist ferner
|
zu setzen, oder, wenn man die Bedingung für berücksichtigt:
Danach haben wir für das erste particuläre Integral die Coefficenten-Bestimmung
(8) |
und dieses erste particuläre Integral selbst liefert die für unsern Zweck allein brauchbare Function
(9) |
|
Hiernach ergibt sich für die Entwicklung
(10) |
Die Functionen sind durch die Gleichungen (9) und (8) vollständig gegeben, und es treten in dem Aus-
drucke (10) noch die unbestimmten constanten Coefficienten auf
Eine wichtige Bemerkung ist noch über die constante Grösse zu machen. Im äusseren Raume stimmt nemlich die von dem wirklich vorhandenen Erdmagnet herrührende Potentialfunction überein mit der Function , die von der fingirten Belegung der Oberfläche herrührt und in der Gleichung (6) des vorigen Paragraphen entwickelt ist. Es gilt also für jeden Punkt im äusseren Raume die Gleichung
(11) |
Nun können wir aber (wenn die bekannte Vorzeichen-Aenderung vorgenommen wird) den Satz in Anwendung bringen, der in der Gleichung (6) des §. 18 ausgesprochen ist. Hier bedeutet dasselbe, was dort mit bezeichnet ist. Wir erhalten danach
(12) | für |
Aus (11) berechnet sich
(13) | für |
Zieht man die Gleichung (2) des §. 105 in Betracht, so ergibt sich aus (12) und (13), dass
(14) |
sein muss. Wir dürfen also in den Gleichungen (6), (7), (8) des vorigen Paragraphen die Summirung mit anfangen.
Uebrigens sieht man, dass auch für die fingirte Belegung der Oberfläche
(15) |
ist. Denn wir haben nach dem eben citirten Satze [§. 18, (6)]
für |
und da für jeden Punkt im äusseren Raume ist, so ergibt sich
und damit ist die Gleichung (15) bewiesen.
Es kommt nun vor allen Dingen darauf an, zu beweisen, dass eine Function von und , die für alle Werthe dieser Variabeln von bis und von bis einwerthig und endlich, übrigens aber ganz willkürlich gegeben ist, sich immer nach Kugelfunctionen entwickeln lässt, und dass für jede willkürlich gegebene Function nur eine solche Entwicklung möglich ist.
Zu dem Ende gehen wir auf die Gleichung (3) des §. 80 zurück, die hier so zu schreiben ist
(1) |
Für erhalten wir nach (1) und (2) des §. 107
Daraus berechnet sich für
(2) |
Dagegen haben wir für nach (1) und (3) des §. 107
Folglich ergibt sich für
(3) |
Die Gleichung (2) ist noch gültig für , die Gleichung (3) für . Setzen wir also in beiden Gleichungen und führen die in (1) vorgeschriebene Subtraction aus, so ergibt sich mit Rücksicht auf §. 106 (6) der merkwürdige Satz:
(4) |
Hier ist über die Function rein analytisch nichts weiter vorausgesetzt, als dass sie willkürlich gegeben ist, aber einwerthig und endlich für jede Werthencombination von und innerhalb der vorgeschriebenen Grenzen. Folglich gilt die Gleichung (4) für jede Function , welche diese Eigenschaft besitzt. Denn man kann jeder solchen Functiou die in §. 106, Gleichung (6) ausgesprochene physikalische Bedeutung unterlegen, und dann gelten die Entwicklungen, welche zu der Gleichung (4) dieses Paragraphen führen.
Es lässt sich also jede Function von und , die von bis und von bis willkürlich, aber einwerthig und endlich gegeben ist, in eine nach Kugelfunctionen fortschreitende Reihe entwickeln. Bezeichnen wir irgend eine solche Function mit , so ist
(5) |
Der Beweis, den wir hier für diesen wichtigen Satz gegeben haben, ist nicht rein analytisch. Es muss eben für den Gang dieses Beweises der Function eine physikalische Bedeutung untergelegt werden. Der Satz lässt sich aber auch rein analytisch beweisen. Das hat Dirichlet gethan.*) [18] Er bringt die Summe der ersten Glieder
in geschlossene Form und zeigt, dass für der Grenzwerth dieser Summe ist.
Dirichlet beweist in derselben Abhandlung noch weiter, dass für jede Function nur eine einzige Entwicklung nach Kugelfunctionen möglich ist. Auch dieser Satz ist für uns von Wichtigkeit. Er soll deshalb jetzt bewiesen werden.
