Gustav Adolf Pönicke (Hrsg.): Album der Schlösser und Rittergüter im Königreiche Sachsen IV. Section | |
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war früher der Sitz eines nicht unbedeutenden Amtes, welches in dem uralten Schlosse sich befand. Die Lage des Letztern ist ungemein schön und deshalb hat sich solches auch sehr oft des Besuches von Naturfreunden zu erfreuen. Das breite Muldenthal, welches man von einem Platze ganz in der Nähe des Schlosses übersehen kann, gehört zu den reizendsten und sanftesten Thalparthien, wo die Mulde sich nördlich von Grünau und westlich nach Silberstrasse schlängelt.
Das Schloss selbst bietet von Norden her eine malerische Ansicht: Aber als Burg betrachtet hat es für den Alterthumsforscher nicht mehr das hohe Interesse, weil von derselben eigentlich nichts mehr übrig ist, als einiges Gemäuer (dessen Zwecke nicht mehr kenntlich sind), und ein ungeheuer runder Thurm mit 6½ Ellen starken Mauern. In letzterem konnte man sonst hinaufsteigen und fand oben einen Boden mit Brustlöcher, wo sich eine herrliche, eben so reiche als gefällig gruppirte Aussicht darbot, wo früher bisweilen sogar getanzt wurde: jetzt ist die Treppe sammt Eingang verschüttet. Letzterer befand sich in der Höhe, wie in andern runden Burgthürmen jenes Alters z. B. in Gnandstein, Scharfenstein, Kohren, Seida u. s. w.
In den Schlosshof führt das innere Burgthor unter einem Thurme hinweg, wogegen ein äusseres Thor schon vorher den Eingang in einen gartenähnlichen Hof öffnet, an dessen Ostseite sonst das eigentliche Herzoglich-Holstein-Wiesenburgische Residenzschloss stand, welches in Folge eines Brandes im vorigen Jahrhundert abgetragen werden musste.
Die Räume und Abhänge um das Schloss waren grösstentheils für das Amtspersonale in Gärten verwandelt worden.
Wer eigentlich der Erbauer des alten Schlosses war, lässt sich nicht mit Gewissheit ermitteln. So viel steht fest, dass es erst nach Vertreibung der Sorben-Wenden aus hiesiger Gegend erbaut worden ist. Der hiesige Bezirk gehörte zum Gau Zwickowe; aber das ganze Gebiet war zu den Zeiten der Sorben nur tiefer undurchdringlicher Wald. Der Name Wiesenburg selbst auch deutet auf deutschen Ursprung und mag der Ort selbst als Grenzfeste gegen die Sorben-Wenden ursprünglich gedient haben.
Die ersten bekannten Besitzer der spätern Herrschaft Wiesenburg waren die Herren von Planitz. Ums Jahr 1500 hatte es der Reichsritter von Planitz, welcher von 1494 bis 1513 Kreishauptmann und Gouverneur zu Zwickau war, vom Kaiser 1522 die erbliche Würde eines Edlen erhielt und 1530 in die Kirche zu Planitz begraben wurde. Von seinen Söhnen erbte es nicht der berühmte kaiserliche Orator Hans von der Planitz, sondern der Augsburger Rath Rudolph, welcher es noch 1572 besass.
Damals reichten die Planitzschen Besitzungen von der Schönecker bis in die Lössnitzer Gegend.
Nach den Herren von Planitz acquirirte die Herrschaft der Stadtrath zu Zwickau, von welchem solche 1618 Johann George I. erkaufte: Letzterer verpachtete die Besitzung an den reichen Stadtrichter Hans Schnorr in Schneeberg. Im Jahre 1662 wurde die ganze Herrschaft dem Herzog Philipp Ludwig zu Schleswig-Holstein Sonderburg überlassen, dessen Linie nunmehro sich die von Holstein-Wiesenburg nannte, gewöhnlich in Wiesenburg residirte und 1744 ausstarb, jedoch schon seit 1724 Wiesenburg nicht mehr besass. Herzog Leopold K. K. Rath verkaufte 1724 die Herrschaft an K. Friedrich August I., der mit Zuziehung noch einiger Orte ein Amt daraus bildete und die Besitzung selbst in ein Amtsvorwerk oder Kammergut verwandelte, was nun seit Einführung der Constitution in Sachsen Staatsgut geworden ist.
Die Lage des Orts, besonders des Schlosses ist ungemein schön, wozu das breite Muldenthal, mit den üppigsten Wiesen erfüllt, die der Fluss in grossen Bogen durchzieht, das meiste beiträgt. Von den herrlichen Wiesen scheint auch der Ort und die Burg den Namen erhalten zu haben, weil es weit und breit eine solche Wiesenfülle nicht mehr giebt. Am rechten Ufer der Mulde wird von derselben der Schönauer Bach aufgenommen, von welchem auch ein grosser Bewässerungsgraben
Erzgebirgischer Kreis, 19tes Heft oder 97tes der ganzen Folge.
Gustav Adolf Pönicke (Hrsg.): Album der Schlösser und Rittergüter im Königreiche Sachsen IV. Section. Expedition des Ritterschaftlichen Album-Vereins, Leipzig 1856, Seite 145. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Album_der_Schl%C3%B6sser_und_Ritterg%C3%BCter_im_K%C3%B6nigreiche_Sachsen_IV.djvu/227&oldid=- (Version vom 3.6.2018)