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Schmidts Kreuzkirche wie Bährs Frauenkirche bringen die Konstruktion zum künstlerischen Ausdruck. Damit ist noch nicht gesagt, daß Konstruieren und Konzipieren zeitlich zusammenfiel, oder gar daß die Konstruktion als das Primäre voranging. Für die Frauenkirche[1] gilt gerade das Gegenteil. Bereits die ersten Pläne mit hölzerner Außenkuppel weisen die Halsbildung auf. Daß Bähr bereits an Steinausführung dabei dachte, ist noch nicht bewiesen und unwahrscheinlich. Die rein künstlerische Freude am Spiel der Linien, der befriedigende Zusammenschluß von Kuppel und Umfassung führte zur Planung des angeschweiften Halses wie der Ecktürmchen. Das Gesamtbild war bereits festgelegt, als die Idee massiver Ausführung, vorerst des Halses, in Bähr lebendig wurde. Daß die Form, zunächst lediglich ein schmückendes Motiv, leicht in Stein zu übersetzen war, gab wohl die Anregung und gestattete weiterhin auch die Außenkuppel massiv zu wölben. Schmidts erstes Kreuzkirchenprojekt wies ein hölzernes Mittelgewölbe auf; die Pläne waren bisher noch nicht aufzufinden. Nach dem Erläuterungsbericht besaß der Saal neun obere Fenster, „dergestalt, daß die Kirche nicht allein von innen ein gut Ansehen erhalte, sondern auch von außen durch Suppression des großen Daches bessere Figur gewinnen werde“. Dieser Wortlaut scheint ein Mansarddach, wie es damals allgemein üblich war und auch bei der Annenkirche ausgeführt wurde, auszuschließen. Flache Dächer verwarf Schmidt. Also wird er wohl ein der späteren Anschweifung ähnliches Dach geplant haben, wie er es über dem Chor der Großenhainer Kirche als Überleitung zum Turm angeordnet hatte und wie es für die Zittauer Johanneskirche, die sich eng an seine Kreuzkirchenpläne anschloß, beabsichtigt war. Wir erhielten damit die gleiche Entwicklung wie bei der Frauenkirche.


4. Schmidt und der protestantische Kirchenbau in Sachsen.

„Die Kreuzkirche verrät (hinsichtlich des protestantischen Bauprogramms) ebensoviel Geschick als ernstes Streben.“ (Gurlitt, G. d. B. Deutschl., 1889, S. 405.)

„Die Anordnung des Grundrisses ist trefflich und klar. Der...geschaffene Innenraum ent­spricht... dem evangelischen Bedürfnis in vorzüglicher Weise.“ (Schumann, B. u. R., 1885, S. 81.)

„Wir haben hier...ein Werk vor uns, in welchem der protestantische Baugedanke in wahr­haft vollendeter Weise zum Ausdruck gelangt ist und zwar...auf durchaus originellen Grundlagen. Alle Bedingungen, die der Protestantismus stellen muß, sind vollauf erfüllt, und trotz der ausschließlichen Anwendung der Ideen sowohl wie der Einzelformen des Barockstils ist der Charakter des Gottes­hauses voll und ganz gewahrt.“ (Sommer, D. z. B., 1890)

„Für die in ihrer architektonischen Schönheit und Großheit nicht genug gewürdigte Kirche aber erwarte ich von der sorglichen Durchführung der projektierten Arbeiten nicht allein, daß sie den ästhetischen Wert des Bauwerkes als solchen zur vollen, jetzt zum Teil nur verkümmert zum Ausdruck kommenden Entfaltung und allgemeinen Schätzung bringen werde, sondern auch die ideale Tendenz der Kirche als einer Stätte der Gottesverehrung im spezifisch protestantischen Sinne von kaum geahnter Hoheit und überzeugender Eigenart dokumentieren wird.“ (Lipsius, Erläuterungsbericht zu seinen Umbauplänen vom Dezember 1891.)

Diese Urteile Berufener bezeugen die hohe Bedeutung der Kreuzkirche für den protestantischen Kirchenbau. Sie beziehen sich auf das Gebäude vor der Renovation von 1894, in dem die Schmidtschen Bauabsichten nur verstümmelt zur Ausführung gekommen waren.

Das Programm für eine protestantische Kirche ist im wesentlichen dasselbe, seit Luther die Torgauer Kapelle als erste einweihte. Die Lösung des Programms wird immer wieder eine ver­schiedene sein. Die religiöse Grundstimmung einzelner Epochen, ja einzelner Gemeinden schwankt, insbesondere die Wertung von Kanzel und Altar. Da der Architekt selbst unter dieser Stimmung steht und den Wünschen der Gemeinde zu folgen hat, spiegelt sich die liturgische Eigenart auch im Kirchenbau.

Die Lösung des Programms hängt weiterhin ab von der Bildkraft und Schaffensart des ent­werfenden

Architekten. Vor allem fragt es sich, ob dieser rein vom Zweck ausgehend zu organischer


  1. Fritsch, Ein Werk über die Dresdner Frauenkirche. Deutsche Bauzeitung 1895, S. 44.
Empfohlene Zitierweise:
Alfred Barth: Zur Baugeschichte der Dresdner Kreuzkirche. C. C. Meinhold & Söhne, Dresden 1907, Seite 42. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Alfred_Barth_Zur_Baugeschichte_der_Dresdner_Kreuzkirche.pdf/50&oldid=- (Version vom 27.3.2024)