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§ 7. Der Vollzug.

Am Vollzug der Steinstrafe beteiligte sich die ganze Einwohnerschaft des Ortes[1]. Wenn in den Weistümern davon nur wenig Erwähnung getan wird[2], so ist es wohl deshalb weil die Teilnahme aller etwas Selbstverständliches war. Der in wenigen Quellen ausgesprochene Zwang[3] zur Mitwirkung war früher allgemein. –

Eine große Rolle spielte der Richter, bezw. sein Gehilfe und Vertreter, der Büttel. Er hatte dem Weibe den Stein an den Hals zu hängen[4] und führte oder trieb[5] die Verurteilte an einer Fessel[6] den vorgeschriebenen Weg[7]. Für das Anhängen und Abnehmen des Bagsteines bezog er Gebühren[8]. Das Ausrufen der Schuld durch den Nachrichter war vermutlich auch dort üblich, wo es nicht geschriebenes Recht war[9].

Die Genugtuung und Schadenfreude der begleitenden Menge äußerte sich in schmähenden Worten, spöttischen Neckereien und tätlichen Beleidigungen. Während des Strafvollzugs war die Frau ja nicht vom Frieden geschützt. Begreiflicherweise benützte die übermütige Straßenjugend[10] mit Vergnügen jede solche Gelegenheit zu lärmen. Es wurde sogar auf die Mitwirkung der Buben gerechnet. In Saubersdorf[11] lieferte ihnen der Richter die Eier[12],


  1. Ursprünglich geschah dies während des Kirchumgangs.
  2. Diepolts 16. Jh. (ÖW. 7, 230) und ir mann soll kaufn ain emer wein den nachpern.
  3. Penk 16. Jh. (ÖW. 7, 286) und sollen alle nachparn mitgeen. Die Lesart nachtperin klingt recht wahrscheinlich. – Ensdorf (Anhang 6) dopey sollen all man und frawen sein., und wer … nit dobey ist, … sol das wandelen mit 12 … den. – Vgl. auch die gemeinsame Arbeit an der Schandsteinkette in Ploen. (Kinder, Urk.B. z. Chron. d. Stadt Ploen, S. 34 f.)
  4. ÖW. 7, 961; 1004. 8, 138; 510, u. a. m.
  5. Das Treiben ist namentlich in den (hier außer Betracht bleibenden) Stadtrechten oft erwähnt.
  6. Eipeltau (Anhang 4).
  7. S. 27 f.
  8. Zwettl (Anhang 25).
  9. Senftenberg (Anhang 18). Hiemit in Zusammenhang steht die Verwendung von Paukern und Pfeifern. Darüber gleich unten S. 25.
  10. Vgl. Grimm RA.4 2, 317.
  11. Anhang 15.
  12. Wahrscheinlich faule Eier. Vielleicht liegt hierin zugleich die Strafe für Nichtzahlung der Eierbuße, die anderwärts zum Steintragen hinzukam. Ehaftbuch v. Enkering (Grimm Weist. 3, 360) Item welche frau … der andern [25] an ihr ehr freventlich redt … die soll geben hundert eier, darzu strafbar sein mit dem stein – –. 100 Eier gehören zum „Küchendienst“. Maurer Fronhöfe 3, 242 f. Eierstrafen sind als Strafen für Frauen, die über Geld keine Verfügung hatten, sehr entsprechend und kommen auch allgemein vor. Loersch Weist. der Rheinprov. I 1, 237.
Empfohlene Zitierweise:
Eberhard von Künßberg: Über die Strafe des Steintragens. Marcus, Breslau 1907, Seite 24. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:%C3%9Cber_die_Strafe_des_Steintragens.pdf/32&oldid=- (Version vom 1.8.2018)