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erster Ehe dem Rittmeister Georg Friedrich von Carlowitz, der Rauenstein 1816 an den Kaufmann August Hänel in Schneeberg für mehr als 100000 Thaler verkaufte. Dieser verkaufte das Gut wiederum 1843 an den Oberbergamtsassessor Ernst Wolfgang von Herder in Freiberg dessen Wittwe Frau Therese von Herder geborne von Wolf es jetzt noch besitzt.

Das Schloss Rauenstein grösstentheils in einen Gneusfelsen gehauen, welcher vor der Erbauung desselben eine freistehende Klippe bildete, besteht aus einer Menge sehr kurzer offenbar ohne alle Ordnung zusammengesetzter Flügel, welche auch einen kleinen Hof einfassen, und in der Mitte einen viereckigen Thurm zeigen‚ der Spuren hohen Alterthums trägt. Früher war dieser Thurm viel höher und wurde, wie auch der vordere Flügel des Gebäues, erst in neuerer Zeit erniedrigt, wodurch freilich das alte Schloss eine seiner besten Zierden verloren hat. In der Halle des Schlosses befinden sich verschiedene interessante Hirschgeweihe und die Bilder eines ungeheueren Hirsches, eines in der Nähe geschossenen Luchses, eines Wolfes der 1621 im Amte Altenberg lebendig gefangen wurde und 130 Pfund wog, eines Steinadlers und eines Pelikans, geschossen in der Hoyerswerdaer Haide am 5. Mai 1617. – Auf einem Flügel der zum Theil neuen Wirthschaftsgebäude befindet sich ein Thürmchen mit einer Uhr, auch ist die Mauer hier mehrfach aus dem Felsen gehauen. Die Ebenung des Hofes muss bei der Härte des Gesteins viele Mühe verursacht haben. Interessant ist auch die Auffahrt in den Schlosshof indem sie einen aus dem Felsen gearbeiteten siebzig Ellen langen Gang bildet, an dessen Gewölbe durch das unaufhörlich herabträufelnde Wasser sich Tropfsteinzapfen gebildet haben. Das Schloss bietet aus dem Grunde eine hübsche Ansicht während es von den Höhen wegen seiner versteckten raubnestmässigen Lage (ausser von Nordost) nirgends wahrgenommen werden kann.

Das Rittergut Rauenstein ist nebst Lengenfeld den königlichen Kalköfen, Marterbüschel und den Dörfern Reifland, Pockau und Wünschendorf mit Stolzenhain und den neuen Häusern zwei Mahlmühlen und zwei Baumwollenspinnereien in die Kirche des Städtchen Lengefeld eingepfarrt. Erst seit dem Jahre 1831 besitzt Lengefeld Stadtgerechtigkeit und jeder seiner Bewohner muss das Bürgerrecht erwerben, daher man auch oft noch von einem Oberdorfe und Unterdorfe Lengefeld reden hört. Der Hauptnahrungszweig der Einwohnerschaft besteht in Baumwollenweberei und Feldbau, auch befand sich noch vor wenigen Jahren hier eine bedeutende Dosenfabrik die viel Verkehr mit dem Orte herbeiführte. – Die Gründung der Stadt fällt in das sechszehnte Jahrhundert, sie erhielt ihren Namen von den Leinwandlängen, welche man hier fertigte, die damals den Haupterwerbszweig der Einwohnerschaft bildeten.

Im dreissigjährigen Kriege hatte Lengefeld harte Drangsale durch die Soldateska und verheerende Seuchen auszustehen. Auch im Jahre 1680 herrschte hier eine schreckliche Pest, so dass ganze Häuser ausstarben, aber auch viele Kranke dem Hunger erlagen, weil die Gesunden sich scheuten ihnen Nahrungsmittel zu bringen. Die Leute flüchteten auf das Feld und in die Waldungen, wo sie sich Hütten errichteten, als aber zärtliche Besorgniss um die hülflosen Kranken Einzelne nach Lengefeld zurückführte, nahmen diese die Seuche mit, so dass auch in den Hütten der Tod zu wüthen begann. Der damalige Pfarrer Major verlor sein Weib und die einzige Tochter, dann starb auch der Knecht und endlich die Magd – da wünschte der tieferschütterte Mann noch einmal das Abendmahl zu geniessen und dann zu sterben. Sein Beichtvater war der Pastor zu Lauterbach, der aber den Muth nicht hatte, mit dem Pfarrer Major zusammen zu treffen. Da hörte der Pastor Rümmler in Lippertsdorf[VL 1] von des unglücklichen Amtsbruders Sehnsucht nach dem heiligen Mahle und liess ihm wissen er werde auf dem Wege zwischen Lengefeld und Lippersdorf ihn erwarten. Noch jetzt bezeichnet ein Stein mit eingehauenem Kelche den Ort, wo die beiden Priester zusammentrafen und die rührende Feier abhielten. Der Pastor Major lebte noch bis 1688. – Die Spuren jener unglücklichen Zeilen sind nun längst verschwunden und Lengefeld das 1710 etwa 300 Einwohner hatte, zählt jetzt deren fast 2500 in 230 Häusern.

Die Kirche zu Lengefeld ist ein hübsches freundliches Gebäude, das in den Jahren 1725 bis 1729 einen Umbau erfuhr der einem Neubau glich, wozu der damalige Herr auf Rauenstein, Oberflossaufseher und Kriegscommissair Carl Christoph von Römer, 8000 Thaler, hundert Stämme Holz und den Kalk schenkte, seine Gemahlin aber Kanzel und Altar auf ihre Kosten herstellen liess. Die Orgel der Kirche, ein Werk Hildebrands, eines Schülers des berühmten Silbermann, hat zwei Manuale und zweiundzwanzig klingende Stimmen. – Die Pfarrwohnung entstand im Jahre 1730, seit 1843 besteht aber auch in Lengefeld ein Diakonat, welches von dem damaligen Kirchenpatron Kaufmann Hänel auf Rauenstein zur Erleichterung des Pfarrers gegründet wurde. Die Schule ist 1826 erbaut. – – Das Dorf Reifland, an der alten Strasse nach Freiberg auf einer Ebene gelegen hat 64 Häuser (15 Begüterte und 49 Häusler) mit fast 500 Einwohnern. In der Nähe des Ortes befinden sich bedeutende Torfstiche.

O. M.     



Anmerkungen der Vorlage

  1. handschriftliche Korrektur: Lippersdorf
Empfohlene Zitierweise:
Gustav Adolf Pönicke (Hrsg.): Album der Schlösser und Rittergüter im Königreiche Sachsen IV. Section. Expedition des Ritterschaftlichen Album-Vereins, Leipzig 1856, Seite 48. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Album_der_Schl%C3%B6sser_und_Ritterg%C3%BCter_im_K%C3%B6nigreiche_Sachsen_IV.djvu/081&oldid=- (Version vom 21.5.2017)