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Bose, welche es bis 1851 besass, und durch letztwillige Verfügung ihrer zweiten Mutter der Frau Oberst Charlotte von Bose, geborenen Gräfin von Hülsen, überliess, deren Eigenthum Bosenhof bis zum Jahre 1852 blieb, wo selbige, ebenfalls durch Testament, es ihrer Nichte, der Gräfin von Hülsen, Gemahlin des Herrn Referendar Wenzel zu Dresden, abtrat.

Bei dem Tode des Rittmeisters von Bose, war das Gut noch Mannlehn, und fiel, da die von selbigem Allerhöchsten Orts nachgesuchte Allodifikation noch nicht formell genehmigt war, an Sr. Majestät den höchstseligen König Friedrich August den Gerechten als obersten Lehnsherrn zurück. Derselbe ertheilte jedoch in Seiner anerkannten Grossherzigkeit zu der erbetenen Allodifikation noch nachträglich Seine Genehmigung und so gelangte Bosenhof in den freien Besitz von des Rittmeisters einziger Schwester.

Das Rittergut Bosenhof hat die Untergerichte und ganzen Erbgerichte, niedere Jagd und verdient die Lehn mit zwei Ritterpferden. Die meisten Unterthanen des Gutes leben in Langenhessen und einige in Kleinhessen, auch ist in neuerer Zeit ein Bauergut zu dem Rittergute geschlagen worden. Die Felder sind sehr fruchtbar und wohl angebracht. Das Gut Bosenhof hat 4100 Steuereinheiten und gegen 110 Acker unter dem Pfluge befindliches Land. Dasselbe ist an einen Herrn Schneider verpachtet, der die Bewirthschaftung des Gutes bereits seit fünfundzwanzig Jahren leitet. Brennerei und Brauerei wird in Bosenhof nicht betrieben, sondern reine Vieh- und Feldwirthschaft mit einer kleinen Schäferei von etwa dreihundert Schafen; in der Nähe befindet sich auch eine zum Gute gehörige Ziegelei. Das Herrnhaus zu Bosenhof brannte am 5. Juni 1701 sammt den Wirthschaftsgebäuden gänzlich darnieder, nachdem acht Tage vorher das Rittergut Lauterbach mit Scheune, Ställen, Schäferei und Verwalterwohnung nebst allen Getreide- und Futtervorräthen, sowie einigem Vieh durch eine Feuersbrunst vernichtet worden war. Die Wirthschaftsgebäude von Bosenhof wurden erst 1703 wieder aufgebaut, und nachdem die verwittwete Geheimräthin von Schleinitz des Rittergut gekauft hatte, erbaute sie sich zu ihrem Wittwensitze das noch jetzt stehende Wohnhaus. Auf einem Steine über der Thür liest man folgende Inschrift:

O Hüter Israel behüte dieses Haus
Vor Feuer, Krieg und Pest, ja allem Ungelücke.
Dein Segen mache reich, die gehen ein und aus,
Besonders wirf dein Heil auf deine Magd zurücke,
Die hier in diesem Haus sich deiner Hut vertraut,
So sie im Wittwenstand und Einsamkeit erbaut.

Von den 164 Feuerstätten des grossen und schönen Dorfes Langenhessen, gehören 71 unter das Rittergut Bosenhof, die übrigen unter das Amt Werdau. Die Einwohnerzahl beträgt etwa 1100 Köpfe, von denen die meisten sich mit Landwirthschaft beschäftigen, doch wird auch viel Landfuhrwerk und Fruchthandel getrieben. Zwei auf des Ortes Grund und Boden erbaute Fabriken, in welchen Schafwolle gesponnen, und Zeug von demselben Stoffe gewebt wird, geben gleichfalls vielen Einwohnern ziemlich guten Erwerb. Die Einwohnerschaft bildet zwei Gemeinden, die obere und untere genannt, jedoch nur getrennt durch Verwaltung ihres gesonderten Grundbesitzes und durch die Sorge für nothwendig gewordene Baue jeglicher Art; in ihrem Verhältniss zum Staate und zu andern benachbarten Gemeinden bilden sie nur eine einzige.

