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W. Wernigh, Ingenieur: Ideen zur Ausführung der Touage auf der obern Donau, In: Deutsche Bauzeitung Band 19, S. 248–251

Betriebsstörung hervor, welche je nach Umständen 3 bis 4 Stunden. häufig sogar bis zu 24 Stunden dauert, um die Kettenenden wieder zu vereinigen, namentlich wenn ein Bruch vor dem Schiffe stattgefunden hat. Tritt ein solcher Unfall ein, so ist nicht nur ein empfindlicher Zeitverlust zu verzeichnen, sondern es ist die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, dass das ganze Schiff zu Grunde geht. Er vergleicht einen solchen Kettenbruch mit einer vollständigen Entgleisung und Verkehrs-Unterbrechung bei einer Eisenbahn.

Eine ausführliche Statistik von Kettenbrüchen während des Betriebes auf größeren Touage-Linien, wie von Hrn. M. vorgelegt, ergiebt eine sehr rapide Steigerung derselben nach längerer Betriebszeit. Es steigert sich die Anzahl der Brüche bei einer Stärke des Ketteneisens von 22 mm pro Meile (zu 7 500 m) und Jahr bis zum fünften Betriebsjahre auf 21, bis zum achten zu der enormen Zahl von 206 Brüchen. Bei 25 mm Ketten-Eisenstärke steigern sich die Brüche pro Meile und Jahr bis zum fünften Betriebsjahre auf 10 und bis zum achten auf 162.

Um so zahlreiche Kettenbrüche zu vermeiden, beabsichtigt man für die Rhone Ketten von 36 mm Eisenstärke, für die Stromschnellen daselbst jedoch Stahlkette, welche die enorme Stärke von 40 mm hat, zu verwenden. Bei der Thalfahrt zeigte sich überdies eine sehr bedeutende Abnutzung der Kettenglieder.

Nach den gesammten Ausführungen des Hrn. Marchetti sind die Kettenbrüche bei weitem das größte Hinderniss im Betriebe. Es ist dieser Uebelstand vornehmlich der Grund, weshalb die I. k. k. priv. D.-D.-G. mit dem weiteren Vorgehen der Touage auf der oberen Strecke so lange gezögert hat und noch heute unschlüssig ist, ob das Unternehmen überhaupt ausgeführt werden soll. Es würde sich daher vor allem um Beseitigung dieser „Achillesferse“ der Kettenschiffahrt handeln.

Hr. M. bemerkt dazu weiter: „Nach meiner Meinung liegt die Hauptursache in der Natur des Schweißens der Kette, die eben ein Menschenwerk ist“, eine Aeußerung, die den Verfasser dieses Aufsatzes veranlasst, seine vieljährigen Erfahrungen im Tauerei-Betriebe mit Drahtseil-Dampfern hier mitzutheilen.

Seilbrüche sind bei einem solchen Betriebe äußerst selten. Wenn sie vorkommen, werden sie gewöhnlich durch eine muthwillige Beschädigung des Seiles oder durch eine Verletzung desselben zufolge des Schleifens von Ankern verursacht.

Wenn Hr. M. bemerkt, dass die Brüche sich besonders auf Strecken der Donau mit seichten Stellen, Gefällsstürzen, starken Krümmungen usw. häufen, so habe ich unter ähnlichen Verhältnissen beobachtet, dass beim Betriebe meiner Drahtseildampfer, mit Verwendung von einem Trommelpaar mit 3 facher Umwickelung des Seiles zur Kraftübertragung, nach einiger Abnutzung der Trommelrillen stets eine ganz abnorme Spannung des Seilstranges der zweiten Umwicklung eintrat.

Es war daher die Aufgabe, die Ursache dieses Uebelstandes sowohl durch theoretische Studien als durch die Praxis, d. h. durch häufige Beobachtung des Trommelpaares während des Betriebes, namentlich beim Befahren von Kurven usw zu ermitteln.

Da die Entfernung der beiden äußersten Stränge des Trommelpaars nur 150 mm beträgt, so konnte man die Stärke der Seilspannung durch das Gefühl bemessen und vergleichen, indem mau die einzelnen Stränge mit der Hand betastete.

Bei der Kette kann eine derartige Beobachtung nicht stattfinden, da die Entfernung der äußersten Stränge zu groß ist, um eine solche Diagnose vornehmen zu können. Die Untersuchung der Kettenspannung der einzelnen Stränge, z. B. durch Anschlagen mit dem Hammer, hat wenig Erfolg, da die Kettenstränge bei den starken Dimensionen der Kette seltener eine der Schleppleistung entsprechende Spannung annehmen. Die Resultate dieser Studien, sowie von Belastungs-Versuchen, welche mit der Kette von 25,4 mm (1 Zoll engl.) Gliederstärke der früheren Kettenschleppschiffahrt der Ober-Elbe zu Dresden, sodann mit Drahtseil der versuchsweise ausgeführten Oder-Touage von 22 mm Durchmesser von mir ausgeführt wurden, stellen sich in Folgendem dar:

Die Kraft , welche zur Ueberwindung einer Last nebst der ruhenden Reibung eines um eine feste gusseiserne Rolle gelegten Seiles oder Kette erforderlich ist, wird bei einer halben Umwickelung des Seiles durch die Formel bestimmt, wobei [WS 1] Grundzahl des natürlichen Logarithmen-Systems, der Reibungs-Koeffizient, der bedeckte Bogen für den Halbmesser , also hier .

