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schlosses und die frau oder braut für den helden des märchens (fast immer die königs- (kaiser-, zaren-) tochter) sind überall so gang und gäbe, dass über ihre ursprünglichkeit kein zweifel bestehen kann.

Im zweiten teil des märchens wird die aufmerksamkeit auf den dieb des zaubergegenstandes, auf die gründe der entwendung und die folgen des verschwindens für den helden des märchens gelenkt.

Der dieb des
zaubergegen-
standes.
Den zaubergegenstand stiehlt in den meisten fällen die junge frau des helden des märchens (Aa 1, 2, Ab 1–6, Ad 2, 3, 5, 6, Ae 2–4, Af 1, 2, Ag 1, 2, 4, Ah, Ai 3, 6, Aj 2, 3, 7, 10, 11, Ak, Al 2–5, Am 1–6, 8, An, Ap 2–5, Aq 1–4, As 2 (?), 3, Bb 2, 3, Cb 6, Db, Dd 2, Ga, H 1, 2, 6, Ha 1, 3–5, 9, Hb 1–3, Hc 1, 3–5, Hd 1, 3, He 2, Ia 1, 4, Ib 1 (?), 2, Ka, La 1[1]), seltener eine andere person (Ac, Ad 4, Aj 5, 8, Am 10, Ap 1, As 1, Ba, Bb 1 (?), Cb 2, 4, 5, Fb, Fd, Ha 2, Hd 2, Ja 1, 2, Lb, Tb 1, 2 (?)). Die erstere form ist also in Europa allgemein, kommt aber ausserhalb unseres erdteils selten vor. Der letzteren gehören die meisten asiatischen und einige europäische varianten an. Die asiatischen stimmen sämtlich in dem folgenden zug überein: Die frau lässt sich von dem dieb des gegenstandes, ohne seine betrügerische absicht zu kennen, zur beihilfe verleiten. Unter den erwähnten europäischen – fast durchgehends verderbten – varianten suchen wir in dieser beziehung dagegen vergebens nach einer gemeinsamen fundamentalen übereinstimmung. Eine eingehende betrachtung ergiebt denn auch, dass sie in mehreren fällen zufällige verdrehungen der in Europa herrschenden ersten form darstellen. Wir halten die in Asien feststehende form für die ursprüngliche[2] und die europäische (die frau des jungen als


  1. In La 1 stiehlt den zaubergegenstand die sklavin des bären, wendet ihn aber nicht selber an, sondern bringt ihn sofort dem wolf, auf dessen aufforderung sie handelt.
  2. Der zug tritt als solcher auch in zwei älteren buchvarianten des märchens auf, von denen sich die eine in der arabischen sammlung „Tausend und eine Nacht“, die andere im Pentamerone findet. In der letzteren ist jedoch an die stelle der frau des helden des märchens deren tochter getreten.
Empfohlene Zitierweise:
Antti Aarne: Vergleichende Märchenforschungen. Société Finno-ougrienne, Helsingfors 1908, Seite 45. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Aarne_Vergleichende_M%C3%A4rchenforschungen.djvu/65&oldid=- (Version vom 31.7.2018)