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Seite:Über die Verfassung des deutschen Reiches.djvu/53

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Einige Ritter klagen übrigens laut, daß die Fürsten ihre Freiheit bedrohten und sie mit scheelen Augen ansähen, weil sie, obwohl im Gebiete der Fürsten angesessen, sich doch so weitreichender Privilegien erfreuten. Andere sprechen es offen aus, daß eine solche Menge kleiner Könige der Macht eines großen Reiches wenig zuträglich sei; und daß sie bei einem auswärtigen Kriege beiden kriegführenden Mächten zur Beute fallen würden. Nun werden aber die Ritter nicht leicht wegen einer unbestimmten Gefahr auf ihre gewisse Freiheit verzichten, und auch die übrigen Fürsten werden es nicht leicht zugeben, daß einige wenige einen solchen Machtzuwachs erhalten,[1] wenn nicht ein gewaltiger Umschwung aller Machtverhältnisse im Reiche eintritt oder im langsamen Laufe der Zeit durch Listen aller Art die Macht der Ritter untergraben wird.

§. 15. Die Kreiseintheilung.

Schließlich bleibt hier noch kurz zu erwähnen, daß das ganze weite Reich nach einer Einrichtung Maximilians vom Jahre 1512 in 10 Kreise getheilt wird. Die Kreise sind der österreichische, der kurrheinische, der oberrheinische, der schwäbische, der bairische, der fränkische, der ober- und der niedersächsische, der westfälische und der burgundische. Das Königreich Böhmen mit Schlesien und Mähren ist von der Kreiseintheilung eximirt, ein deutlicher Beweis, daß es mehr in einem Bundesverhältnisse zu Deutschland steht, als mit ihm einen einheitlichen Staat bildet. Welche Staaten zu jedem Kreise gehören, kann man in jedem Handbuch finden. Die ganze Eintheilung bezweckt die Aufrechthaltung des Landfriedens und die Execution der Urtheile gegen widerspänstige. Zu diesem Behufe kann jeder Kreis einen Kreisobersten erwählen, welcher die Kreistruppen commandirt, und Kreistage abhalten, auf welchen über die Defension des Kreises und über das Münzwesen verhandelt wird. Das Recht der Berufung dieser Kreistage hat der sogenannte Kreis-Ausschreibende Fürst. Vielleicht trägt übrigens diese Einrichtung nur zur Uneinigkeit des ganzen Reiches bei, da die Uebel, welche einen Kreis bedrohen, die übrigen nur weniger berühren.[2]

Und damit mag über die Theile Deutschlands genug gesagt sein.

  1. Der Gedanke P’s. ist: Weil die Mehrzahl der Ritter in den rheinischen, fränkischen und schwäbischen Kreisen angesessen sind, würden auch nur die Fürsten dieser Kreise bei einer Mediatisirung der Ritter Vortheil haben.
  2. Die ganze Kreisverfassung ist hier sehr kurz behandelt. Aber in der That hatte sie im 17. Jahrhundert auch schon ihre politische Bedeutung zum großen Theil verloren, und mit Recht bemerkt Häußer, Deutsche Geschichte, 2. Aufl. I, 78: „Auch von der Kreiseintheilung galt, was bei allen überlieferten Einrichtungen der Reichsverfassung wahrzunehmen war; man hatte die alte Form bestehen lassen, ohne zur rechten Zeit ihre Mängel zu beseitigen und sie den neuen Bedürfnissen anzupassen.“ Doch hat namentlich noch 1702 die Kreisorganisation auf den Gang der großen Politik wesentlichen Einfluß ausgeübt. Uebrigens hat man ja noch 1815 versucht, die Kreiseintheilung in die Verfassung des deutschen Bundes wieder aufzunehmen. Vgl. Häußer IV, 662.
Empfohlene Zitierweise:
Samuel von Pufendorf: Ueber die Verfassung des deutschen Reiches. Berlin: L. Heimann, 1870, Seite 54. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:%C3%9Cber_die_Verfassung_des_deutschen_Reiches.djvu/53&oldid=- (Version vom 1.8.2018)