Es seien und zwei beliebige Kugelfunctionen vom ten resp. vom ten Range, und es seien und von einander und von Null verschieden. Wir betrachten das Integral
(6) |
Die Function genügt der partiellen Differentialgleichung (2) des §. 108. Wenn man also das Integral (6) mit multiplicirt, so kann man ersetzen durch
Dadurch ergibt sich die Gleichung
(7) |
|
Nun findet man durch Integration nach Theilen
Der vom Integralzeichen freie Theil der rechten Seite ist Null. Denn wenn man die Gleichung (10) des §. 108 und die entsprechende Entwicklung für in Betracht zieht, so erkennt man leicht, dass jede Kugelfunction für den nemlichen Werth hat wie für , und dass dasselbe von den nach genommenen Derivirten jeder Kugelfunction gilt. Wir haben also
(8) |
Ebenso ergibt sich durch Integration nach Theilen
Der freie Theil der rechten Seite ist Null, weil für und für . Folglich haben wir
(9) |
Fasst man die Gleichungen (7), (8) und (9) zusammen, so ergibt sich
(10) |
|
Genau dasselbe, was auf der rechten Seite dieser Gleichung steht, kömmt aber zu Stande, wenn man das Integral (6) mit multiplicirt und hierauf das Product ersetzt durch
was zulässig ist vermöge der partiellen Differentialgleichung, der Genüge leistet. Man erhält also aus (10) die Gleichung
wofür man auch schreiben kann
Nach der über und gemachten Voraussetzung sind die beiden Factoren vor dem Integral von Null verschieden. Die Gleichung kann also nur dadurch erfüllt sein, dass
(11) |
ist. Der Satz gilt auch dann noch, wenn einer der beiden Indices Null ist, z. B. . Dann ist nemlich . und die Gleichung (7) lautet einfacher
|
Hier lässt auf der rechten Seite an beiden Stellen die innere Integration sich ausführen. Man erhält
|
Folglich gilt die Gleichung (11) allgemein für , auch wenn der kleinere Index Null sein sollte.
Denken wir uns den Fall, dass eine und dieselbe Function in doppelter Weise nach Kugelfunctionen sich entwickeln lasse, so würde man durch Gleichsetzung der beiden Entwicklungen erhalten:
(12) |
Setzt man , so folgt aus der Gleichung (12):
(13) |
Hier sind wieder Kugelfunctionen. Wir dürfen also von dem Satze (11) Gebrauch machen. Wir multipliciren in (13) auf beiden Seiten mit und integriren zwischen den Grenzen und für und den Grenzen und für . Dann kömmt auf der rechten Seite Null heraus und links fallen nach Gleichung (11) alle Glieder, mit Ausnahme eines einzigen, heraus. Es ergibt sich
(14) |
Dies kann aber nur dadurch zu Stande kommen, dass überall identisch
(15) |
ist, und das sollte bewiesen werden.
Wir kehren zurück zu den Gleichungen (6), (7), (8) des §. 107. Die darin auftretenden Functionen sind in ihrer Abhängigkeit von und durch die Gleichung (10) des §. 108 vollständig ausgedrückt. Es handelt sich nur noch um die Bestimmung der constanten Coefficienten. Diese sind für alle drei Gleichungen (6), (7), (8) des §. 107 dieselben. Wir halten uns deshalb an die Gleichung (8), welche für die Erdoberfläche gültig ist. An der Erdoberfläche ist, wie in der Gleichung (2) des §. 106 bereits bemerkt worden,
(1) |
Wenn es nun gelingt, die Function in eine Reihe von Kugelfunctionen mit bekannten Coefficienten zu entwickeln, so muss nach dem Satze des vorigen Paragraphen diese Entwicklung mit derjenigen in §. 107 (8) identisch übereinstimmen. Dadurch sind dann alle unbekannten Coefficienten bestimmt.
Wir wollen das Integral in §. 105, Gleichung (3) mit bezeichnen:
(2) |
und mit den Werth, welchen dasselbe im Punkte besitzt. Dieses Integral ist, wie wir voraussetzen, in jedem Punkte
der Erdoberfläche bekannt. Für die Function setzen wir die Entwicklung (5) des §. 109, in welcher durchaus nichts Unbekanntes mehr auftritt. Dann haben wir also für irgend einen Punkt der Erdoberfläche
(3) |
|
Diese Entwicklung muss identisch mit §. 107 (8) übereinstimmen. Wir haben also
(4) |
(5) | für |
Damit ist die Potentialfunction vollständig hergestellt aus der einen Voraussetzung, dass in jedem Punkte der Erdoberfläche die nördlich gerichtete Componente der erdmagnetischen Kraft bekannt ist.
