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Tanneberg
bei Nossen.


Tanneberg liegt im Amtsbezirke Meissen, zwei Stunden von Wilsdruf und zwei und eine halbe Stunde von Nossen an der Dresdner Chaussee, und besteht aus siebenundsechszig Häusern mit etwa fünfhundert Einwohnern.

Der Ort wird eingetheilt in Alttanneberg, welches sich zur Linken des Trübischthales hinbreitet, und in Neutanneberg, das in einzelnen Häusern bis hinab zur Trübisch reicht, über welche sich hier eine Steinbrücke wölbt. Nahe bei Neutanneberg liegt ein grosser Steinbruch und im Thale die Eilenmühle, die nördliche Seite des Dorfes aber, zeigt auf steiler buschiger Höhe die Kirche und das Rittergut, und in kurzer Entfernung die nach Tanneberg gehörige Dammmühle, welche ihr Wasser von einem der Trübisch zueilenden Bache empfängt. Ein Fussweg, der westlich vom Dorfe von der Chaussee ausläuft und über Rothschönberg, Wendischbora und weiter, bis fast nach Topschedel, führt, leitet den Wanderer durch die reizendsten Gegenden. Ueppige Wiesen wechseln mit waldigen Berghängen, deren kahle Gipfel weidenden Schafheerden treffliche Nahrung bieten und in tausend Windungen, bald über Sand bald über Steingerölle hineilend, durchzieht das liebliche Thal die forellenreiche Trübisch, welche im Tharander Walde entspringend, nach achtstündigem Laufe und einem Falle von fünfhundertsechszig Ellen bei Meissen in die Elbe mündet.

Das Rittergut Tanneberg, dessen Gebäude noch theilweise aus dem Mittelalter herrühren, besitzt ein in neuerer Zeit gebautes stattliches Schloss und ausserordentlich fruchtbare Felder und Wiesen. Die ersten Besitzer desselben waren Edelleute des Geschlechts von Tanneberg, von denen 1227 Hermann von Tanneberg, Ritter und markgräflicher Marschall 1301 Friedrich von Tanneberg, und 1321 Hans von Tanneberg genannt werden. In der Mitte des vierzehnten Jahrhunderts scheint diese Familie ausgestorben oder verarmt gewesen zu sein, da sie nirgends mehr erwähnt wird; das Gut Tanneberg aber befand sich zu dieser Zeit bereits im Besitze des von Otto dem Reichen 1162 gestifteten Cisterzienserklosters Altzelle. Dieses Kloster besass gleich bei seiner Stiftung achthundert Hufen Landes und die Nutzungen einer grossen Anzahl von Flecken und Dörfern im Umkreise von mehr als vier Meilen, für Christiansdorf und Lossnitz aber überliess Markgraf Otto nach Entdeckung daselbst vorhandener Silberadern dem Kloster die Stadt Rosswein. Ein wunderthätiges Marienbild, eine grosse Menge Reliquien, das hier befindliche Fürstenbegräbniss und endlich der weithinverbreitete Ruf der streng religiösen und gelehrten Mönche brachten das Kloster zu grossem Ansehen. Tausende wallfahrteten nach Altzelle, Spenden und Vermächtnisse häuften sich zu ungeheuren Reichthümern und die Zahl der Mönche stieg nach und nach bis auf achtzig. Das Kloster kaufte in Meissen, Thüringen und dem Osterlande eine grosse Menge von Besitzungen, worunter sich seit der Mitte des vierzehnten Jahrhunderts auch Tanneberg befand, gehörte aber auch hinsichtlich seiner Mildthätigkeit zu den ehrenwerthesten Anstalten des Landes, denn kein Hungriger ging ungespeist, kein Reisender ohne gastliche Pflege von hinnen. Ein auf der Universitätsbibliothek zu Leipzig befindliches Wirthschaftsregister des Klosters aus dem Anfange des sechszehnten Jahrhunderts weist nach, dass das Altzeller Kloster in einem Zeitraume von drei Jahren nicht weniger als 34000 Reisende, (20000 zu Fuss und 14000 zu Pferde) beherbergte.

Beinahe vierhundert Jahre hatte das Kloster Altzelle bestanden, als die Reformation einen Mönch nach dem andern aus der Einsamkeit der heiligen Mauern hinaustrieb in das fröhliche Weltleben, obgleich der Abt, Paul Bachmann, sich eifrigst bemühte die lebenslustigen Klosterbrüder zurückzuhalten. Als ihm dies nicht gelang, verfasste der Abt ein Büchlein unter dem Titel: das wilde geyfernte Eberschwein Merten Luther, so mit seinen Riesel umzustossen sucht u. s. w. und später ein zweites: „Schnoptuchlein auf Luthers Geyfer“, worauf der Reformator ebenfalls in derber Weise antwortete. Im Jahre 1542 bestand das Klosterpersonal ausser dem Abte, dem Kaplane und dem Schatzmeister, aus dreizehn Mönchen, neun Laienbrüdern und dreiundneunzig bei der Oekonomie beschäftigten Leuten, und so legte denn 1545 der Abt, Andreas Schmiedewald, freiwillig sein Amt nieder, nachdem er sich aus dem Klostervermögen reichlich versorgt und verschiedene Kirchenkleinodien dem Kloster Marienthal zur Aufbewahrung übersendet hatte. Die Verwaltung des Klostereigenthums war dem Abte schon seit 1541 entzogen und wurde durch einen vom Herzog Heinrich verordneten Sequestrator versehen. –

Jetzt war das Kloster Eigenthum des Landesherrn. Mehrere Mönche hatte derselbe als evangelische Pfarrer angestellt. Der Prior Drechsler wurde Amtsverwalter der Fürstenschule in Grimma, Pater Schmidt Amtsverwalter

     Meissner Kreis, 8tes Heft, oder 40stes der ganzen Folge.

Empfohlene Zitierweise:
Gustav Adolf Pönicke (Hrsg.): Album der Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen II. Section. Expedition des Albums Sächsischer Rittergüter und Schlösser, Leipzig 1856, Seite 57. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Album_der_Schl%C3%B6sser_und_Ritterg%C3%BCter_im_K%C3%B6nigreiche_Sachsen_II.djvu/086&oldid=- (Version vom 3.6.2018)