Seite:AdlerStudie.djvu/71

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

zu machen: Albuminurie bei Darmaffektionen, Nephritis bei Diabetes, gleichzeitige Steinbildungen der Gallen- und Harnwege etc.

Auch bei den die Lungentuberkulose begleitenden Affektionen wird es sich oft um Erscheinungen einer gleichzeitigen Minderwertigkeit handeln. So bei Albuminurien, Glykosurien, Strumen, den früher erwähnten Magen-Darmerkrankungen, Herzaffektionen, Lymphadenitis und bestimmten Hautaffektionen. Nehmen wir dabei primäre Minderwertigkeiten des Harn-, des Darmapparates, der Haut usw. an, so wird leicht verständlich, daß unter bestimmten Verhältnissen auch diese Organe an Tuberkulose erkranken, sobald die Infektionsmöglichkeit gegeben ist.

Eine große Rolle spielt diese Koordination in bezug auf den Sexualapparat und andere Organe, deren beider Minderwertigkeit oft nur wenig ausgeprägt, aber so häufig vorzufinden ist, daß ich behaupten möchte, es gibt keine Organminderwertigkeit ohne begleitende Minderwertigkeit des Sexualapparates. Diese Annahme wird von vornherein durch die Erscheinung der Heredität in der Minderwertigkeitslehre wahrscheinlich gemacht. Da nun die hereditäre Schwäche im Spermatozoon und Ovulum präformiert sein muß, ist es zu verstehen, daß die Bildungsstätten beider, im weiteren Ausmaße der ganze Sexualapparat an der Minderwertigkeit partizipiert. Dies scheint mir ein Grundgesetz der Organminderwertigkeitslehre, daß jede Organminderwertigkeit ihre Heredität durchsetzt und geltend macht auf Grundlage einer begleitenden Minderwertigkeit im Sexualapparat. Dabei hat uns vorläufig der historische Beginn der Organminderwertigkeit nicht zu kümmern, deren hereditäre Bedeutung offenbar auch erst mit dem Ergriffensein der Sexualsphäre in Erscheinung treten konnte. Die Annahme einer inneren Sekretion der Geschlechtsdrüsen tangiert unsere Beweisführung wenig. Bestehen auch Sekretionsmangel oder Hyperfunktion zurecht, sie könnten wieder nur auf andere Organe je nach deren Minderwertigkeitsgrad wirken, die sich selbst so als minderwertig bekundeten. Das ungetrübte Bild solcher aufeinander wirkender Organe erhält man erst durch die Postulierung einer gleichzeitigen Minderwertigkeit. Die Untersuchungen aus dieser Gruppe werden ein riesiges Gebiet zu umfassen haben. Vorarbeiten, die übrigens wieder nicht unserem Standpunkt der gleichzeitigen Minderwertigkeiten gerecht werden, liegen in überwältigender Fülle vor und bedürfen meist nur einer Weiterdeutung in unserem Sinne. So der Zusammenhang von Lageanomalien, Flexionen, Infantilismus, Menstruation, Gravidität, Klimakterium mit Affektionen des Verdauungsapparates, des Blutes, der Niere, des Herzens und der Lungen. So auch die Hartnäckigkeit und

Empfohlene Zitierweise:
Alfred Adler: Studie über Minderwertigkeit von Organen. Urban & Schwarzenberg, Berlin und Wien 1907, Seite 59. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:AdlerStudie.djvu/71&oldid=- (Version vom 31.7.2018)