welche den Churfürsten nicht nach Leipzig begleitet hatte, befand sich in der Stadt beim Kanzler zum Schmause, und so war es am Ende kein Wunder, dass Kaufungens verwegenes Unternehmen gelang.
Jetzt begab sich der Ritter nach dem Schlafzimmer der Prinzen, das er zwar verschlossen fand, aber mit einem Dietrich öffnete. Durch das Geräusch erwachte Prinz Ernst und rief nach der alten Kammerfrau, welche im Gemach schlief: „Bule, Bule, Kunz Kaufungen ist da und will uns morden, ruft die Frau Mutter, dass sie uns helfe!“ Kunz aber drohte Jeden zu erstechen, der es wagen würde, nach der Thür zu gehen und forderte dann die zitternden Prinzen auf, ihm zu folgen, er wolle ihnen nichts zu Leide thun, sondern bloss ihren Herrn Vater zwingen, ihm seine Güter wiederzugeben. Für den Fall aber, dass, sie Lärm machen würden, schwur er, sie ohne Barmherzigkeit mit seinem Dolche zu erstechen.
Während dieser Zeit waren noch einige der Verschworenen in das Schloss gestiegen und traten in das Schlafgemach der fürstlichen Söhne. Jetzt hob Kaufungen den ältesten Prinzen, Ernst, aus dem Bette, warf ihm die Kleider über und ging mit ihm fort, nachdem er Wilhelm von Mosen den Auftrag ertheilt hatte, das andere Herrlein nachzubringen. Dieser ergriff jedoch in der Eile anstatt des Prinzen Albrecht einen jungen Grafen von Barby, der mit den churfürstlichen Kindern erzogen wurde. Kaufungen erkannte sofort den Irrthum; er übergab Mosen und Schönfels den Prinzen Ernst mit dem Befehle, sogleich mit ihm davon zu reiten, während er selbst durch das mittlerweile von Schwalbe geöffnete Schlossthor mit dem kleinen Barby zurückging und den jüngern Prinzen, der sich unter das Bett verkrochen hatte, hervorzog.
Das Alles hatte nun freilich nicht ohne einiges Geräusch abgehen können und so waren mehrere Hofdamen und endlich auch die Churfürstin wach geworden. Letztere gedachte sogleich des gehabten Traumes, und als sie die Thür verrammelt fand, ahnte sie, was vorging und eilte hülferufend nach dem Fenster. Hier sah sie, wie Kaufungen eben ihren kleinen Sohn über den Hof führte und lautaufschreiend jammerte die verzweifelnde Mutter: „Lieber Kunz, thut nicht so übel an mir und meinem lieben Herrn, alle Eure Sachen sollen gut werden!“ Kunz aber hörte nicht auf den Wehruf der angstvollen Mutter, er zog den widerstrebenden Prinzen mit sich fort, setzte ihn auf ein Pferd und nach wenigen Augenblicken war der Hufschlag der davoneilenden Pferde verklungen.
Die Frauenzimmer erhoben nunmehr im Schlosse einen heillosen Lärm, sie sprengten eine Thür und liefen jammernd hinab nach der Stadt, wo Alles in die furchtbarste Bestürzung gerieth. Die Hofherren rannten wie unsinnig nach dem Schlosse, Alles schrie und lief wild durcheinander, und es dauerte geraume Zeit, ehe man an Verfolgung der Räuber dachte und die Sturmglocken läutete.