Wenn in allen Punkten eines einzigen Meridians die nördlich gerichtete Componente, ausserdem aber an jeder Stelle der Erdoberfläche die westlich gerichtete Componente der erdmagnetischen Kraft gegeben ist, so lässt auch daraus die Potentialfunction sich vollständig herstellen. Denn es ist in diesem Falle
(6) |
die westlich gerichtete Componente. Daraus berechnet sich
(7) |
Hier bedeutet die geographische Länge des Meridians, auf welchem die nördlich gerichtete Componente bekannt ist, und bezeichnet das auf diesem Meridian genommene Integral (2), wenn gesetzt wird. Dann treten die Gleichungen (3), (4), (5) wie vorher in Gültigkeit.
Die Potentialfunction kann vollständig auch dann hergestellt werden, wenn man an jeder Stelle der Erdoberfläche die vertical nach unten gerichtete Componente der erdmagnetischen Kraft kennt. Wir bezeichnen dieselbe mit und verstehen unter den Werth, den sie im Punkte besitzt. Alsdann kann man nach Kugelfunctionen entwickeln:
(8) |
|
Andererseits ist
folglich nach §. 107, Gleichung (6)
(8) |
Es muss also in der Entwicklung (8) nothwendig
sein, weil ist, und es bestimmen sich die Coefficienten in den übrigen Functionen durch die für zu erfüllende Gleichung
(10) |
Dadurch ist auch wieder in der Gleichung (6) des §. 107 alles bekannt.
Wir wollen den Punkt der Erdoberfläche zum Anfangspunkte eines rechtwinkligen Coordinatensystems machen. Die Axe der positiven soll tangential am Meridian nach Norden, die Axe der positiven tangential am Parallelkreis nach Westen und die Axe der positiven vertical nach unten gerichtet sein. Bezeichnen wir mit die Componenten der auf die positive Einheit des Magnetismus im Punkte einwirkenden erdmagnetischen Kraft, so hat man
(1) |
(2) |
(3) |
Diese Gleichungen können dazu dienen, für jeden Punkt der Erdoberfläche die Componenten der erdmagnetischen Kraft zu
berechnen, wenn die Potentialfunction bekannt ist. Hat man dagegen umgekehrt an einer gewissen Anzahl von Orten der Erdoberfläche die drei Componenten der erdmagnetischen Kraft durch Beobachtung gefunden, und will man sich dazu entschliessen, die Entwicklungen (6), (7), (8) des §. 107 mit dem enthaltenden Gliede abzubrechen, so können die Gleichungen (1), (2), (3) direct dazu dienen, die unbekannten Coefficienten, die in den Functionen auftreten, zu berechnen. Beachtet man, dass ist, so sind für zusammen Coefficienten zu bestimmen. Die Anzahl der Gleichungen (1), (2), (3) ist dreimal so gross wie die Anzahl der Beobachtungsorte. In diesen Gleichungen sind die linken Seiten bekannt und es treten rechts jene Coefficienten als Unbekannte auf. Zu ihrer Bestimmung sind also die vollständigen Beobachtungen an Orten nothwendig und hinreichend, und man hat so zu wählen, dass entweder oder durch 3 theilbar ist. Gauss hat genommen. Dann handelt es sich um unbekannte Coefficienten, zu deren Bestimmung also (rein theoretisch genommen) die vollständigen Beobachtungen an 8 verschiedenen Orten der Erdoberfläche nothwendig und hinreichend sind. Es wird dabei vorausgesetzt, dass diese Beobachtungen frei von Beobachtungsfehlern sind, und dass keine zufälligen Störungen Einfluss geübt haben. Da diese Voraussetzung in Wirklichkeit nicht erfüllt ist, so hat man vollständige Beobachtungen an einer erheblich grösseren Anzahl von Orten nöthig. Ein zweckmässiges Verfahren zur Verwerthung dieser Beobachtungen hat Gauss im 23. Artikel seiner allgemeinen Theorie des Erdmagnetismus angegeben.
Ausser der eben genannten Abhandlung von Gauss ist noch zu citiren der übrige Inhalt der „Resultate aus den Beobachtungen des magnetischen Vereins", sowie die „Intensitas vis magneticae terrestris ad mensuram absolutam revocata, auctore Carolo Friderico Gauss." (Commentationes societatis regiae Gotting. recentiores. Vol. VIII. Gottingae 1841. — Gauss’ Werke Bd. 5. Göttingen 1867.)
