Gustav Adolf Pönicke (Hrsg.): Album der Schlösser und Rittergüter im Königreiche Sachsen IV. Section | |
|
ausserordentlich weite Aussicht geniesst, und die sich auch durch ihre besondere Form auszeichnen. Die Hammermühle, welche ebenfalls zu Rauenstein gehört, liegt eine halbe Stunde nördlich von Lengefeld am Lauterbache, der aus einer finstern dreihundert Ellen tiefen Thalschlucht, die zum Theil von dem sonderbar gestalteten Spitzberge gebildet wird, hervorströmt und hier ein reizendes Wiesenthal bewässert. Zu der Mühle gehört ein Schankhaus, das von den Zschopauern fleissig besucht ist, und nahe bei derselben liegt auch die Wünschendorfer Ziegelei; westlich aber, am Waldrande, sieht man die sehr zerstreuten zu Börnichen gehörenden Häuser, welche Neunzehnhain heissen. Den Namen hat die Mühle von einem vormals hier befindlichen Zainhammer. Die Jägerwohnung, unweit der Stelle wo der Lauterbach in die Flöhe mündet, liegt auf dem reizendsten Punkte des Thales. Niederrauenstein, ehedem ein Vorwerk, besteht jetzt nur aus einigen Scheuen und Schoppen sowie Oberrauenstein, auch ein vormaliges Vorwerk, jetzt die Schäferei enthält.
Zu dem Rittergute Rauenstein gehören auch das Städtchen Lengefeld, und das im Amte Lauterstein, jedoch nur eine Viertelstunde vom Rauensteiner Schlosse, gelegene Dörfchen Reifland, welches letztere eigentlich ein besonderes neuschriftsässiges Gericht bildet. Der untere Theil Lengefelds besteht aus etwa funfzig Häusern, die, grösstentheils auf Grund und Boden des Rittergutes erbaut, das Städtchen vollkommen mit diesem verbinden. In alten Zeiten gehörte auch Wünschendorf und Stolzenhain hierher. Rauensteins Oekonomie ist auf das Gehöfte am Schloss auf Ober- und Unterrauenstein und ein Zweihafengut in Reifland vertheilt, welches letztere jedoch erst seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts zum Rittergute gehört, wo es ein Herr von Carlowitz dazu kaufte. Die beiden grossen Kalköfen und die Kalkniederlage an der schwarzen Laida gehören nicht nach Rauenstein, sondern unter das Rentamt zu Wolkenstein.
Das Schloss Rauenstein steht auf einem steilen 1160 Pariser Fuss über Meereshöhe emporragenden Felsen, dessen Fuss in einem tiefen vielfach gewundenen Thale wurzelt, eingefasst von ziemlich hohen mit den schönsten Eichen, Buchen und Birken bewachsenen Bergen zwischen denen die Flöhe ihre hellen Wellen dahintreibt. Herrlich ist die Aussicht in dieses Thal namentlich von dem Wege welcher Rauenstein mit Reifland verbindet, vor Jahrhunderten aber näherte man sich nicht ohne Furcht und Zagen der finstern in Höhen und Waldungen versteckten Burg, denn sie war damals ein höchst gefürchtetes Raubnest von wo aus die Ritter von Rabod verwegene Streifzüge unternahmen, die nahen Ortschaften belästigten und Reisende beraubten. So trieben es die Herren auf dem Rauensteine bis in das funfzehnte Jahrhundert, wo durch ein landesherrliches Aufgebot der Bürger von Freiberg und Zschopau eine Belagerung des Raubschlosses stattfand, die mit der Vertreibung der Schnapphähne endigte. Im Jahre 1443 war die Burg Eigenthum des Churfürsten und 1476 des Herzogs Albrecht der in diesem Jahre Rauenstein an seinen Rentmeister Hans von Günterode, einen Thüringischen Edelmann, verkaufte. Hans von Günterode hatte seinen Wohnsitz in Freiberg wo seine Nachkommen sich Jahrhunderte hindurch in hohem Ansehen erhielten und im Rathsstuhl wie bei dem fürstlichen Bergwesen die höchsten Aemter bekleideten. Hans von Günterode starb 1496 und wurde in der Domkirche zu Freiberg beerdigt. Nach ihm besass Rauenstein durch Erbschaft Albrecht von Günterode, der jedoch ebenfalls in Freiberg wohnte und 1519 gestorben zu sein scheint, denn im nächsten Jahre wurden seine beiden Söhne Heinrich und Albrecht mit dem Gute belehnt, 1540 aber besass es Albrecht allein. Dessen Söhne Heinrich und Albrecht verkauften Rauenstein mit Lengenfeld und Reifland, im Jahre 1567 für 54874 Gulden an den Churfürsten August, der bereits 1559 von Hans von Günterode Wünschendorf an sich gebracht hatte. Der Churfürst verwandelte Rauenstein in ein Amt, das nach einem noch vorhandenen alten Register aus dem Städtlein Lengefeld, drei Dörfern, hundertfunfzig gesessenen Leuten, dem Vorwerk Wünschendorf, Ober- und Niederrauenstein, zwei Mühlen, drei Teichen, bedeutender Waldung u. s. w. bestand. Der Pacht betrug damals 984 Gulden und an Zinsgetreide wurden 158 Scheffel grosses Maas geschüttet. Der Churfürst baute das zum Theil verfallene Schloss wieder auf, und sein Nachfolger, Christian schlug das Amt 1596 zu Wolkenstein, obgleich es mit diesem nur in geringer Breite grenzte. Das Vorwerk Wünschendorf wurde zu einem besonderen Rittergute erhoben und vom Churfürsten einem Herrn von Böhlau in Lehn gegeben. Rauenstein überliess 1651 der Churfürst Johann Georg I. an Jobst Christoph von Römer für 24000 Gulden, der grösste Theil der schönen Waldungen aber mit den darin befindlichen Kalkbrüchen und Kalköfen blieb landesherrliches Eigenthum, woher es auch kommt, dass Rauenstein nicht mehr Waldung besitzt als für den Bedarf des Gutes nöthig ist. Unter den Herren von Römer, welche Rauenstein besassen sind namentlich zu bemerken der Kreisoberaufseher Christoph von Römer und der um die Kirche zu Lengefeld so verdiente Carl Gottlob von Römer, der 1743 kinderlos starb. Im Jahre 1748 heirathete dessen Wittwe den Domherrn, auch geheimen Kriegs- und Appellationsrath von Spohr der 1750 mit Tode abging, worauf das Gut durch Erbschaft in Besitz des Appellationsrathes Baudiss gelangte. Dessen Sohn, Andreas Gottfried Baudiss starb 1784 ohne Nachkommen, seine Wittwe aber, die früher mit einem Herren von Carlowitz verheirathet gewesen war, überliess die Besitzungen bei ihrem am 9. Februar 1810 erfolgten Tode ihrem Sohne
Gustav Adolf Pönicke (Hrsg.): Album der Schlösser und Rittergüter im Königreiche Sachsen IV. Section. Expedition des Ritterschaftlichen Album-Vereins, Leipzig 1856, Seite 47. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Album_der_Schl%C3%B6sser_und_Ritterg%C3%BCter_im_K%C3%B6nigreiche_Sachsen_IV.djvu/080&oldid=- (Version vom 21.5.2017)