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genuinen Erkrankungen erwarten dürfen, an der Prostata, der Blase, den Ureteren, den Nieren und der Harnröhre. Man wird aber auch Lokalisationen von Krankheiten, angeborene Anomalien, einen besonderen, meist schweren Verlauf von Infektion und funktionelle Affektionen antreffen. Als besonders interessante Tatsachen möchte ich aus meinem Material hervorheben Karzinom des Harnapparates, Schrumpfniere, Scharlachnephritis und schweren Verlauf von Gonorrhöe bei Enuretikern oder in deren Stammbaum.

Das zweite Minderwertigkeitszeichen, die Heredität, macht sich schon bei der Enuresis selber hervorragend bemerkbar. Nicht weniger allerdings auch durch Vertretung aller denkbaren Affektionen, Anomalien und Stigmen an irgend einem Anteile des Harnapparates, wie schon im obigen hervorgehoben wurde.

Auch die Degenerationszeichen, fälschlich oft als Ursachen der Enuresis angesehen, werden wir häufig antreffen als peripherstes Phänomen der Minderwertigkeit des Harnapparates. Allerdings auch des Sexualorganes, das sich fast regelmäßig als in die Minderwertigkeit miteingeschlossen erweist.

Bezüglich der Reflexanomalien ist auf den Sphinkterkrampf hinzuweisen, den man häufig auch bei gewesenen Enuretikern antrifft. Fast ebenso häufig trifft man bei der Sondierung der Harnröhre einen schlaffen, reaktionslosen Sphinkter externus, beides Anomalien, wie wir sie bei Besprechung des Gaumenreflexes hervorgehoben haben. Das Freudsche Symptom mancher Enuresisfälle, Adduktionskrampf der Oberschenkel bei brüskem Auseinanderzerren derselben, entspringt der Ausdehnung der Reflexzone des Sphinkters und steht in Analogie zur Würgbewegung bei gesteigertem Rachenreflex, die sich in manchen Fällen durch Vordringen des Spatels hinter die Zahnreihe schon auslösen läßt. Weiter sind hier noch anzuführen Harnstottern, Frösteln und Schüttelfrost beim Urinieren, funktionelle Dysurie, Harnretention und Pollakiurie, die man häufig bei gewesenen Enuretikern oder in ihrem Stammbaum antrifft.

Der segmentalen Minderwertigkeit bei Enuretikern muß ich großes Gewicht beilegen. Nicht so sehr den Hautanomalien, die sich als Naevi oder Neurofibrome in der Höhe der Niere, in der Blasengegend oder in der Schenkelbeuge oft vorfinden, sondern einer Minderwertigkeit, die oft den ganzen hinteren Rumpfabschnitt betrifft und sich als primäre Schwäche in der Harn-, Stuhl- und Samenentleerung geltend macht, die oft überwunden, auch überkompensiert werden kann und offenbar mit einer Minderwertigkeit des Rückenmarkes von der Lendenwirbelsäule

Empfohlene Zitierweise:
Alfred Adler: Studie über Minderwertigkeit von Organen. Urban & Schwarzenberg, Berlin und Wien 1907, Seite 76. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:AdlerStudie.djvu/88&oldid=- (Version vom 31.7.2018)