inneren Kräfte wirken sollen, die sich aus einer solchen potentiellen Energie herleiten. Nur indem man hierüber bestimmte Annahmen macht, wird man über das Verhalten des Lorentzschen Elektrons bei allgemeineren Bewegungen (nicht quasistationären oder nicht rein translatorischen) etwas Bestimmtes aussagen können. Man kann daran denken, elastische Kräfte zwischen den benachbarten Volumelementen des Elektrons anzunehmen, und eine Theorie des deformierbaren Elektrons von der in § 16 angedeuteten Art zu entwickeln. Eine solche Theorie würde die Trägheit des Elektrons erklären, aber nicht rein elektromagnetisch; sie würde die kinetische Energie zurückführen auf die weniger gut verstandene potentielle Energie und auf die elektromagnetische Energie. Auf einer solchen Dynamik des Elektrons läßt sich kein elektromagnetisches System der Physik aufbauen. Wenn man in die Dynamik des Elektrons elastische Kräfte einführt, so ist es logisch unmöglich, die Elastizität der Materie durch Zurückführung auf die Mechanik der Elektronen rein elektromagnetisch zu deuten.
H. A. Lorentz hat gezeigt, daß die Formel (125a) für die transversale Masse die Versuche Kaufmanns nicht wesentlich schlechter darstellt, als unsere Formel (117a). Es ist zu hoffen, daß weitere experimentelle Untersuchungen darüber entscheiden, welche von den beiden Theorien in dieser Hinsicht den Vorzug verdient. Sollte die Entscheidung zugunsten des Lorentzschen Elektrons fallen, so würde dieses Ergebnis gegen die Möglichkeit eines rein elektromagnetischen Weltbildes Zeugnis ablegen. Die Hoffnung, in den Elektronen die kleinsten Bausteine des Weltgebäudes gefunden zu haben, würde dann als fehlgeschlagen zu betrachten sein.
Max Abraham: Theorie der Elektrizität, Zweiter Band: Elektromagnetische Theorie der Strahlung. Teubner, Leipzig 1905, Seite 209. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:AbrahamElektromagnetismus1905.djvu/217&oldid=- (Version vom 31.7.2018)