Die Kirche zu Langenhessen ist sehr alt und fällt mit ihrem hohen spitzen Thurme und den zackigen Giebeln nicht unangenehm in die Augen. An der Rückseite des Altars gewahrt man die Jahrzahl 1208, welche sich höchst wahrscheinlich auf die Erbauung des Gotteshauses bezieht. Die neuere Zeit hat im Inneren der Kirche manche Veränderung nothwendig gemacht, doch ist ihr der alterthümliche Charakter geblieben. In einem der Seitenstühle, nahe am östlichen Eingange befindet sich noch ein Wappen der Familie Bose, welche als Gerichtsherrschaft eines Theils der Gemeinde von Langenhessen, ehedem hier zwei Kirchensitze hatte. Ein höchst interessanter uralter Schmuck des Gotteshauses ist der Altar, auf dem eine geschnitzte Grablegung Christi zu sehen ist, deren Personen nach Portraits damals lebender Personen dargestellt in sein scheinen. Ausserdem befinden sich an dem Altar fünf grosse mit Gold und Schnitzwerk reich verzierte Heiligenbilder, und drei kleinere, von denen eines die päpstliche Tiara trägt, das andere ein Weib mit zwei Kindern, und das dritte den Ritter Georg mit dem Lindwurme darstellt. Die andere Seite der Flügel enthält gleichfalls aus sehr früher Zeit herrührende Abbildungen aus dem Leben heiliger Personen und der biblischen Geschichte. Die Sage, dass vor der Reformation Wallfahrten nach der Kirche zu Langenhessen stattgefunden haben sollen, und der kleine Werdauische Markt und Ablass hier unter den Linden abgehalten worden sei, lässt sich keinesweges urkundlich beweisen. Vor vielen Jahrhunderten wurde der Gottesdienst zu Langenhessen von den Chorherren des Klosters zu Crimmitzschau verwaltet, von denen 1397 Heinrich Roith und bald darauf Paul Mainart als Prediger zu Langenhessen fungirten.

Das Rittergut Bosenhof ist übrigens nicht in die Kirche zu Langenhessen, sondern in die zu Neukirchen eingepfarrt. Diese Kirche entstand 1488 unter dem Namen der neuen Martinskirche, zum Unterschiede von der alten Martinskirche, welche schon im Jahre 1222 auf dem Orte stand, wo später das Kloster Carthause sich erhob und jetzt das Rittergut gleichen Namens erbaut ist. Die verwittwete Churfürstin Margarethe von Sachsen und der Pfandinhaber des Amtes Crimmitzschau, Federangel, hatten den Augustinern das Kloster abgekauft, um auf dessen Stelle ein Carthäuserkloster zu stiften; da nun aber die Carthäuser eigentlich keine Predigermönche waren und deren strenge Ordensregeln beim Gottesdienste die Gegenwart von Frauen untersagten, so verordneten die Stifter, dass eine neue Kirche erbaut, und ein besonderer Pfarrer dabei angestellt werden sollte. Kaiser Friedrich III. hatte die Fundation der Kirche bestätigt, aber ehe Hans Federangel sein Gelübde völlig ausführen konnte, überraschte ihn der Tod, und sein Erbe, Kilian Schicker liess sich in dieser frommen Angelegenheit so säumig finden, dass der Churfürst selbst sich der Sache annehmen und Schicker befehlen musste, die Punkte des Testaments zu erfüllen. Der Erbe musste dem Kloster für gewisse Ansprüche 1000 rheinische Gülden verschreiben, eine neue Pfarrkirche und Pfarrwohnung bauen und die Pfarre dotiren. Der Bau ging indessen so langsam von Statten, dass 1496 Beschwerden über den säumigen Kilian Schicker beim Churfürsten einliefen, worauf endlich durch Vermittelung des Bischofs zu Naumburg ein neuer Vergleich entstand, der alle Partheien zufrieden stellte. Das Weitere über diese Kirche haben wir bereits im 2ten Erzgebirgischen Hefte unseres Albums bei der Schilderung des Schlosses Schweinsburg unseren Lesern mitgetheilt.

Otto Moser, Red.     




Druck von Sturm und Koppe (A. Dennhardt) in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
Gustav Adolf Pönicke (Hrsg.): Album der Schlösser und Rittergüter im Königreiche Sachsen IV. Section. Expedition des Ritterschaftlichen Album-Vereins, Leipzig 1856, Seite 24. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Album_der_Schl%C3%B6sser_und_Ritterg%C3%BCter_im_K%C3%B6nigreiche_Sachsen_IV.djvu/045&oldid=- (Version vom 9.4.2017)