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Seite:Über die Verfassung des deutschen Reiches.djvu/80

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Güter für sehr lucrativ hielt. Immer mehr verbreitete sich die Meinung, die Italiener, unsere Landsleute führten die einfältigen Deutschen am Narrenseil herum, und das Geld, welches der Ablaßhandel einbringe, werde in Rom verpraßt oder zur Ausstattung päpstlicher Nepoten verwandt. Man erinnerte sich auch jenes Ausspruches des Papstes Martin V.: Er wolle gern ein Storch werden, wenn nur alle Deutschen Frösche wären; und man beklagte es laut, daß das deutsche Volk, welches einst das römische Joch so mannhaft abgeschüttelt habe, jetzt unter dem Vormunde der Religion von der an sich so machtlosen Geistlichkeit fast in knechtischer Unterthänigkeit gehalten werde.[1] Unterstützt wurde dann diese ganze geistige Bewegung noch durch die damals wieder neu erblühte Pflege der klassischen Literatur; denn wahrhaft gebildete Menschen verstehen sich nicht leicht dazu, etwas zu glauben, was mit der Vernunft nicht übereinstimmt.

§. 10. Fortgang der Reformation bis zum Religionsfrieden.

Bei dieser Gelegenheit wurde nun ein großer Theil der Gebräuche und alten Dogmen, welche den neuen Lehrern überflüssig oder falsch erschienen, bei vielen deutschen Stämmen ganz beseitigt, indem zugleich die geistlichen Güter aller Orten eingezogen wurden. Es entstanden nun viele Processe über diese Güter beim Kammergericht, und da dieses den Ansprüchen der Geistlichkeit geneigt schien, weigerten sich die Anhänger der neuen Lehre, welche man bald Protestanten nannte, die Jurisdiction des Kammergerichts, wenigstens in dieser Beziehung anzuerkennen. Denn im allgemeinen gilt zwar der Rechtsgrundsatz, daß wer mit Gewalt seines Eigenthums beraubt ist, vor allen Dingen wieder in dasselbe einzusetzen ist, aber in diesem Falle machten die Protestanten den nicht unbegründeten Einwand, es müsse erst durch ein allgemeines, rechtmäßiges Concil oder eine andere öffentliche Versammlung festgestellt werden, ob die vertriebenen Geistlichen wirklich Anhänger der rechten Lehre seien. Könnten sie das nicht beweisen, so hätten sie kein Recht auf den Besitz der Güter, welche von den Vorfahren der echten Gottesverehrung gewidmet seien.

Durch Beweisführungen und Protestationen allein aber hielt man sich nicht für hinlänglich gesichert, und so schlossen die meisten protestantischen Fürsten den sogenannten schmalkaldischen Bnud, um jede Gewalt in Sachen der Religion abzuwehren. Bald kam es zum Kampfe, der für die Protestanten einen unglücklichen Ausgang nahm. Der Kurfürst von Sachsen und der Landgraf von Hessen wurden gefangen genommen, und die Sache des Protestantismus war äußerst gefährdet. Aber die Waffen des Kurfürsten Moritz von Sachsen retteten die neue Lehre, und zu Passau schloß man einen Vergleich, über den in den Lehrbüchern der deutschen Geschichte das nähere zu finden ist. Endlich auf dem Augsburger Reichstage von 1555 wurden der protestantischen Lehre durch den sogenannten Religionsfrieden ausreichende Garantieen gegeben.

  1. Parific. a Lapid. p. 376 citirt den Ausspruch eines Würzburger Geistlichen: Were Lutherus noch ein 30. Jahr ausgebliben, Wir Geistlichen wollen es dahin gebracht haben, daß die Bawren Hew und Stroh gefressen, und uns Geistlichen die Cappaunen selbsten gebraten gebracht und die Junckeren hetten uns die Stieffel, Schuch und sporen buzen und schmieren müssen.
Empfohlene Zitierweise:
Samuel von Pufendorf: Ueber die Verfassung des deutschen Reiches. Berlin: L. Heimann, 1870, Seite 81. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:%C3%9Cber_die_Verfassung_des_deutschen_Reiches.djvu/80&oldid=- (Version vom 1.8.2018)