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Seite:AdlerStudie.djvu/65

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Siegfried M., 33 Jahre alt, Kaufmann, beiderseitige Spitzeninfiltration, starke Abmagerung. Kein Gaumenreflex.

Anna E., 28 Jahre alt. Gastwirtin, leidet alljährlich mehrmals an Angina tonsillaris. Ein Bruder ist an Tuberkulose gestorben, der Vater leidet an Emphysem. Patientin hat gesunde Lungen. Über der linken Klavikula ein Naevus pigmentosus. Ein Onkel der Patientin väterlicherseits ist ein gefürchteter Dauerredner, der viel in Versammlungen spricht. Patientin zeigt Mangel des Gaumenreflexes. Rachenreflex normal.

Ich habe des öfteren darauf hingewiesen, daß ich den Diabetes mellitus sowie die meisten der Glykosurien als Erkrankung des minderwertigen Ernährungsapparates, speziell des minderwertigen Pankreas und der Leber anzusehen bemüßigt bin. Ich verweise nochmals auf die Heredität bei dieser Affektion, auf den Zusammenhang mit Darmerkrankungen des Patienten und seiner Anverwandten, auf das Auftreten von Psychosen und Neurosen bei Diabetikern und ihren Familienmitgliedern, auf äußere Stigmen und Kinderfehler in der Anamnese. Hier kann ich noch hinzufügen, daß ich an einer kleinen Zahl von Fällen die Überzeugung gewann, daß die Reflexfähigkeit des Gaumens bei Glykosurie und Diabetes die gleichen Anomalien aufweist wie bei anderen Erkrankungen des minderwertigen Magendarmtraktes; der Gaumenreflex ist gewöhnlich verschwunden, und dieser Mangel muß als Zeichen der Organminderwertigkeit gelten. Das Fehlen des Patellarsehnenreflexes bei Diabetikern hat wohl eine andere Bedeutung, nämlich die eines Zeichens der segmentalen Minderwertigkeit.

Ich lasse die Fälle von Diabetes folgen, wie sie mir in der letzten Zeit untergekommen sind:

David W., 25 Jahre alt, Student, hat in jüngeren Jahren an hartnäckiger Obstipation gelitten. Vor 4 Jahren wurde sein Diabetes entdeckt, der mit großen Zuckerausscheidungen, zeitweiser Azetonurie und Azetessigsäureausscheidung einherging. Toleranz sehr gering. In der Familie kein weiterer Fall von Diabetes. Der Vater litt an Anfällen von monatelanger Dauer, bei denen er nicht gehen, noch sprechen konnte. Eine Schwester litt vorübergehend an einer Psychose. Patient lispelt noch heute recht auffällig. Die Patellarsehnenreflexe sind beiderseits stark herabgesetzt, Gaumen- und Rachenreflex fehlt.

Margit B., bei II. besprochen; Obstipation bis in die früheste Kindheit reichend, Sprachfehler, Singultusanfälle in der Pubertät, hysterische Angst. Kein Gaumenreflex, sehr abgeschwächter Rachenreflex. Vater an Diabetes gestorben. Bruder litt bis ins 12. Jahr an

Empfohlene Zitierweise:
Alfred Adler: Studie über Minderwertigkeit von Organen. Urban & Schwarzenberg, Berlin und Wien 1907, Seite 53. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:AdlerStudie.djvu/65&oldid=- (Version vom 31.7.2018)