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Mölbis.


An der, trotz der concurrirenden Eisenbahn, noch immer sehr frequenten Chaussee von Leipzig nach Borna, liegt, ungefähr 4 Stunden von ersterer und 1 Meile von letzterer Stadt entfernt, das freundliche Vorwerk Crossen mit schönen Wirthschaftsgebäuden und einer Schäferei. Dasselbe gehört zu dem eine kleine halbe Stunde seitwärts gelegenen Rittergute Mölbis, seit dem 1. Mai 1855 Besitzthum des auch in weiteren Kreisen bekannten und hochgeachteten Herrn Georg Wilhelm Wünning, Ritter des K. Sächs. Civil-Verdienst-Ordens und Handlungs-Deputirten der Stadt Leipzig.

Ueber die frühere Geschichte von Mölbis fehlen bis zum Anfange des sechszehnten Jahrhunderts fast alle sicheren Quellen, ja selbst die mündlichen Traditionen sind nur spärlich. Dem Vermuthen nach war in früheren Zeiten eine Probstei hier, die aber der Reformation weichen und den späteren lutherischen Geistlichen zum Pfarrhaus dienen musste. Nach anderen stand an der Stelle, wo jetzt das Schloss sich erhebt, ein Kloster, von welchem ein unterirdischer Gang zu einer Kapelle unfern des Dorfes geführt haben soll. Die Stelle, auf der diese Kapelle gestanden hat, wird jetzt der Miertzsch genannt, auch ist zwischen Mölbis und dem Miertzsch noch der sogenannte Messweg vorhanden. Wann und auf welche Weise die Kapelle spurlos verschwand, darüber fehlen alle zuverlässigen Angaben. Die Kapelle am Miertzsch war ohne Zweifel eine kleine Wallfahrtskirche, deren Gottesdienst dem Pfarrherrn zu Mölbis oblag.

Mölbis hat seine Herren oft gewechselt, als solche werden genannt: Melchior von Etzdorf um 1488; Georg von Haugwitz 1574; Innocenz von Starschädel der ältere 1579; der jüngere 1650; Wolf Hildebrand von Gustädt 1670. Am längsten hat es sich im Besitze der altberühmten Familie von Bose erhalten, deren einer, Adam Heinrich von Bose, der Erbauer der jetzigen Rittergutsgebäude und der Kirche (letztere nach dem Modelle der Moritzburger Kapelle) ist.

Adam Heinrich von Bose, der Sohn Christoph Dietrich von Bose’s ward am 3. März 1667 auf dem Gute seines Vaters zu Unter-Frankleben geboren. Schon früh zeigte sich in dem geistig und körperlich sich kräftig entwickelnden Knaben die Lust zum Soldatenstande und so trat er im Jahre 1689 als Freiwilliger in das churfürstlich sächsische Heer, wohnte als solcher noch in demselben Jahre der Belagerung von Mainz bei, avancirte bald zum Lieutnant, ward 1694 Major, 1696 Oberst-Lieutnant, 1699 Oberst und 1710 General-Major. Als solcher kam er – in welchem Jahre ist unbekannt – in den Besitz von Mölbis und Tragis, baute, wie schon erwähnt, in ersterem Orte Rittergut und Kirche und verlebte die wenigen Jahre der Ruhe, die jene kriegesschwangeren Zeiten ihm gönnten, wie eine alte Chronik sagt, „einfach und gottesfürchtig“ auf seinem selbstgeschaffenen Wohnsitze. Durch den Tod seines Vaters auch Erb-, Lehn- und Gerichtsherr zu Nickern und Frankleben geworden, überliess er das Letztere seinem Bruder, dem Geheimen Rathe Christoph Dietrich von Bose, einem sehr gelehrten und staatsklugen Manne, der nach mancherlei Anfeindungen und Kränkungen seine Stellung in Sachsen verliess und als Reichs-Hofrath in kaiserliche Dienste trat, auf Ersuchen seines churfürstlichen Herrn aber nach seinem Vaterlande zurückkehrte, hier seine alten Würden, aber auch seine alten Feinde, wiederfand und deren rastlosem Streben unterliegend 1738 als Staats-Gefangener auf Schloss Pleissenburg in Leipzig wanderte und hier am 23. November 1741 verschied.

Empfohlene Zitierweise:
Gustav Adolf Pönicke (Hrsg.): Album der Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen I. Section. Expedition des Albums Sächsischer Rittergüter und Schlösser, Leipzig 1860, Seite 116. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Album_der_Schl%C3%B6sser_und_Ritterg%C3%BCter_im_K%C3%B6nigreiche_Sachsen_I.djvu/180&oldid=- (Version vom 30.7.2020)