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von der kleinen „attischen“ Ordnung, die an der ähnlichen Anlage der katholischen Hofkirche außen angebracht ist.

Die Hauptmaße der Schmidtschen Anlage sind in der beifolgenden Tabelle angegeben. Ein Vergleich mit der alten gotischen Kirche und mit anderen Bauten zeigt, wie gewaltig die Schmidtschen Abmessungen sind.

Der Fassungsraum ist bei einer protestantischen Kirche fast noch wichtiger als absolute Maße. Da die Mittel in der Regel beschränkt sind, muß eine möglichst gute Ausnutzung für Sitz­plätze erstrebt werden. Schmidts letztes Projekt hat für über 4200 Kirchenbesucher Platz. Nur noch 1/3 aller Sitze ist im Parterre.

Die Massenentwicklung.

Die äußere Gliederung des Gebäudes entspricht dem inneren Organismus. Die Hauptumfassungen haben gleiche Abstände vom Mittelsaal. An der Turmseite sind sie den Treppen entsprechend senkrecht zur Hauptachse geführt. Die Halbkreisform an der Altarseite wird durch Fort­setzung der Längsseiten um eine Fensterachse etwas abgeschwächt und an die entstehenden Ecken angeschweift. Diese Ecken erfüllen gleichzeitig einen statischen Zweck, wie noch auszuführen ist. Sie ermöglichen eine selbständige symmetrische Fassadenbildung der fünfachsigen Längsfronten. Durch die Vorhallen wird die Fassadenmitte als Querachse des Gebäudes betont. Sie entspricht nicht der Mittellinie des Innenraumes, doch halbiert sie den von Kirchgängern besetzten Teil im Erdgeschoß und auf den Emporen. Daß Schmidt diese Achsendifferenz aus künstlerischen Gründen erstrebt habe, um die Altarhälfte des Innenraums und dadurch diesen selbst für den seitlich Eintretenden größer erscheinen zu lassen, ist kaum anzunehmen. Bei seinen übrigen Kirchenplänen tritt diese Differenz nicht auf.

Alle vier Fassaden weisen bei nur geringem Längenunterschied gleiche Achsenzahl auf. Nur der Turm hindert den Eindruck der Zentralanlage. Eine mächtige römische Pilasterordnung beherrscht die ganze Höhe der Umfassungen. Das ausgesprochene Sockelgeschoß der Bährschen Bauten fehlt. Da­gegen tritt das Brüstungsgeschoß über dem Hauptsims stärker hervor. Bei der Frauenkirche ist es unter Knöffels Einfluß zur niedrigen Balustrade zusammengeschrumpft.

Die Attique schließt am Turm rechtwinklig an, auf der Altarseite zeigt sie die innere Halbkreis­form. Als Überführung von den Hauptumfassungen zu ihr ist eine Anschweifung in Stein mit einwärtsgeschwungenen Profillinien angeordnet. Sie hat vor allem statische Bedeutung und dient zur Abstützung des Mittelgewölbes. Beim ersten Projekt ist das Profil der Anschweifung ein nur wenig überhöhter Viertelkreis. Die Fenster schneiden „schießschartenartig“ mit breiten Backen ein. Nach dem Fall des alten Turmes wird die Überhöhung so groß, daß die Fenster im oberen fast senkrechten Teil sitzen können.

Die Pilaster der Umfassungen werden ähnlich wie bei der Hofkirche seitlich durch halbe Pilaster, in den Feldern neben den Vorhallen durch Lisenen verstärkt. Durch Verkröpfung des Gebälkes und der Brüstung und durch fialenartig aufgesetzte Vasen entstehen kräftige Pfeilerbündel, die den inneren Strebemauern entsprechen. Im dritten Projekt ist die Verkröpfung eingeschränkt und der Architrav horizontal durchgezogen, während er sich im zweiten Projekt, wie bei der Annenkirche, bogenförmig um die Hauptfenster legt. Als Höhe für diese hält Schmidt mindestens das Dreifache der Breite für erforderlich.

Die geschweifte Attique wird den Hauptpilastern entsprechend durch Gurte gegliedert, die kapitälartig an ein zweites Hauptgesims anschließen. Ein Satteldach mit konzentrischem Walm über­deckt den Aufbau. Der Mittelteil des Daches wird noch einmal etwas höher herausgehoben. Für die Eindeckung wird von Schmidt Ziegel oder Schiefer vorgeschlagen.

Die Neugestaltung des alten Turmes beschränkte sich im ersten Projekt auf den Ausbau der Spitze. Nach der Verbreiterung des Gebäudes wurde seine Pilasterarchitektur der „égalité“ wegen und „unter Zustimmung verschiedener Baukunstverständiger“ auch am Turm an­gebracht. Fremden Rat zu hören, schien geboten. War es doch nicht unbedenklich, in das alte Mauer­werk

Empfohlene Zitierweise:
Alfred Barth: Zur Baugeschichte der Dresdner Kreuzkirche. C. C. Meinhold & Söhne, Dresden 1907, Seite 30. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Alfred_Barth_Zur_Baugeschichte_der_Dresdner_Kreuzkirche.pdf/38&oldid=- (Version vom 26.3.2024)