Die Belastungs-Versuche ergaben im Mittel für bis höchstens , und zwar bei trockener Oberfläche, bei mit Wasser befeuchteter Oberfläche.

Die Kraftübertragung durch die einzelnen halben Umwickelungen des Trommelpaares, bei 3 facher Umwickelung desselben, würden sich daher, wenn die Kraftübertragung einer halben Umwickelung angenommen wird, wie in untenstehender Skizze darstellen.

Seilspannung im ablaufenden Seile durch Befahren einer Kurve vergrößert (siehe ).
Seilspannung der zweiten Umwicklung des Trommelpaares durch Abnützung der Trommelrillen vergrößert (siehe und ).

Aus Fig. 1 u. 2 ersieht man, dass die rechnungsmäßige Abnahme der Seilspannung in den einzelnen Umwickelungen des Trommelpaares in einer stetigen Kurve abnehmen.

Es müssten deshalb auch die einzelnen Umwicklungs-Längen in demselben Verhältniss abnehmen, um in dem mit der Spannung stets auflaufenden Seile die allmähliche Spannungs - Abnahme bis zur Größe zu gestatten. Dies ist jedoch nur zu erreichen, wenn die Rillen der Trommeln einen Kegel bilden.

Bei Verwendung des Seiles genügt hier eine Abnahme des Durchmessers der vierten Rille von 2 bis 2,5 mm.

Der Konus der Trommeln hat bei der Fahrt in entgegen gesetzter Richtung noch den Vortheil, dass das bei der Thalfahrt meist lose auflaufende Seil auf den Trommeln eine größere Spannung erhält.

Bei neuen Trommeln entsteht dieser Konus während des Betriebes nach und nach von selbst, da die hintere Spannung des ablaufenden Seiles nicht genügt, um das Seil in allen Umwicklungen mit der vorderen auflaufenden Seilspannung arbeiten zu lassen. Es findet daher so lange ein Rutschen des Seils statt, bis durch Abnutzung der Rillen der erforderliche Konus hergestellt ist. Nach längerem Betriebe wird jedoch die Rille der ersten und zweiten halben Umwicklung des Trommelpaares die größte Abnutzung zeigen, da dieselbe dem stärksten Seildruck während des Schleppens der Fahrzeuge ausgesetzt ist. Alsdann muss die Kette oder das Seil, wenn diese aus der ersten Umwicklung in die zweite einlaufen, um die Differenz der Umwicklungs-Länge, welche durch die Abnutzung der Rillen entstanden ist, sich strecken, oder es muss ein Rutschen der letzten Seilstränge stattfinden. Die Kette lässt jedoch eine Streckung nur in äußerst geringem Maaße zu; beim Drahtseile verhält sich dies ganz anders. Ist die Streckung zu groß, so muss ein Bruch bei jener wie bei diesem stattfinden, Fig. 3.

Ist z. B. die Abnutzung der Rillen der ersten Umwicklung , so ist die Verkürzung der Umwicklungs-Länge gegen die anfängliche .

Man sieht hieraus, dass bei so geringer Abnutzung die Streckung schon eine ganz bedeutende ist.

Bei den Kettenschiffen beträgt der Abstand der Trommeln ca. 2,8 m. Die Kettenstränge werden aber bei diesem Trommelabstande schon weit über die Elastizitäts-Grenze des Materials in Anspruch genommen, daher ein Aufgehen der Schweißstellen und Bruch der Kette unvermeidlich ist.

Beim Befahren an der im Flussbette stramm liegenden Kette oder beim Befahren von Kurven ist jedoch ein Rutschen der hinteren Kettenstränge meist nicht möglich; daher hier die größte Zahl der Brüche vorkommt.

Wie nun aber diesem Uebelstande entgegen treten?

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: a
Empfohlene Zitierweise:
W. Wernigh, Ingenieur: Ideen zur Ausführung der Touage auf der obern Donau, In: Deutsche Bauzeitung Band 19, S. 248–251. Carl Beelitz, Berlin 1885, Seite 250. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:1885_Ideen_zur_Ausf%C3%BChrung_der_Touage_auf_der_obern_Donau.pdf/2&oldid=- (Version vom 15.8.2018)