abwärts in Verbindung steht. Nicht selten sind in diese Minderwertigkeit die unteren Extremitäten mitinbegriffen. Diese Relation ist wichtig für die Frage der Tabes, der Ischias, der Stuhlinkontinenz in Enuretikerfamilien. Die Wirbelsäule beteiligt sich daran auch mit Andeutung von Spina bifida oder Deformität, die unteren Extremitäten mit Deformität, unproportionierten Beinen oder Gelenkserkrankungen.
Was die gleichzeitige Minderwertigkeit anderer Organe, besonders der Sexualorgane anlangt, so soll das vorliegende Material dafür sprechen. In der Literatur findet sich davon am häufigsten der Kryptorchismus erwähnt, den ich auch oft nachweisen konnte, und etwa noch Phimose, Hypospadie und Verklebung von Präputium und Eichel, wenn man diese als Minderwertigkeitszeichen der Sexualorgane gelten lassen will. Bedeutsamer für meine Behauptungen sind die Fälle von Geschwulstbildungen in den Sexualorganen, wie sie der Enuretikerstammbaum aufweist, und die fast regelmäßig nachweisbaren Anomalien im Sexualverkehr, vor allem Ejaculatio praecox. Auffallend oft sterben die Mütter aus Enuresisfamilien während oder nach einer Geburt, und man findet Enuretiker oft als Stiefkinder. Aus meinem Material geht hervor, daß Minderwertigkeitserkrankungen der Sexualorgane oder der Nieren solchen frühen Tod veranlassen können, während andere solcher Mütter durch eine schwere Geburt (Beckenanomalien als segmentale Minderwertigkeit), durch Schädigungen während einer der ersten Schwangerschaften vor Lebensgefahr infolge einer neuen Gravidität sich bewahren. In anderen Fällen bleibt die Konzeption aus oder stets wiederholter Abortus verhindert die Mutterschaft. Als Ursache findet man dann meist Uterusmyom, Nierenerkrankung oder Infantilität des Uterus (Enge des Orifiziums).
Die Beziehungen der Enuresis zum Zentralnervensystem und zur Psyche sind einigermaßen in der Literatur festgehalten, ohne daß die hier aufgedeckten Zusammenhänge gewürdigt worden wären. Freud, der am weitesten vorgedrungen war, hat die Bedeutung der infantilen Enuresis in Traum und Neurose hervorgehoben. Die Breslauer Schule und viele andere mit ihr halten umgekehrt die Enuresis für ein hysterisches Symptom. Den Harndrang und die Inkontinenz bei psychischer Mehrbelastung, bei Lachen und Weinen (Bechterew), bei Schreck, beim Anblick von Wasser und Feuer und anderes haben viele Autoren beobachtet, ohne wie Freud auf überstandene Enuresis zu schließen. H. Ellis hebt hervor, daß Musik bei Kindern und Tieren Harndrang hervorrufen könne, was übrigens bereits Shakespeare bekannt war, der seinen Shylok sagen läßt: „Noch andere können, wenn die Sackpfeife durch
Alfred Adler: Studie über Minderwertigkeit von Organen. Urban & Schwarzenberg, Berlin und Wien 1907, Seite 77. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:AdlerStudie.djvu/89&oldid=- (Version vom 31.7.2018)