- ↑ *) Ueber diese physikalische Bedeutung von vergleiche man die erste Anmerkung auf Seite 144. Der Umstand, dass Green dort die Einheit positiver Elektricität im Punkte concentrirt denkt, während hier gerade die entgegengesetzte Einheit verlangt wird, könnte auffällig erscheinen. Er ist aber leicht zu erklären. Bei elektrostatischen Kräften ist nemlich die Green'sche Potentialfunction gerade das Entgegengesetzte von dem, was hier als Potentialfunction definirt worden ist. Soll also eine und dieselbe Function (die Hülsfunction ) als eine Potentialfunction, herrührend von elektrostatischen Kräften, angesehen werden, so ist klar, dass man die fingirte Ladung mit entgegengesetzten Vorzeichen zu nehmen hat, je nachdem für die Potentialfunction die Definition von Green, oder die hier aufgestellte Definition in Anwendung kommen soll.
- ↑ *) Ueber diesen Satz vergleiche man: Riemann, partielle Differentialgleichungen. Bearbeitet von Hattendorff. § 20.
- ↑ *) Commentationes societatis regiae scientiarum Gottingensis recentiores. Vol. II. Gottingae 1813. — Gauss’ Werke. Bd. 3. Göttingen 1866.
- ↑ *) Die Aufgabe der §§. 48 bis 53 hat zuerst Poisson mathematisch behandelt in zwei Aufsätzen, welche unter den Mémoires de l'institut de France 1811 abgedruckt sind. Ferner sind zu citiren:
Plana. Sur la distribution de l'électricité à la surface de deux sphères. (Memorie dell' accademia di Torino. T. 7. 1845.)
Kirchhoff. Ueber die Vertheilung der Elektricität auf zwei leitenden Kugeln. (Borchardt, Journal Bd. 59. S. 89.)
Murphy, R. Elementary principles of the theorics of electricity, heat and molecular actions. Part I, Chapter V. Cambridge 1833.
Thomson, W. On the mutual attraction or repulsion between two electrified spherical conductors. (Philosophical Magazine. Series 5, Vol. IV.)
Man vergleiche auch die Lehrbücher:
Riess. Die Lehre von der Reibungs-Elektricität. Bd. 1. Berlin 1853.
Kötteritzsch. Lehrbuch der Elektrostatik. Leipzig 1872.
Die oben gegebene Entwicklung ist Riemann’s Eigenthum.
Die experimentellen Untersuchungen sind zuerst von Coulomb angestellt. (Mémoires de l'Académie de Paris 1785—1788.) - ↑ *) Ohm, G. S. Die galvanische Kette, mathematisch behandelt. Berlin 1827.
- ↑ *) Ueber den Inhalt der §§.57, 58, 59, 60, 63 vergleiche man: Kirchhoff, über die Anwendbarkeit der Formeln für die Intensitäten der galvanischen Ströme in einem Systeme linearer Leiter auf Systeme, die zum Theil aus nicht linearen Leitern bestehen. Poggendorff, Annalen. Bd. 75. S. 189.
- ↑ *) Philosophical Magazine. New and united series. Vol. XIX. 1841. Page 260.
- ↑ *) Riemann. Grundlagen für eine allgemeine Theorie der Functionen einer veränderlichen complexen Grösse. Göttingen 1851. Art. 7 und 8.
- ↑ *) Allgemeine Theorie des Erdmagnetismus, Art. 38. (Resultate aus den Beobachtungen des magnetischen Vereins. 1838. — Gauss’ Werke, Bd. 3.)
- ↑ WS: Druckfehler, soll bestimmen heißen
- ↑ *)Ampère. Mémoire sur la théorie mathématique des phénomènes électrodynamiques. (Mémoires de l’Académie de Paris. T. VI. 1823.)
- ↑ *) Faraday. Expcrimental Researches on Electricity. Series I. II. 1831. 1832.
- ↑ *) Neumann, F. E. Allgemeine Gesetze der inducirten elektrischen Ströme. — Ueber ein allgemeines Princip der mathematischen Theorie inducirter elektrischer Ströme. (Abhandlungen der K. Akademie der Wissenschaften zu Berlin. 1845. S. 1. 1847. S. 1.)
- ↑ Weber. Elektrodynamische Maassbestimmungen. Theil 1. Seite 99. (Abhandlungen der K. Sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften zu Leipzig 1846.)
