Seite:Adolf von Stählin - Predigt über Röm. 12,12.pdf/5

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an Gegenwart und Zukunft, wie sie zur Zeit, da Christus in die Welt kam, weit verbreitet war, und dem seligen Leben der ersten Christen in Glaube und Liebe, in wunderbarer Hoffnungsfreudigkeit! Aber Hoffnungsfreudigkeit ist nicht blos ein Vorrecht der ersten Christengemeinde; alle christliche Lebensarbeit, alle christliche Erkenntnißarbeit, die gesamte Kirchenarbeit schaut aus nach dem Ziele der Hoffnung, kein Werk aber mehr als das Werk der Mission. Die Mission ist ja selbst die Vorstufe in der Durchführung des göttlichen Liebesrates an den Geschlechtern der Menschen, die Vorbedingung des Abschlusses aller Welt- und Reichsgeschichte. Denn unser Herr hat gesagt: „es wird gepredigt werden das Evangelium vom Reich in der ganzen Welt zu einem Zeugnis über alle Völker, und dann wird das Ende kommen (Matth. 24,14.).“ Die Mission wirkt und schafft, bis die Schar, stehend vor dem Stuhl und vor dem Lamm, angethan mit weißen Kleidern und Palmen in ihren Händen, gesammelt aus allen Heiden und Völkern und Sprachen vollzählig geworden (Offenb. Joh. 7,9); die Mission wandert über die Erde und wirbt für den Himmel, bis endlich die Stimme der Vollendung über Erd und Himmel ertönt: „es sind die Reiche der Welt unseres Herrn und seines Christus worden und er wird regieren von Ewigkeit zu Ewigkeit (Offenb. Joh. 11,15)“. Die Mission als Vorläuferin der in die Ewigkeit einmündenden Erfüllungszeit ist selbst Gegenstand der Christenhoffnung, sie lebt als Mithelferin zur Vollendung des göttlichen Ratschlusses von der Hoffnung wie kein anderes Werk. Alles aber, was sie ist und lebt und wirkt, ist sie, lebt sie, wirkt sie in Christo, der unsere Hoffnung (1. Tim. 1,1), die Hoffnung der Herrlichkeit (Kol. 1,27) ist, in dem Christus, in welchem als dem ewigen Gottessohne der Ratschluß der Erlösung für alle gefaßt wurde, der dießen Ratschluß durch Menschwerdung, Leiden und Sterben für alle vollbracht hat, und der ihn einst in Herrlichkeit hinausführen wird. Wie große Höhepunkte stehen vor unserem Glaubens- und Hoffnungsauge die erste und die zweite Zukunft des Herrn, die Reichsgründung und die Reichsvollendung; zwischen diesen Höhepunkten bewegt sich wie in einem tiefen Thale auf viel verschlungenen Pfaden der große Kampf, die große Arbeit der Mission. Zwischen der einmaligen Erlösungsthat und der ewigen Erlösungsfeier steht das mählich verlaufende Werk der Aneignung der Erlösung, der Errettung der einzelnen Seelen und ganzer Völker aus der grauenhaften Nacht des Götzendienstes zu dem wunderbaren Lichte unseres Herrn Jesu Christi. Jeder ernstliche Missionsangriff ist eine Weissagung auf den letzten Kampf zwischen Christus und dem Fürsten der Welt, jeder Missionserfolg eine Vorausnahme des letzten Sieges unseres Herrn Jesu Christi, jede Missionsfeier soll ein Vorblick sein auf die ewige Siegesfeier des Herrn und der Seinen.

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 Auf einem hohen Berge, im Herrn Geliebte, zeigte der Versucher dem Erlöser alle Reiche der Welt und ihre Herrlichkeit. Eine Weltherrschaft, erkauft mit der Huldigung dem Fürsten der Welt dargebracht, hat der Herr abgelehnt. Auf einem Berge Galiläas schaut er der Auferstandene alle Völker der Erde und ihre Reiche zu seinen Füßen liegend als Preis der