Kunz von Kaufungen hatte die Absicht, den geraubten jungen Fürsten nach seinem Schlosse Eisenberg in Sicherheit zu bringen, desshalb ritt er mit ihm durch die Waldung Leine und den Rabensteiner Forst und kam gegen Morgen in der Gegend des Klosters Grünhain, nicht weit von Elterlein an. Nach kurzer Rast im Walde ritt der Zug bis Wiesenthal, wo die Flüchtlinge bereits das Läuten der Sturmglocken und das ferne Geschrei der Verfolger vernahmen. Aber der tollkühne Kunz, der wegen der nahen Böhmischen Grenze sich schon in Sicherheit wähnte, kümmerte sich wenig um den Lärm und erlaubte sogar dem Prinzen, welcher über Hunger und Müdigkeit klagte, abzusitzen und Waldbeeren zu suchen, ja er war unbesonnen genug, fünf seiner Begleiter vorausreiten zu lassen, so dass blos sein Knappe Schweinitz und ein reisiger Knecht bei ihm blieb. Die Vorsehung wollte indessen nicht, dass der Kinderraub vollständig gelingen sollte. Ein Hund witterte den Ritter Kunz und den Prinzen im Dickicht, wo sie Erdbeeren suchten, und bellte so lange, bis sein Herr, ein Köhler Namens Georg Schmidt von Grünhain hinzukam. Diesem fiel es auf, drei bewaffnete Männer mit einem zarten vornehm gekleideten Knaben im dicken Walde zu finden und so fragte er den Ritter trotzig, wohin er mit diesem Kinde zu ziehen willens sei? – Kunz antwortete unbefangen, es sei ein böser ihm entlaufener Bube, und vielleicht hätte sich der ehrliche Köhler durch Kaufungens Harmlosigkeit täuschen lassen, wenn nicht ein glücklicher Zufall dem Prinzen zu Hülfe gekommen wäre. Kunz blieb nämlich mit einem seiner langen Sporen im Haidekraut hängen und stürzte zu Boden, und diesen Augenblick benutzte der Prinz, dem Köhler eilig zuzuflüstern: „Ich bin ein Prinz von Sachsen, mache mich wieder los, mein Herr Vater soll dirs vergelten!“
Der Knappe Schweinitz sah, dass der Prinz dem Köhler etwas zuraunte, und zog wüthend das Schwert, um dem fürstlichen Knaben das Haupt zu spalten, dazu liess es aber der rüstige Köhler nicht kommen. Aus Schweinitzens Wuth schloss der Waldmann, dass Kunz ihn belogen, desshalb schlug er dem Knappen das Schwert aus der Hand und hetzte den grossen Hund auf ihn, während er selbst mit seinem Schürbaum unbarmherzig auf den noch immer hülflos daliegenden Ritter losprügelte und ihn todtgeschlagen haben würde, wenn nicht der Prinz selbst um Schonung gebeten hätte. – Durch das Gebell des Hundes und das Geschrei der Menschen war auch des Köhlers Weib herbeigekommen, und weil sie ihren Mann von Räubern angefallen wähnte, gab sie durch Schläge mit einer Holzaxt das bei den Köhlern übliche Hülfssignal, worauf von allen Seiten russige Gestalten mit Aexten und Schürbäumen bewaffnet herbeistürzten und Kunzen nebst seinen beiden Gefährten trotz aller Versprechungen gefangen nahmen. Den Prinzen aber führten sie in eine Köhlerhütte und traktirten ihn hier mit schwarzem Brod und frisch geschöpftem Quellwasser. Einer aus ihrer Genossenschaft musste sofort nach Grünhain laufen und den Abt des dortigen Klosters von dem frohen Ereigniss unterrichten, der den Prinzen und die Gefangenen abholen und den vorausgerittenen fünf Reisigen nachsetzen liess, die auch wirklich noch auf Sächsischem Boden angetroffen und verhaftet wurden. Darauf schickte der Abt die sämmtlichen Gefangenen an den Oberamtshauptmann von Schönburg in Zwickau, der sie in feste Kerker warf, den Prinzen aber begleitete er nach Altenburg zu seiner betrübten Mutter. Am 10. Juli traf der Prinz unter Begleitung vieler Edelleute daselbst ein, vor dem Zuge aber, seinen mächtigen Schürbaum auf der Schulter, trabte Georg Schmidt, der tapfere Köhler.
Nach getroffener Verabredung sollten Mosen und Schönfels mit dem Prinzen Ernst durch das Voigtland nach Franken flüchten, das Stürmen der Glocken und das Getöse der Streifpatrouillen, namentlich aber die Schreckenskunde von Kaufungens Gefangenschaft trieben sie nach einem vergeblichen Versuche sich bei dem Pfarrer in Hartenstein einzuquartiren in den Wald zurück, wo sie in einer nahe am Muldenstrome gelegenen Höhle drei Tage lang blos von Wasser
Gustav Adolf Pönicke (Hrsg.): Album der Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen I. Section. Expedition des Albums Sächsischer Rittergüter und Schlösser, Leipzig 1860, Seite 43. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Album_der_Schl%C3%B6sser_und_Ritterg%C3%BCter_im_K%C3%B6nigreiche_Sachsen_I.djvu/059&oldid=- (Version vom 21.5.2018)