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zwar in zersetztem altvulkanischem Doleritgestein, erst in der Nähe von Urica, später und viel ausgebreiteter oberhalb Tamarut im Rerajathal[1].

7. Auf den Vorbergen des Atlas bis zu 2000 m Höhe zeigt sich ein reiches Tier- und Pflanzenleben von südspanischem Charakter. Wald in unserem Sinne giebt es nicht. Der lichte Buschwald mit Sträuchern, welche selten 3 m Höhe überragen, wird vornehmlich von Cistrosen, stechpalmenblätterigen Eichen, Phyllyrea, Lentiscus, Blasenstrauch, zwei Wachholder und Callitris gebildet. Dazwischen findet man zahlreiche zum Teil filzig behaarte und aromatische Kräuter, besonders Kompositen, Leguminosen, Labiaten und Umbelliferen. In den unteren Regionen gesellt sich wie in Andalusien die Zwergpalme hinzu und an den Wasserläufen der Oleander, sowie Tamarix gallica und Vitis Agnus Castrus.

8. Das höhere Gebirge über 2000 Meter ist vegetationsarm. Vertreter der arktisch-alpinen Flora fehlen fast vollständig; dagegen findet man neben endemischen Arten solche der Mittelmeerregion, insbesondere der Sierra Nevada, allverbreitete Ackerunkräuter und eine Reihe gewöhnlicher Bewohner unserer Wiesen und Wälder. Von letzteren nenne ich nur Hieracium Pilosella, Cerastium arvense, Geranium lucidum, Myosotis sylvatica, Veronica Beccabunga, Mentha rotundifolia, Ribes Grossularia, ferner Lamium amplexicaule und L. purpureum, Capsella bursa pastoris, Fumaria officinalis, Taraxacum officinale[2].

9. Am Ausgang der Thäler findet man hier und da unter künstlicher Bewässerung Dattelpalmen und Orangegärten, ferner schöne Olivenhaine höher hinauf viel Wallnußbäume und zuletzt nahe der Kulturgrenze in etwa 2000 m Höhe auch Äpfelbäume, während die Kastanie fehlt. In dieser Höhe tritt neben Gerste der Roggen an Stelle des Weizens und genießt man noch einmal den der eigentlichen Mittelmeerregion fremden Anblick eines schönen Rasens mit einer Menge unserer gewöhnlichen Wiesengräser und -kräuter. Dann aber folgt mit schroffem Übergang


  1. Dieses Vorkommen mit seinen auffallenden weißen Ausblühungen wurde von Hooker und seinen Gefährten auf ihrem Wege zum Tisi Tacherat (Hooker schreibt Tagherot) nicht bemerkt, vielleicht deshalb nicht, weil sie Mitte Mai, also in einer noch feuchten Jahreszeit, wir dagegen am 10. Juni hier vorbeikamen.
  2. Die Gewächse des hohen Atlas gruppieren sich nach John Ball (siehe Hooker Marocco p. 441) wie folgt:
    Mitteleuropäische Arten 78 oder 44,3 %
    Weitverbreitete Mittelmeerpflanzen 43 24,4 %
    Westliche Miitelmeerpflanzen 20 11,4 %
    Endemische Arten 35 19,9 %.

    Unter letzteren befinden sich auch die von uns beobachteten Ranunculus Reinii Ball und Astragalus Reinii Ball.

Empfohlene Zitierweise:
Johannes Justus Rein: Über Marokko. Dietrich Reimer, Berlin 1887, Seite 15. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:%C3%9Cber_Marokko.pdf/19&oldid=- (Version vom 1.8.2018)