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Es findet indess auch bei diesen Motoren ein nicht unbedeutender Effectverlust statt und zwar zum Theil in Folge der Widerstände, welche aus der Ketten- und Seilbiegung entspringen, zum Theil in Folge der Vergrösserung der Eintauchung der Schleppschiffe, welche durch die Spannung der Kette hervorgebracht wird, zum Theil in Folge des Umstandes, dass die Kette erheblich länger sein muss, als der zurückgelegte Weg. Der Schlepper legt nämlich die Kette in der Regel nicht wieder an dieselbe Stelle, von welcher er sie aufgenommen hat und auch nicht nach einer geraden Linie nieder. – Der gesammte Effectverlust kann auf 10 bis 15% der von der Trommelachse übertragenen Arbeit angeschlagen werden.

Die Abweichung zwischen den Lagen der Kette vor und nach Passiren des Schiffszuges ist um so grösser, je zahlreicher und je stärker die Krümmungen des Flusses sind. Da indess die Schlepper in der Regel leer zurückfahren, so bringen sie hierbei die Kette leicht wieder in ihre richtige Lage. Im Uebrigen bereiten die Krümmungen der Flüsse keine Schwierigkeiten, selbst wenn dieselben 200 m und weniger Radius haben.

Die Fahrgeschwindigkeit für die Bergfahrt beträgt auf der Elbe im Sächsischen (bei einem durchschnittlichen Gefälle von 1:3000) etwa 6 Km pro Stunde. Verschiedener Aufenthalte wegen werden indess daselbst oft nur 35 und selten mehr als 75 Km täglich zurückgelegt.

Bei grösseren Zügen befinden sich je zwei Kähne nebeneinander und es muss bei jedem ein Mann am Steuer und mindestens ein Mann an der Kaffe[WS 1] thätig sein. Aus jener Stellung der Kähne ergiebt sich eine ziemliche Breite für den Schiffszug und ferner, dass derselbe an Flössen nicht so leicht vorbeipassirt, wie ein einzelnes Schiff. Flösserei und Kettenschiffahrt vertragen sich desshalb schlecht miteinander.

Bei grösserer Tiefe des Fahrwassers (etwa von 3 m an) wird das Auffischen der Kette so schwierig und es werden bei der gleichzeitig eintretenden grösseren Breite des Wassers die Einwirkungen des Seitenwindes mitunter so fühlbar, dass man unter derartigen Verhältnissen von der Anwendung der Kettenschlepper ganz absehen muss. In Strommündungen findet man desshalb dieselben nicht.

Auf canalisirten Flusstrecken findet eine erfolgreiche Anwendung der Kettenschiffahrt statt, sobald die Bauwerke unter besonderer Berücksichtigung der Schleppschiffahrt construirt sind und wenn der Betrieb den Anforderungen derselben entsprechend organisirt ist.

Die Schleusen werden in diesem Falle mit sehr grossen Kammern ausgeführt (diejenigen der oberen Seine haben 12 m lichte Weite und 180 m nutzbare Länge), damit der Schlepper mit der Hälfte des Zuges geschleust werden kann. Bei lebhaftem Verkehr, welcher mit häufigen und regelmässigen Fahrten der Schlepper Hand in Hand geht, kann man dann Einrichtung treffen, dass die Kähne, welche ein Schlepper A nicht sofort mit durch die Schleuse nehmen kann, von einem Schlepper B nebst der vorderen Hälfte des eigenen Zuges befördert werden u. s. f.

Durch die Flusschleusen, bei denen auf die Grösse des Wasserverbrauchs besondere Rücksicht nicht zu nehmen ist, kann die Kette in der Weise geführt werden, dass man am unteren Theile der Schlagsäulen einen Schlitz von 3 bis 4 m Weite herstellt.[1]

Wenn die Schleusen nur eine geringe Anzahl von Schiffen aufnehmen können, so sind die sog. Toueurs porteurs am Platze. Dieselben nehmen selbst Ladung und können 2 bis 3 Kähne schleppen. Auch in diesem Falle ist es zweckmässig, wenn der Schlepper die von seinem Vorgänger angebrachten


  1. Näheres s. Lagrené. Navigation intérieure. II. Bd. S. 121.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Die Kaffen sind auf dem Kiel sitzende, breit verarbeitete Stevenbretter, die die Form von Vorder- und Hinterende des Kahns bestimmen". (Schmitz, Brandenbg. Sprachlandschaft, 1981)
Empfohlene Zitierweise:
Ed. Sonne: Ketten- und Seilschleppschiffahrt. Wilhelm Engelmann, Leipzig 1879, Seite 326. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:1879_Ketten-_und_Seilschleppschiffahrt.pdf/4&oldid=- (Version vom 15.8.2018)