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Ueber die Energievertheilung im Emissionspectrum eines schwarzen Körpers

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Textdaten
Autor: Wilhelm Wien
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Titel: Ueber die Energievertheilung im Emissionspectrum eines schwarzen Körpers
Untertitel:
aus: Annalen der Physik und Chemie, Band 294, Seite 662–669
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1896
Verlag: Johann Ambrosius Barth
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Commons
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[662] Während die Veränderung der Wärmestrahlung eines schwarzen Körpers und ihrer Vertheilung auf die einzelnen Wellenlängen mit der Temperatur sich auf Grund der elektromagnetischen Lichttheorie auf rein thermodynamischem Wege ohne Zuhülfenahme besonderer Hypothesen ableiten lässt, ist dies für die Energievertheilung selbst bisher nicht gelungen. Und doch liegt es in der Natur der Sache, dass durch die Eigenschaften der Strahlung selbst auch die Abhängigkeit der Intensität von der Wellenlänge vollkommen bestimmbar sein müsste, weil sie nur von der Temperatur, nicht aber von speciellen Eigenschaften einzelner Körper abhängt.

Die Strahlung eines schwarzen Körpers entspricht dem Zustande des Wärmegleichgewichts und infolge dessen einem Maximum der Entropie. Wäre z. B. irgend ein Vorgang bekannt, durch den eine Veränderung der Wellenlängen ohne Arbeitsaufwand und ohne Absorption in bekannter Weise im Sinne einer Zunahme der Entropie vorgenommen werden könnte, so würde sich die Energievertheilung im Spectrum eines schwarzen Körpers aus der Bedingung des Maximums der Entropie vollständig bestimmen. Es lässt sich zwar, wie ich in einer früheren Arbeit gezeigt habe, immer die Entropie der Strahlung von bekannter Intensität und Farbe angeben, aber es zeigen sich vorläufig keine physikalischen Processe, durch die eine Verwandlung der Farbe, wie die verlangte, in übersehbarer Weise vor sich geht. Es ist daher eine Bestimmung der Energievertheilung ohne Hypothesen nicht möglich.

Der Versuch, ein vollständiges Strahlungsgesetz auf gewisse Annahmen zu gründen, ist von E. v. Lommel[1] und W. Michelson[2] gemacht worden. Letzterer macht dabei folgende Vorausetzungen:

[663] 1. Das Maxwell’sche Gesetz der Vertheilung der Geschwindigkeiten unter einer grossen Anzahl von Molecülen ist auch für feste Körper gültig.

2. Die Schwingungperiode , die von einem Molecül erregt wird, hängt mit der fortschreitenden Geschwindigkeit desselben durch die Gleichung

zusammen, wo eine Constante bezeichnet. (Diese Annahme wird durch eine bestimmte Vorstellung über die Art der Erregung der Strahlung gewonnen.)

3. Die Intensität der von einem Molecül ausgesandten Strahlung ist der Anzahl der Molecüle von derselben Schwingungperiode proportional, ferner einer unbestimmten Function der Temperatur und einer ebenfalls unbekannten Function der lebendigen Kraft, die dann durch eine weitere Annahme auf eine Potenz von beschränkt wird.

Das Gesetz, welches Michelson aus diesen Annahmen erhält, ergiebt für die Wellenlänge des Maximums der Energie

,

wenn die absolute Temperatur bezeichnet. Im übrigen lässt dies Gesetz die Gesammtemission als Function der Temperatur unbestimmt.

Ich habe mich nun bemüht, den glücklichen Gedanken Michelson’s, das Maxwell’sche Gesetz der Vertheilung der Geschwindigkeiten als Grundlage des Strahlungsgesetzes zu benutzen, ebenfalls zu verwerthen, die Anzahl der Hypothesen aber, die auf diesem Gebiete wegen unserer gänzlichen Unkenntniss der Erregung der Strahlung besonders unsicher sind, durch Heranziehung der von Boltzmann und mir auf rein thermodynamischem Wege gewonnenen Ergebnisse zu verringern.

