Und was soll ich noch von den Canonikern sagen, aus denen die Bischöfe geknetet werden. Sie selbst schämen sich nicht zu bekennen, daß sie sich um geistliche Dinge nicht bekümmern: sie nennen sich irreguläre Canoniker und lassen, um ihre Kehlen zu schonen, durch ihre Vicare die Kirchengewölbe von Geschrei wiederhallen. Wenn sie sich nicht um weltliche Angelegenheiten kümmern, so sind sie eine unnütze Last der Erde und leben nur ihren Lüsten; geben sie sich aber mit weltlichen Dingen ab, was soll ihnen dann der geistliche Name und wozu mißbrauchen sie die geistlichen Güter?
Endlich, was soll ich von den ungeheuren Schätzen der Klöster sagen und von der zahllosen Menge von Glatzen, welche dieselben bevölkern? Freilich, es war gewiß nöthig, daß Anstalten bestanden, in welchen die Jugend für den Staats- und Kirchendienst gebildet wurde; ebenso will ich zugeben, daß die Klöster ein erwünschter Aufenthalt für Leute waren, die sich tiefen Spekulationen widmeten, während ohne sie der Nutzen, den solche Geister dem Staat bringen, im Geräusch des bürgerlichen Lebens verloren gegangen wäre. Giebt man diesen einen stillen Zufluchtsort, so können sie nicht klagen, ihre geistigen Bestrebungen brächten ihnen nur Nachtheil, und oft werden sie, was der Staat auf sie verwendet, mit reichen Zinsen heimzahlen.
Für solche Leute aber, wie für Unterrichtszwecke genügt ein mäßiger Aufwand, die überwuchernde Fettleibigkeit lähmt nur die Kraft und Frische des Geistes. Dafür aber ist gar kein Grund ersichtlich, warum der Welt überdrüssige oder arbeitsscheue Menschen, die es lieben, in mißgestalter Kleidung einherzuschreiten und mit thörichtem Geschrei die Kirchen zu erfüllen, oder ohne jedes Gefühl hergeplärrte Gebete Gott an den Kugeln ihres Rosenkranzes vorzuzählen, auf öffentliche Kosten gemästet werden sollen.
Nun hat man oft als Hauptgrund für die geistlichen Güter angeführt, daß durch sie für viele edle und berühmte Geschlechter gesorgt wird. Denn wer sonst der Familie zur Last fallen würde, wird nun zu einem geistlichen Amte erhoben: so wird eine Theilung des Familiengutes verhindert und die Erhaltung ihres Ansehens ermöglicht. Ja, ihr Glanz vermehrt sich noch, indem zu den höchsten Würden Männer befördert werden, die sonst zu Hause mit Dürftigkeit zu kämpfen gehabt hätten. Ich gebe zu, daß schon durch diesen Umstand die römische Kirche sich die Gunst der edlen Familien für immer gewinnen kann. Wenn nun aber diese Erhaltung edler Geschlechter aus den Kirchengütern vielleicht vortrefflich ist, so haben doch sicherlich die frommen Stifter jener Güter nicht im Traume an eine solche Verwendung derselben gedacht; und dieselbe hat sicherlich nichts mit geistlichen Dingen oder mit unserem Seelenheile zu thun. Haben die Nachkommen jener Geschlechter einen edlen Sinn, so finden sie im Kriege und Frieden Mittel und Wege genug, Ruhm und ein Vermögen zu gewinnen. Sind sie aber weder im Krieg, noch im Frieden verwendbar, so sollten sie wissen, daß es doch keine allzu beneidenswerthe Prämie der Trägheit ist, in einem Prytaneum vom Staate unterhalten zu werden. Wendet man aber ein, es werde so wenigstens verhindert, daß das Ansehen des an Zahl immer mehr wuchernden Adels durch die zunehmende Verarmung sinke, so erwidere ich, wenn der Adel seines Namens würdige Sprossen erzeugt, wird seine Zahl weder dem Staate noch ihm selbst
Samuel von Pufendorf: Ueber die Verfassung des deutschen Reiches. Berlin: L. Heimann, 1870, Seite 136. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:%C3%9Cber_die_Verfassung_des_deutschen_Reiches.djvu/135&oldid=- (Version vom 1.8.2018)