1. Das Maxwell’sche Gesetz der Vertheilung der Geschwindigkeiten unter einer grossen Anzahl von Molecülen ist auch für feste Körper gültig.
2. Die Schwingungperiode , die von einem Molecül erregt wird, hängt mit der fortschreitenden Geschwindigkeit desselben durch die Gleichung
zusammen, wo eine Constante bezeichnet. (Diese Annahme wird durch eine bestimmte Vorstellung über die Art der Erregung der Strahlung gewonnen.)
3. Die Intensität der von einem Molecül ausgesandten Strahlung ist der Anzahl der Molecüle von derselben Schwingungperiode proportional, ferner einer unbestimmten Function der Temperatur und einer ebenfalls unbekannten Function der lebendigen Kraft, die dann durch eine weitere Annahme auf eine Potenz von beschränkt wird.
Das Gesetz, welches Michelson aus diesen Annahmen erhält, ergiebt für die Wellenlänge des Maximums der Energie
wenn die absolute Temperatur bezeichnet. Im übrigen lässt dies Gesetz die Gesammtemission als Function der Temperatur unbestimmt.
Ich habe mich nun bemüht, den glücklichen Gedanken Michelson’s, das Maxwell’sche Gesetz der Vertheilung der Geschwindigkeiten als Grundlage des Strahlungsgesetzes zu benutzen, ebenfalls zu verwerthen, die Anzahl der Hypothesen aber, die auf diesem Gebiete wegen unserer gänzlichen Unkenntniss der Erregung der Strahlung besonders unsicher sind, durch Heranziehung der von Boltzmann und mir auf rein thermodynamischem Wege gewonnenen Ergebnisse zu verringern.
Die noch übrig bleibenden Hypothesen lassen immer noch Unsicherheit in der theoretischen Begründung zurück, bieten aber doch den Vortheil, dass die Ergebnisse unmittelbar und in sehr ausgedehntem Maasse mit der Erfahrung verglichen
Wilhelm Wien: Ueber die Energievertheilung im Emissionspectrum eines schwarzen Körpers. Johann Ambrosius Barth, Leipzig 1896, Seite 663. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:%C3%9Cber_die_Energievertheilung_im_Emissionspectrum_eines_schwarzen_K%C3%B6rpers.pdf/2&oldid=- (Version vom 8.5.2022)