Seite:Album der Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen III.djvu/370

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Ober-Mittel- und Nieder-Mittel-Herwigsdorf getheilt wurde. Welches von diesen vier Rittergütern der Stadt Löbau gehörte, lässt sich nicht einmal vermuthungsweise bestimmen, da in den dürftigen Nachrichten die Namen nicht unterschieden werden. Ja der Stadtbesitz vor dem Pönfall könnte überhaupt zweifelhaft werden, wenn man eine spätere zuverlässige Nachricht damit in Verbindung bringen will. Das Domkapitel zu Budissin verkaufte nämlich im J. 1619 an die Stadt Löbau zwei dienstfreie Unterthanen zu Herwigsdorf, welche dasselbe im J. 1600 von Joachim von Gersdorf auf Herwigsdorf erkauft hatte. Wie lange Löbau im Besitze dieser Freibauern geblieben sei, sagt keine Nachricht; es wäre aber wohl möglich, dass spätere Chronisten diesen Besitz, weil er in ihrer Zeit nicht mehr stattfand, in die Zeit vor dem Pönfall gesetzt hätten. Von Herwigsdorf’s Besitzern lassen sich folgende, freilich nicht in lückenloser Reihe, namhaft machen: Hans v. Gersdorf 1531; der Hofrichter zu Löbau und Budissin Nickel v. Metzrad, bereits 1540, † 1552; Melchior v. Gersdorf 1576; Joachim v. Gersdorf 1600. Ein Herr von Scharfsod muss Nieder-Mittel-Herwigsdorf besessen haben, da es nach seinem Namen noch das scharfsöderische Gut heisst. Ferner die Herren von Haugwitz, von Löben und von Rodewitz, um 1671 ein Herr von Schwanitz, 1717 ein Herr von Theler und 1726 ein Herr von Klüx. Auf diesen folgte Johann Friedrich von Ingenhäf auf Mittel-Herwigsdorf, bereits 1741, welcher am 3. Febr. 1761 starb und seinen älteren Sohn Ludolph Friedrich Gottlob von Ingenhäf zum Nachfolger hatte. Dieser starb am 29. Februar 1772 ohne männliche Erben. Ihm folgte als Besitzer von ganz Herwigsdorf ein Herr von Gersdorf, dem es im J. 1782 der damalige Geheim-Rath Gottlieb Wilhelm v. Bressler, nachmals in den Grafenstand erhoben, abkaufte. Seit 1819 besass es die Tochter desselben Frau Johanne Victorie Gottliebe Gräfin von Löben und nach deren Tode ihr Neffe, ein Graf von Bressler, welcher es seinen Gläubigern abtreten musste. Ober- und Nieder-Herwigsdorf erkaufte im J. 1837 Frau Johanne Rahel Röthig geb. Jeremias und ihr folgten seit 1860 in Ober-Herwigsdorf Herr Friedrich August Röthig, in Nieder-Herwigsdorf aber Herr Karl Eduard Röthig. Ober-Mittel-Herwigsdorf erwarben 23 angesessene Einwohner daselbst, welche einen besondern Lehnsträger bestellten. In den letzten 70 Jahren hat sich die Zahl der Häuser ansehnlich vermehrt; im J. 1789 betrug sie 98, im J. 1839 bereits 172, im J. 1858 aber 210. Die Einwohnerzahl belief sich am 1. Decbr. 1858 auf 1166. Unter den Einwohnern, welche meist von Ackerbau leben, finden sich geschickte Steinmetzger.