Die noch übrig bleibenden Hypothesen lassen immer noch Unsicherheit in der theoretischen Begründung zurück, bieten aber doch den Vortheil, dass die Ergebnisse unmittelbar und in sehr ausgedehntem Maasse mit der Erfahrung verglichen [664] werden können. Die Bestätigung oder Widerlegung durch die Erfahrung wird daher auch umgekehrt über die Richtigkeit oder Unrichtigkeit der Hypothesen entscheiden und insofern für einen weiteren Ausbau der Moleculartheorie nützlich sein.

Der Satz, dass in einem leeren Raum, der von gleichtemperirten Wänden umgeben ist, die Strahlung eines schwarzen Körpers vorhanden ist, gilt auch, wenn die Strahlung von Gasen ausgeht, die von dem Hohlraum vermittelst durchsichtiger, von aussen durch spiegelnde Wände abgeschlossen sind. Nur müssen die Gase ein endliches Absorptionsvermögen für alle Wellenlängen haben. Es unterliegt keinem Zweifel, dass es Gase gibt, die durch blosse Temperaturerhöhung Wärmestrahlen aussenden, wie die Kohlensäure und der Wasserdampf.[3] Stark überhitzte Dämpfe können als Gase behandelt werden und durch passende Mischung verschiedener Substanzen wird man sich immer eine Gasmischung hergestellt denken können, die für alle Wellenlängen ein endliches Absorptionsvermögen besitzt. Man darf aber hierbei nicht an die Strahlung denken, welche die Gase unter dem Einfluss electrischer oder chemischer Vorgänge aussenden.

Nimmt man also als strahlenden Körper ein Gas an, so wird das Maxwell’sche Gesetz der Vertheilung der Geschwindigkeiten gelten, wenn man sich auf den Boden der kinetischen Gastheorie stellt. Die absolute Temperatur wird der mittleren lebendigen Kraft der Gasmolecüle proportional sein. Diese Annahme hat durch die Arbeiten von Clausius[4] und Boltzmann[5] einen hohen Grad von Wahrscheinlichkeit erlangt und wird durch die Untersuchungen von Helmholtz[6] über monocyklische Systeme, nach der sowohl die lebendige Kraft als auch die absolute Temperatur die Eigenschaft haben, integrirender Nenner des Differentials der zugeführten Energie zu sein, noch weiter gestützt.

Um die unnöthige Weitläufigkeit zu vermeiden, welche durch die Einführung der verschiedenen Bestandtheile des Gasgemisches entstehen würde, denken wir uns die Mischung [665] derartig, dass die betrachtete homogene Strahlung vorzugsweise von einem Bestandtheil der Gasmischung ausgesandt werde.

Die Anzahl der Molecüle, deren Geschwindigkeit zwischen und liegt, ist proportional der Grösse

,

wo eine Constante bezeichnet, die sich durch die mittlere Geschwindigkeit vermittelst der Gleichung

ausdrücken lässt. Die absolute Temperatur ist also proportional.

Die Schwingungen nun, die ein Molecül, dessen Geschwindigkeit ist, aussendet, sind in ihrer Abhängigkeit vom Zustande desselben vollkommen unbekannt. Allgemein angenommen ist jetzt wohl die Anschauung, dass die electrischen Ladungen der Molecüle electromagnetische Wellen erregen können.

Wir machen die Hypothese, dass jedes Molecül Schwingungen einer Wellenlänge aussendet, die nur von der Geschwindigkeit des bewegten Molecüls abhängt und deren Intensität eine Function dieser Geschwindigkeit ist.

Man kann durch mancherlei specielle Annahmen über den Vorgang der Strahlung zu dieser Folgerung gelangen, da aber solche Voraussetzungen hier vorläufig vollkommen willkürlich sind, so scheint es mir zunächst am sichersten, die nothwendige Hypothese so einfach und allgemein als möglich zu machen.

Da Wellenlänge der von einem Molecül ausgesandten Strahlung eine Function von ist, so ist auch eine Function von .

Die Intensität der Strahlung, deren Wellenlänge zwischen und liegt, ist also proportional

1. der Anzahl der Molecüle, die Schwingungen dieser Periode aussenden,

2. einer Function der Geschwindigkeit , also auch einer Function von .

Demnach ist

,

[666] wo und zwei unbekannte Functionen und die absolute Temperatur bezeichnen.