- ↑ *) Ueber die Bewegung der Elektricität in drahtförmigen und in beliebigen Leitern hat Kirchhoff zwei Abhandlungen veröffentlicht in Poggendorff’s Annalen Bd. 100 (S. 193) und Bd. 102 (S. 529). Die elektromotorische Kraft wird darin angesehen als herrührend von vorhandener freier Elektricität und von der Induction, die in Folge der Aenderungen der Stromstärke in allen Theilen des Leiters stattfindet. Kirchhoff gelangt dadurch zu Strömen, bei denen nur ausnahmsweise die Dichtigkeit der freien Elektricität im Innern des Leiters gleich Null ist. Diese Untersuchungen Kirchhoff’s bilden den Ausgangspunkt für die Entwicklungen von Weingarten und Lorberg. (Weingarten. Ueber die Bewegung der Elektricität in Leitern. Borchardt’s Journal. Bd. 63. — Lorberg. Zur Theorie der Bewegung der Elektricität in nicht linearen Leitern. Borchardt’s Journal Bd. 71. S. 53.)
Im Jahre 1858 hat Riemann der K. Gesellschaft der Wissenschaften in Göttingen einen Aufsatz überreicht, später aber wieder zurückgezogen. Derselbe ist unter dem Titel: „Ein Beitrag zur Elektrodynamik" im 131. Bande von Poggendorff’s Annalen (S. 237) abgedruckt. Darin ist die Hypothese ausgesprochen, dass die Kraft, welche zur Zeit in einem elektrischen Theilchen ihren Sitz hat, auf ein anderes solches Theilchen in endlicher Entfernung erst zu einer späteren Zeit ihre Wirksamkeit beginne. Diesen Grundgedanken finden wir auch in einem gleichzeitig (1867) veröffentlichten Aufsatze von L. Lorenz: Ueber die Identität der Schwingungen des Lichts mit den elektrischen Strömen. (Poggendorff’s Annalen. Bd 131. S. 243.) Denselben Grundgedanken hat C. Neumann weiter behandelt. (Die Principien der Elektrodynamik. Tübingen 1868. Gratulationsschrift. — Allgemeine Betrachtungen über das Weber’sche Gesetz. Mathematische Annalen Bd. 8. 1875.)
Weber’s Grundgesetz ist in den letzten Jahren Gegenstand einer von Helmholtz angeregten Controverse gewesen. Man sehe darüber die Abhandlungen:
Helmholtz. Ueber die Bewegungsgleichungen für ruhende leitende Körper. (Borchardt’s Journal Bd. 72.) - Ueber die Theorie der Elektrodynamik. (Borchardt’s Journal Bd. 75 und Bd. 78.)
Weber. Elektrodynamische Maassbestimmungen, insbesondere über das Princip der Erhaltung der Energie. (Abhandlungen der mathematisch-physischen Klasse der K. Sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften Bd. 10.)
C. Neumann. Ueber die den Kräften elektrodynamischen Ursprungs zuzuschreibenden Elementargesetze. (Dieselben Abhandlungen Bd. 10.)
Ferner: Die Aufsätze von C. Neumann im 5. und 6. Bande der Mathematischen Annalen und die Monographie desselben Verfassers: Die elektrischen Kräfte. Theil 1. Leipzig 1873.
Von besonderem Interesse für den Mathematiker sind die beiden Abhandlungen von H. Weber: Ueber die Bessel’schen Functionen und ihre Anwendung auf die Theorie der elektrischen Ströme. (Borchardt’s Journal Bd. 75.) — Ueber die stationären Strömungen der Elektricität in Cylindern. (Borchardt’s Journal Bd. 76.)
Von Lehrbüchern sind zu citiren:
Beer. Einleitung in die Elektrostatik, die Lehre vom Magnetismus und die Elektrodynamik. Braunschweig 1865.
Wiedemann. Die Lehre vom Galvanismus und Elektromagnetismus. 2. Auflage. Bd. I. II. 1 und 2. Braunschweig 1872. 1873. 1874.
Maxwell. A treatise on electricity and magnetism. Vol. I. II. Oxford 1873. Bei Wiedemann findet man auch eine ausführliche Uebersicht über die Literatur. - ↑ *) Resultate aus den Beobachtungen des magnetischen Vereins im Jahre 1838. Herausgegeben, von Gauss und Weber. Leipzig 1839. — Gauss’ Werke. Band 5. Göttingen 1867.
- ↑ *) Andere Entwicklungen für findet man im 17. Bande von Crelle’s Journal in der Abhandlung von Dirichlet: Sur les séries dont le terme général dépend de deux angles et qui servent à exprimer des fonctions arbitraires entre des limites données. — Man vergleiche auch Heine, Handbuch der Kugelfunctionen. Berlin 1861. — Sidler, die Theorie der Kugelfunctionen. Bern 1861.
- ↑ *) Sur les séries dont le terme général dépend de deux angles etc. (Crelle’s Journal Bd. 17. Seite 35.)