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möglich, wenn das Bekenntniß mit Festigkeit und Entschiedenheit und doch zugleich mit Milde und öcumenischer Weite von oben gehandhabt, wenn der unselige indepedentistische Zug, der in der Gegenwart, auch öfters in lutherischen Kreisen, eine so große Macht hat, niedergehalten wird, wenn die Kirchenregimente ehrlich und treu die guten Elemente in Amt und Gemeinde pflegen, wenn der Pastorat aber auch vertrauensvoll um wohlgesinnte, bekenntnißtreue Kirchenobrigkeiten sich schaart, wenn innerhalb der landeskirchlichen Verbände freien Bestrebungen und sammelnder Thätigkeit Raum gegeben wird und kleinere Kreise mit den landeskirchlichen Aufgaben in Frieden zusammenwirken; wenn die Kirche es noch mehr als bisher verstehen lernt, den vielen, namentlich unter den Gebildeten, die der Kirche ferner stehen, aber doch mit ihr nicht gebrochen haben, nahe zu kommen und ihr religiöses Bedürfniß zu befriedigen: daß es dann doch nicht so leicht gelingen wird, wie manche glauben, unsere lutherischen Kirchengemeinschaften aus den Fugen zu treiben. Gott behüte uns vor falscher Sicherheit, er gebe uns aber auch ein helles Auge für Sein Walten unter unseren wenn auch niedrigen Verhältnissen! Er behüte uns vor dem Wahn, als sei eine Werthhaltung des Bestehenden, so weit es den innern Aufgaben der Kirche dient, schon an und für sich Latitudinarismus und Mangel an Begeisterung für die hohen Ziele der Kirche, als sei ein möglichst kühner Flug in stolze Verfassungsideale dasjenige, was uns im Drange der Gegenwart noth thut!

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 Es war uns höchst merkwürdig, in einem Blatt, das dem wunderlichsten Chiliasmus und sektirerischer Verachtung der bestehenden Kirchengemeinschaften huldigt, und letztere oft genug als Babel brandmarkt, dem Brüderboten, die Worte zu lesen: „...da entstehen Staatskirchen. Allein diese selbst, wie alles Gute, arten aus. Dann scheint es, als sei die Staatskirche an allem Unheil schuld. Allein es scheint nur so. Laßt einmal die Staatskirche weg sein, und wartet, ob dann Besseres kommt. Die Welt duldet die Kinder Gottes nicht. Die jetzt bestehenden kleineren Sekten und Brüderschaften meinen zwar, daß sie gut gethan haben, sich von der großen