Nun setzt sich die Veränderung der Strahlung mit der Temperatur nach der von Boltzmann[7] und mir[8] gegebenen Theorie zusammen aus einer Steigerung der Gesammtenergie im Verhältniss der vierten Potenz der absoluten Temperatur und einer Veränderung der Wellenlänge jedes zwischen und eingeschlossenen Energiequantums in dem Sinne, dass sich die zugehörende Wellenlänge umgekehrt proportional der absoluten Temperatur ändert. Denkt man sich also die Energie bei einer Temperatur als Function der Wellenlänge aufgetragen, so würde diese Curve bei geänderter Temperatur ungeändert bleiben, wenn der Maassstab der Zeichnung so geändert würde, dass die Ordinaten im Verhältniss verkleinert und die Abscissen im Verhältniss vergrössert würden. Das letztere ist bei unserem Werthe von nur möglich, wenn im Exponenten und nur als Product vorkommen. Bezeichnet eine Constante, so ist

zu setzen.

Die Steigerung der Gesammtenergie bestimmt den Werth von . Es muss nämlich sein

.

kann man nach der Methode der unbestimmten Coefficienten bestimmen. Wir denken uns in einer Reihe entwickelt und setzen , so wird

[667] Bei der Integration ergiebt sich

.

Es soll also

sein.

Es sind also alle Coefficienten Null bis auf einen, und es ergiebt sich für das Glied

,

also .

Hiernach ist also

.

Die Gleichung für wird hiernach

.

Hieraus folgt

für

 wird  ,

;

ist negativ, der Werth entspricht also einem Maximum. Wir wollen diesen Werth mit bezeichnen. Der zugehörige Werth von ist

.

Da sowohl als für verschwinden, so ist die Curve eine Asymptote an die -Axe.

[668] Ferner ist für die Wurzeln der Gleichung

,

also für

.

Für diese beiden Punkte hat die Curve Wendepunkte. Setzen wir , so wird

,

also

Setzen wir für , so ist

Hier ist der absolute Betrag der Reihe grösser, also kleiner als bei positivem . Soweit sind die Ordinaten in gleichem Abstand vom Maximum kleiner auf der Seite der kleinen Wellenlängen.

In einer früheren Arbeit[9] hatte ich abgeleitet, dass die Energiecurven schwarzer Körper bei verschiedener Temperatur einander nicht schneiden dürfen. Daraus liess sich weiter ableiten, dass die Curve nach der Seite der langen Wellen langsamer abfallen müsse, als die Curve

Dies ist nun thatsächlich bei unserer Curve der Fall; ist dem absoluten Betrage nach immer kleiner als und erreicht diesen Grenzwerth erst für . Für unendlich wachsende Temperatur würde werden und das Maximum der Energie sich der Wellenlänge Null unbeschränkt nähern.

[669] Als ich die Formel für aus den erwähnten theoretischen Ueberlegungen abgeleitet hatte, war unabhängig davon von Hrn. Prof. Paschen die Formel

(wo eine Constante ist), als die, seine Beobachtungen am besten wiedergebende, gefunden, und er hatte die Freundlichkeit, mir davon Nachricht zu geben und die Mittheilung seiner Formel an dieser Stelle zu gestatten. Den Werth der Constanten beabsichtigt Hr. Prof. Paschen aus der vollständigen Berechnung und Vergleichung seiner Beobachtungen zu bestimmen. Ist nicht , so würde die Gesammtemission dem Stefan’schen Gesetze nicht folgen.

Charlottenburg, Juni 1896.


  1. E. v. Lommel, Wied. Ann. 3. p. 251. 1877.
  2. W. Michelson, Journ. de phys. (2) 6. 1887.
  3. Paschen, Wied. Ann. 50. p. 409. 1893.
  4. Clausius, Pogg. Ann. 142. p. 433. 1871.
  5. Boltzmann, Wien. Ber. (2) 53. p. 195. 1866.
  6. Helmholtz, Ges. Abh. 3. p. 119.
  7. Boltzmann, Wied. Ann. 22. p. 291. 1884.
  8. W.Wien, Ber. d. Berl. Akad. 9. Febr. 1893.
  9. W. Wien, Wied. Ann. 52. p. 159. 1894.