Alle diese Besitzungen bildeten ihrer geographischen Lage nach ein zusammenhängendes nicht unbeträchtliches Gebiet. Abgesondert lag der Kottmarwald, südlich von Kottmarsdorf und von Eybau und Ebersbach begränzt. Die Stadt Löbau erwarb ihn bereits im J. 1311 für 80 Mark Silbers. Da er für die Stadt ein sehr werthvolles Besitzthum war, so durfte nach dem Verluste im Pönfall kein Opfer gescheut werden. Die Stadt erwarb ihn und das Dorf Oelsa am 15. Juni 1552 für den Kaufpreis von 2100 Thalern. Früher war er beträchtlicher als jetzt, wo sein Flächenraum noch 749 Acker und 232 ◻Ruthen umfasst; es gehörte dazu der Grund und Boden des Dorfes Walddorf, welches auf einer im J. 1660 durch einen bedeutenden Windbruch entstandenen Waldblösse nach und nach erbaut wurde. Es siedelten sich nämlich neben dem hier stehenden Försterhause einige Mährische Emigranten an und in kurzer Zeit mehrte sich die Häuserzahl so beträchtlich, dass Kurfürst Johann Georg III. im J. 1691 die Erlaubniss zur Gründung eines besondern Dorfes ertheilte. Die neue Anlage „unterm Walde“ ward bei einem Kindtaufschmausse am 20. August 1691 mit dem Namen Walddorf belegt. Seitdem ist hier ein zwar alles Ackerbaues ermangelndes, aber gewerbfleissiges Weberdorf erwachsen, welches bei dem Kirchenbau im J. 1708 erst 38 Häuser hatte, jetzt aber deren 184 zählt. Am 1. Decbr. 1858 gab es darin 1282 Einwohner.

Der Löbauer Berg, inmitten der Fluren von Tiefendorf, Ebersdorf, Wendisch-Paulsdorf und Körbigsdorf gelegen, dessen Waldung jetzt einen Flächenraum von 313 Ackern 132 ◻Ruthen einnimmt, hat gleichfalls seit unbekannter Zeit zur Stadt Löbau gehört. Sie musste ihn beim Pönfall abtreten und erhielt die eine Hälfte am 19. October 1549 wieder zurück. Die andere Hälfte verkaufte K. Ferdinand I. am 8. Octbr. 1549 an den oft genannten Nickel von Metzrad auf Herwigsdorf und die Stadt Löbau konnte dieselbe erst im J. 1576 zugleich mit Ebersdorf durch Kauf wieder erwerben.

Geringerer und theilweise wieder veräusserter Erwerbungen nicht zu gedenken wurde das Gebiet der Stadt Löbau, jetzt die Fluren von der Stadt selbst einschliesslich Tiefendorfs und von Alt-Löbau, Oelsa, Ebersdorf und Walddorf umfassend, am 3. Mai 1839 durch den Ankauf der Rittergüter Lehn und Jauernick vergrössert. Beide Rittergüter, nordwestlich von Löbau gelegen und von den Fluren Eiserode, Nechen, Gross- und Klein-Dehsa, Plotzen und Peschen umgränzt, sind seit einer Reihe von Jahren (ursprünglich aber wohl nicht) vereinigt gewesen. Ihre Geschichte kennt man aber nur unvollkommen. Im 17. und 18. Jahrhundert werden die von Gersdorf als Besitzer genannt und zwar um 1690 der Lieutenant Gottlob Ehrenreich v. Gersdorf und 1758 Johann Ernst von Gersdorf, der nachmalige Stifts-Verweser zu Joachimstein. Nachher kaufte sie der Kaufmann und Rathsherr zu Budissin, Johann Christoph Prenzel. Nach seinem Tode folgte ihm als Herr auf Lehn und Jauernick sein zweiter Sohn Ferdinand Traugott Prenzel. Die Stadt Löbau erwarb beide Güter für den Preis von 45,500 Thalern, verkaufte aber später (um 1847) das Rittergut Jauernick an den Buchdruckereibesitzer F. W. Hohlfeld. Jetzt besitzt es Herr A. W. Jordan. Es besteht aber nur aus 1 bewohnten Gebäude und 7 Einwohnern.

Die Stadt Löbau und ihr Gebiet zählte am 1. Decbr. 1858 in 921 Häusern 7689 Bewohner, und der Flächenraum der Communbesitzungen wird zu 1317 Ackern 4 ◻Ruthen angegeben.


