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Barmherzigkeit an ihr ausüben, und sie zu sich aufnehmen, so wird er mit Härte bedrohet, daß man ihn zusammt der Dirne aus dem Dorfe jagen werde. Mit einem Wort, die Unglückliche findet nirgends eine Aufnahme, und was ist nun ihr unverdientes Schicksal? Dieses, daß ihr alle Gelegenheit zu einem ehrlichen Broderwerb abgeschnitten, und sie ganz wider ihren Willen zum Herumziehen und Betteln gezwungen wird, welches nach unsern Gesetzen verboten ist, und wenn sie daher auf diesem für sie gleich traurigen als unwillkürlichen Geschäffte von Bettelvögten und Landstreifern angetroffen zu werden das Unglück hat, aller für sie so lautsprechenden Gründe ohnerachtet, als eine Vagantin auf einige Zeit in ein Zuchthaus geliefert und endlich förmlich des Landes verwiesen und in ein anderes gewiesen wird, wo man auf dergleichen Personen nicht weniger Jagd machet.

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Was würden in einer solchen verzweifelten und marternden Lage wohl die Gesinnungen einer durch Religion schon aufgeklärteren Person seyn? Und welche Empfindungen müssen erst bey solchen Personen eintreten, deren ganze Theologie in einem auswendig gelernten Vaterunser, dessen Sinn ihnen

Empfohlene Zitierweise:
Anonym: Über Landesverweisungen in: Journal von und für Franken, Band 4. Raw, Nürnberg 1792, Seite 105. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:%C3%9Cber_Landesverweisungen.pdf/8&oldid=- (Version vom 20.8.2021)