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kein Bedenken dagegen. Breite und Tiefe dieses Stockwerkes sind gleich. Die oblonge Grundform wurde zum abgeeckten Quadrat, einem Spezialfall. Die Verjüngung zwischen den Geschossen nahm Hölzer ungefähr gleich groß an. Nur gestaltete er (ähnlich wie Schmidt) das Uhrpostament mit dem Wächtergang massiger, gab ihm gleiche Tiefe wie Breite und vermittelte durch die Wächteraustritte den Übergang zur oblongen Grundform der Turmspitze. Diese wurde kräftiger modelliert, in eine Laterne mit starker Einziehung übereck, in Haube und schlanken vasenartigen Obelisken. Die Gesamthöhe ist nur einige Meter geringer als bei Exner. Dessen kleinliche Details, wie der Muschelschmuck, verschwanden gänzlich, andere, so die Schallfenster für die Uhrglocken, wurden in festen Zusammenhang mit den Simsen gebracht, oder in die Füllungslinie straff eingepaßt. (Abb. S. 104 und 105.)

Durch die Änderung der Massengliederung, des ganzen Rhythmus und der Silhouette ist der Turm zu einer selbständigen Schöpfung Hölzers, zu einem der besten der gleichzeitigen Architekturepoche geworden. In seiner „noble simplicité“ wartet er auf die Würdigung durch die Kenner. Aber er enttäuscht auch nicht bei liebevollem Studium seiner Eigenart, sondern zeigt immer neue Reize. „Wer von den Elbtalhöhen den Blick über Dresden schweifen läßt, wird sich nicht der mächtigen Wirkung entziehen können, den der jedes überflüssigen Schmuckes entbehrende, edle und einfache Bau auf jeden ausübt, der Sinn für architektonische Formen besitzt.“[1]

Der Anschluß des Turmes ans obere und untere Dach, die durch Hölzer gleiche Neigung er­hielten, bot einige Schwierigkeit. In den Plänen ist zur Freihaltung der hinteren Turmsäulen eine kleine steile Walmfläche gedacht. Erst nach Fertigstellung des Turmes entschied man sich endlich für die ausgeführte Lösung, nachdem fast 10 Jahre lang der Anschluß nur provisorisch erfolgt war. Dem veränderten Turmplan entsprechend wurde das bereits fertige Brüstungsgeschoß über der Haupttür zu einem Vasenpostament mit Tafel umgestaltet und seitlich davon das der Attique wegen fehlende Relief nachträglich, aber nur flach, eingespitzt. Die Erweiterung der Lukarnen war schon vorher erfolgt.

In der Ausführung wurde die Silhouette des Turmes etwas strenger durch den Wegfall seiner Vasen und durch die Verrundung des kantig gedachten Obelisken. Auch die auf dem Brüstungs­geschoß geplanten Vasen blieben weg. Bei Schmidt hatten diese Aufsätze über den Pilasterbündeln fialenartigen Charakter und waren fürs Auge nötig, um den an der Anschweifung der Attique ab­gleitenden Blicken einen Halte- und Wendepunkt zu geben. Krubsacius, Exner und Hölzer nahmen sie in ihre Entwürfe herüber und bildeten sie nach ihren Formenempfinden um. Zweimal beantragte das Konsil ihre Weglassung aus Ersparnisgründen. Die Oberbaukommission erklärte aber, „einem jeden, der auch noch so wenig Kenntnis in der Baukunst besitze, würden die leeren Postamente als etwas Unvollkommenes in die Augen fallen. Die Kirche habe überdies keinen Überfluß an äußerer Dekoration.“ Erst 1793 gestattete der Kurfürst dem Rat, daß die Beschaffung dieser Zierstücke „zur Zeit ausgesetzt“ werde und daß auch der geplante Figurenschmuck wegfalle. Für letzteren fehlte nach Eigenwilligs Bericht nicht nur das Geld, sondern auch „sattsam dazu geschickte Künstler“. Zur Sicherung gegen Feuersgefahr erhielt der Turm drei steinerne „Wetterböden“ und auf Vorschlag der Oberbaukommission (1783) einen „Gewitterableiter“, eine technische Neuheit jener Zeit.[2] „Auch wird in diesem Teile der Stadt kein schicklicherer Platz zu einem Ableiter zu finden sein.“ Der Kurfürst ordnete aus eigener Erwägung den nach heutigen Anschauungen unbedingt erforderlichen Anschluß des Kupferdaches an.[3]


    sicherte man ihn durch Ausmauerung seines Orgelbogens und der darüber liegenden gekuppelten Bögen. Die alten Arkadenpfeiler blieben stehen und wurden zu einer teilweise von der Orgel verdeckten Mauerverstärkung. (Abb. S. 143.)

  1. Vergl. Schumann, B. u. R., S. 81. – Gurlitt, Kunstd. Dr., 1900. „Die Auflösung der Massen durch die verschiedenen Ordnungen und die geschickt gezeichnete massive Spitze sind von hohem künstlerischen Wert.“
  2. Die Entdeckung des Blitzableiters durch Franklin fällt ins Jahr 1752. In Deutschland wurde der erste 1769 auf dem Hamburger Jakobikirchtum aufgestellt. (Hdb. d. Architektur III, 6.) In Dresden erhielt der Schloßturm 1776 einen solchen, der unter Direktion eines Wittenberger Professors aufgestellt wurde. (Hasche, Beschreib. Dresdens I, S. 173.)
  3. Die Ausführung der Blitzableitungsanlage erhielt der Direktor des Mathematischen Salons, Köhler, übertragen. Köhler hatte einen eigenartigen Bildungsgang. Nachdem er auf der Oschatzer Stadtschule Unterricht in den Sprachen genossen, kam er als Sechzehnjähriger nach Dresden zu Locke und erlernte Architekturzeichnen und das Maurerhandwerk (1761–65). Nebenbei trieb er, einer Neigung folgend, Astronomie im Mathematischen Salon. Schon
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Alfred Barth: Zur Baugeschichte der Dresdner Kreuzkirche. C. C. Meinhold & Söhne, Dresden 1907, Seite 136. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Alfred_Barth_Zur_Baugeschichte_der_Dresdner_Kreuzkirche.pdf/144&oldid=- (Version vom 29.4.2024)