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(Ecke Altmarkt) hätte ankaufen müssen. Doch hätte der Turm den Altmarkt ganz anders beherrscht. „Auch würde die Kirche nicht so gedrungen und kurz aussehen.“ „Der große Nutzen durch die Platz­ersparnis und die Verringerung der Kosten“ trösteten Krubsacius später. Ein Mangel des vorgebauten Turmes war, daß er nicht in organischer Verbindung mit dem Kirchgebäude stand und daß die Attique der Seitenfassade wegen bis an ihn herangeführt werden mußte. Im Eingabeprojekt war der Turm eingerückt. Seine architektonische Gliederung blieb die gleiche. Er bestand „aus vier übereinandergestellten Säulenordnungen, der Laterne, Haube und Spille, ganz und gar von Stein“. Genau wie bei den Seitenvorlagen bildeten drei angelegte Säulen die Ecken der beiden unteren Geschosse. Im dritten fiel die Ecksäule fort, im vierten wurde nur eine freistehende Säule der Ecke vorgelegt. Die Gerade herrschte. Die Hauptachsen, sowie die der Säulen und Pilaster bildeten ein quadratisches Netz von 2 Ellen Seitenlänge (a). Die Breite des Turmes war durch 6 a, die der Attique durch 12 a, die ganze Kirchenbreite durch 18 a bestimmt. Auch der Säulenabstand (a) war festgelegt und konnte nicht zu einer Funktion der Säulenhöhe werden. Maß- und Achsenbeziehungen, die auch Schmidt nicht vernachlässigt hatte, hielten hier die Phantasie in festen Schranken.

Die Massengruppierung des Turmes war nicht sonderlich glücklich. Im Vorprojekt hatten die drei untersten quadratischen Geschosse gleiche Stärke. Dann erst begann die Zuspitzung in zwei großen gleichbreiten Absätzen. Im Eingabeprojekt hielt Krubsacius an den ausgeklügelten Maßbeziehungen fest. Er paßte seinen fertigen Turm der veränderten Stellung an, anstatt aus ihren besonderen Be­dingungen heraus Neues zu schaffen. Die beiden unteren Geschosse wurden zu Vorlagen, die beiden obersten aber erhielten rechteckige Grundfläche von 4 : 6 bez. 2 : 4 Quadraten. Laterne und Haube blieben die gleichen. Die Abtreppung aber wurde ungleichmäßig. – Als Bildungsprinzip beider Türme galt die Regel, daß Schaft auf Schaft zu stehen scheine. In den geometrischen Ansichten von vorn und von der Seite war dies erreicht. Da aber die Säulen bedeutend zurücktraten, mußte die Perspektive diese Beziehung zerreißen. Ausgeführt würde der Turm einem Baukastengebilde ähneln. Von 120 Quadraten des Unterbaues waren nur 4 durch die Haube bedeckt. Die übrigen bestanden aus horizon­talen Steinflächen, mit Balustraden umgebenen Altanen, die wohl für Hellas und Rom, nicht aber für Dresdner Klima zulässig waren, die vor allem infolge der Überschneidung das Turmbild zerstören mußten.

Einwände gegen das Konkurrenzprojekt erhob zunächst der Rat[1] in seinem Begleitbericht. Die Altane würden eine Quelle von Reparaturen sein. Das dritte Geschoß solle weiter gefaßt werden, um die Glocken aufnehmen zu können. Besondere Wendeltreppen zum Turm sollen in den unteren Ge­schossen als überflüssig und zu kostbar wegbleiben. Auch schwächten sie den Schaft. Krubsacius hatte in einem Achsenpunkt solche vorgesehen. Die Oberbaukommission erhob in ihrer ersten Sitzung dieselben Einwände. „Die dritte und vierte Etage ist von vorn von guter Proportion, auf der Seite zu schmal. Das Mauerwerk des Turmes wäre nur äußerlich abzusetzen, innerlich soviel als möglich Grund auf Grund zu setzen. Krubsacius reichte hierauf sieben Blatt geänderte Risse ein (Hauptstaatsarchiv loc. 2157 Bl. 116 b). Sie zeigten eine Verbreiterung der schmalen Obergeschosse, sind aber nicht erhalten. Im Schlußbericht der Kommission heißt es über sie: „Der Turm erscheint oberhalb zu sehr eingezogen. Von Etage zu Etage wird ein ziemlich Teil der Architektur abgeschnitten und dem Auge entzogen.“

Später, 1770, stellte Krubsacius einen Turmentwurf auf der Kunstausstellung aus, der Kritik nach nicht einen seiner Pläne für die Kreuzkirche, sondern einen Idealentwurf, aber im engsten Anschluß an jene. Der „Regel“ gemäß war die unterste Ordnung jonisch, Anschwünge, wohlgeschwungene Seitenrollen, die in einem Schnörkel mit überschlagenen Palmen endeten, vermittelten zu den beiden Unter­geschossen. Im dritten Stockwerk fing der Turm an, „sich hinterwärts zu ziehen, so daß die Säulen auf die Nebenpilaster des Turmes zu treffen und immer noch gegründet zu sein scheinen und, obwohl rückwärts, auch sind. Dieses ist eben der große Stein des Anstoßes der mehrsten Baumeister bei Ver­jüngung der Türme.“ Ein Prachtkegel mit verbrochenen Ecken, Knopf und Kreuz krönte den durchaus

steinernen, 148 Ellen hohen Turm. „Er scheint sehr wohl verhältnismäßig und zugespitzt zu sein (nur


  1. Schumanns Angabe (B. u. R. S. 79), Schmidt habe widerrechtlich Einsicht in die Pläne seines Gegners erhalten und eine tadelnde Kritik derselben mit eingereicht, ist nicht zutreffend.
Empfohlene Zitierweise:
Alfred Barth: Zur Baugeschichte der Dresdner Kreuzkirche. C. C. Meinhold & Söhne, Dresden 1907, Seite 121. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Alfred_Barth_Zur_Baugeschichte_der_Dresdner_Kreuzkirche.pdf/129&oldid=- (Version vom 24.4.2024)