Gustav Adolf Pönicke (Hrsg.): Album der Schlösser und Rittergüter im Königreiche Sachsen IV. Section | |
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Herrschaft Pfaffenroda; nördlich und nordwestlich mit den Rittergütern Voigtsdorf und Dorfchemnitz.
Die grösste Ausdehnung des gesammten Gebietes beträgt von Süden nach Norden 4½ Stunde und von Westen nach Osten 2½ Stunde, da aber die Umgränzungslinie sehr unregelmässig ist, beschränkt sich der ganze Flächenraum aller zu der Herrschaft gehörenden Theile auf 13/10 Quadrat-Meilen.
Zu der Herrschaft Purschenstein gehören: Das Schloss selbst mit seinen angebauten und nach ihm benannten Häusergruppen; die Stadt Sayda; der Bergflecken Seifen; 16 ganze Dörfer, und zwar: Clausnitz, Friedebach, Pillsdorf, Ullersdorf, Heidersdorf, Dittersbach‚ Neuhausen (welches Purschenstein zunächst, d. h. unmittelbar an dem Schlossberge liegt) Cämmerswalde‚ Deutschgeorgenthal, (oder Hasenbrücke) Frauenbach, Deutsch-Einsiedel, (mit Ausnahme des Zollhauses und der Oberförsterei) Heidelbach, Heidelberg, (zur grössern Hälfte Wildbach genannt) Brüderwiese, Deutsch-Neudorf und Deutsch-Katharinenberg; ferner grössere oder geringere Antheile von Niederseifenbach, (besonders der Lässigherd und die Zechhäuser,) dem Mertelgrunde; die Sauecke oder der Katzengrund; endlich[WS 1] die drei einzelnen Hainhäuser, das Haidengut bei Pillsdorf, das Bad bei Heidelberg, die Glashütte bei Heidelbach, das grosse Vorwerk oder der Zuckerhof, und das neue Vorwerk bei Sayda.
In diesen sämmtlichen Ortschaften leben gegenwärtig etwa 10,000 Menschen, während 1801 die gesammte Seelenzahl nur 7705 betrug. Es gehört demnach die Gegend von Purschenstein zu den bevölkertesten von Sachsen, denn ohne Berücksichtigung der Stadt kommen auf die Quadratmeile 6900 Menschen und dies ist um so mehr zu bewundern, da das Klima sehr rauh ist. Vielleicht aber liegt eben in dieser Rauhheit zum grossen Theile die Gesundheit der Luft, welche eine sehr rasche Zunahme der Bevölkerung zur Folge hat, denn nach angestellten Beobachtungen beträgt die Durchschittszahl gegen 100 Geburten nur 59 Sterbefälle.
Wegen des rauhen Klimas ist auch die Tragbarkeit des Bodens nur gering, allein der Fleiss, den man den Bewohnern neben grosser Frugalität nachrühmen muss, gewährt dafür reichlichen Ersatz durch ökonomische und industrielle Thätigkeit. Besonders werden Viehzucht und Flachsbau stark betrieben, letzterer namentlich in Cämmerswalde, Clausnitz und Friedebach. Eine vorzügliche Erwerbsquelle einiger Orte ist die Holzdrechselei; Seifen verdient wegen seiner Holz- und Spielwaaren Erwähnung. Die reiche Holzmenge wird zur Anfertigung von Wagengestellen, Schlittenkufen und dergleichen Arbeiten benutzt; Bergbau, Schwammbereitung, der starke Verkehr von Freiberg nach Böhmen, die Glashütte, das Bad, die Arbeiten in den grossen königlichen und herrschaftlichen Forsten etc. bieten den Einwohnern mannigfache und gernbenutzte Gelegenheiten zum Broderwerbe, und wenn auch die meisten arm sind, so schützt doch ihr Fleiss sie vor wirklicher Noth, so lange diese nicht durch besonders ungünstige äussere Verhältnisse herbeigeführt wird. In der Regel kann man annehmen, dass Alles beschäftigt ist, was sich nur irgend zu rühren vermag und in dieser Beziehung kann die hiesige Pflege daher wahrhaft als Muster gelten. Vagabondirerei und Bettelei sind hier grosse Seltenheiten.
Die Justizverwaltung wurde bis zur neuesten Umgestaltung dieser Verhältnisse durch den in Purschenstein wohnenden Gerichtshalter besorgt, der zwei Actuarien und mehrere Schreiber zu Gehülfen hatte; für den Bergbau aber bestand in Seifen ein eigenes Bergamt mit mehreren bergmännischen Beamten, obgleich der von dem Besitzer betriebene Bergbau nur unbedeutend ist. Sein Regale erstreckt sich blos über Zinn, und es werden alljährlich nur einige Centner Zinn ausgeschmolzen, und selbst das nicht einmal an Ort und Stelle, sondern in Altenberg.
Bei Deutsch-Katharinenburg ist zwar eine Kupfergrube, allein sie gehört unter das Bergamt Marienberg.
Die finanziellen Angelegenheiten der Herrschaft, deren Reinertrag beiläufig gesagt, schon vor 30 Jahren, und unter zum Theil ziemlich ungünstigen Verhältnissen zu 20,000 Thaler, jährlich angeschlagen wurde, besorgt ein Rentbeamter, der ebenfalls in Purschenstein selbst wohnt.
Einen wesentlichen Theil der Besitzung bilden die Waldungen; diese stehen unter einem Forstschreiber, der von dem gemeinen Manne gewöhnlich Forstmeister genannt wird. Und in der That könnte er wegen der grossen unter seiner Inspection und seiner Verwaltung stehenden Wälder diesen Titel wohl beanspruchen; denn obgleich Purschenstein im Laufe der Zeiten aus verschiedenen Umständen von den früher besessenen Waldungen den Einsiedlerwald an das Lautersteiner und den Hirschberger an das Frauensteiner Amt abgetreten hat, den Oberneuschönberger an das Rittergut Pfaffroda, einen Theil des Ringelwaldes an Reichenberg, und ausserdem noch mehrere andere, kleinere Theile, so dass seine Waldungen fast zwei Drittel ihres früheren, vollständigen Umfanges verloren haben, so besitzt es deren doch immer noch ¼ □Meile.
Der grösste Wald darunter ist der Purschensteiner oder Deutschneuhofer, der grösstentheils mit Schwarzholz bestanden ist, aber auch viele schöne Buchen hat. Auch von dem Einsiedlerwalde gehört ein schön mit Buchen bestandener Antheil zu Purschenstein. Ferner gehören demselben starke Hölzer an der Flöhe, besonders am linken Ufer derselben; der Zechenwald; der Nadelholzwald am Mortelgrunde; das Mühlholz am neuen Vorwerk; das Pfaffenholz zwischen Purschenstein und Cämmerswalde; und endlich viele kleinere Waldstücken ohne besondere Namen.
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Vorlage: endlieh
Gustav Adolf Pönicke (Hrsg.): Album der Schlösser und Rittergüter im Königreiche Sachsen IV. Section. Expedition des Ritterschaftlichen Album-Vereins, Leipzig 1856, Seite 80. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Album_der_Schl%C3%B6sser_und_Ritterg%C3%BCter_im_K%C3%B6nigreiche_Sachsen_IV.djvu/129&oldid=- (Version vom 11.6.2017)