Das Domstift St. Petri zu Budissin,

dessen Decan unter den römisch-katholischen Prälaten bei der Ständeversammlung des Königreichs Sachsen, wie vormals auf den Oberlausitzischen Landtagen die erste Stelle einnimmt, gehört gleichfalls zu den ansehnlichsten Grundeigenthümern der Oberlausitz. Es wäre hier ein reicher Stoff zu erschöpfen; allein die urkundlichen Unterlagen sind keineswegs vollständig genug, um über die Erwerbungen des Domstiftes einen gründlichen Bericht erstatten zu können. Die neueren Forschungen im Stiftsarchiv haben vielmehr ergeben, dass gar Vieles dunkel, zweifelhaft und unerforschbar bleiben wird. Bis auf gründlichere Forschungen mag folgende Uebersicht hinreichen, von dem vormaligen und jetzigen Bestand der domstiftlichen Besitzungen einige Kunde zu geben. Der Grundbesitz des Budissiner Dom-Capitels, theilweise auf Stiftungen beruhend, theilweise durch Ankauf erlangt, hat während einer Zeit von mehr als 600 Jahren so häufigen Wechsel erfahren, dass es zweckmässig sein dürfte, zuerst von den vormaligen Stiftsgütern zu sprechen und hierauf den gegenwärtigen Besitzstand zu erörtern.

Unter den vormaligen jetzt dem Domstift nicht mehr gehörenden Besitzungen wurden, soviel bekannt ist, folgende Ortschaften und beziehentlich Antheile namhaft gemacht: Nieder-Kayna, Weissenberg, Gross- u. Klein-Schweidnitz, Schmiedefeld, Schönberg, Bischdorf, Burk, Clapingdorf, Reichenbach, Rosenhain, Pritschwitz, Rackel, Klein-Seitschen, Raschitz und Gross-Dubrau.

Von Nieder-Kayna, Weissenberg, Gross- und Klein-Schweidnitz weiss man die Zeit der Erwerbung nicht mehr. Von Nieder-Kayna gehörte dem Domstifte schon im J. 1222 und noch im 18. Jahrhundert ein Mensus Grund und Boden, über dessen Verkauf keine Nachricht vorliegt. Wenn Weissenberg im J. 1228 gegen Wawitz vertauscht wurde, so betraf dieser Tausch nur einen Theil jenes schon damals als Sitz eines Advocatus bedeutenden Orts. Das Sachverhältniss ist unbekannt. Ueber den domstiftlichen Besitz von Gross-Schweidnitz fehlt jeder gründliche Nachweis. Von Klein-Schweidnitz scheint das Domstift nur einen oder zwei Bauern besessen zu haben, welche im J. 1589 (oder 1598) gegen den s. g. Hopfengarten in Gross-Dehsa dem Herrn von Nostitz, dem Besitzer von Klein-Schweidnitz überlassen wurden.

Schmiedefeld, 1 Stunde nördlich von Stolpen an der Sächsisch-Schlesischen Eisenbahn gelegen, gehörte seit 1221 zu den Dotationsgütern des Domstiftes, in dessen Besitz dieses Kirchdorf bis um 1571 blieb. Ein urkundlicher Nachweis über die Veräusserung desselben kann nicht gegeben werden.

Schönberg, früher Schömberg und urkundlich Schimberg, nördlich von Nieder-Cunewalde, erwarb das Domstift nebst Cunewalde im J. 1317 von Otto Herren von Camenz. Im J. 1622 ward es angeblich für 3180 Meissnische Gulden an den keiserl. Reichshofrath Felix von Rüdiger (Rüdinger) auf Weigsdorf verkauft und seitdem

Empfohlene Zitierweise:
Gustav Adolf Pönicke (Hrsg.): Album der Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen III. Section. Expedition des Albums Sächsischer Rittergüter und Schlösser, Leipzig 1854–1861, Seite 252. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Album_der_Ritterg%C3%BCter_und_Schl%C3%B6sser_im_K%C3%B6nigreiche_Sachsen_III.djvu/370&oldid=- (Version vom 17.10.2016)