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war vereinfacht. Dieser veränderte Plan Bährs entsprach seinem im Juni 1726 approbierten Riß und im wesentlichen auch der Ausführung. Der sogenannte „2. Entwurf von 1724“[1] (Sponsel, Frk., Tafel X u. XI) widerspricht in den meisten Punkten den von Bähr konsequent verfolgten Kirchenbaugedanken. Schon Sponsel setzte Zweifel in Bährs Autorschaft. Daß der Plan in Bährs Atelier von einem Schüler Knöffels gezeichnet wurde, erscheint ausgeschlossen. Aus Aktenstellen läßt sich nach­weisen, daß der Entwurf von Knöffel selbst stammt.[2] Er fällt damit aus unserer Betrachtung heraus.

Die Beleuchtung des Innensaals erheischte bei der Frauenkirche und den Stadtkirchen nach Bährschem Typus überhaupt gesteigerte Beachtung. Die volle Ausnützung der Emporenräume und das Anwachsen der Emporentiefe beeinträchtigte die Wirkung der Hauptfenster. Für ein pro­testantisches Gotteshaus ist aber reichliche Beleuchtung eine Hauptbedingung. Auch muß sich diese, um eine weihevoll erhebende Wirkung zu erreichen, nach der Mitte zu steigern.[3] Bähr suchte diese Forderungen zunächst durch Einführung direkten Lichtes in den Mittelsaal zu erreichen. Er durchbrach die Innenkuppel mit großen Fensteröffnungen und mit einem mächtigen Auge. Durch dieses sollte die lichtdurchflutete Außenkuppel mit ihrer bis zur Laterne hinauf geplanten reichen Innenarchitektur[4] für den Kirchenbesucher sichtbar werden, sollte Blick und Herz des Beschauers in weihevoller Andacht nach oben ziehen. Die massive Durchbildung der Kuppelkonstruktion zwang Bähr zur Einschränkung der Lichtzufuhr. Auch der Durchmesser des Kuppelauges, der fast halb so groß wie der Saaldurch­messer geplant war, schrumpfte auf 1/3 desselben zusammen, die Lichtfläche des Auges von 1/5 auf 1/9 der Saalfläche. Zum Ersatz des Lichtausfalles legte Bähr die drei Hauptkirchenfenster durch Unter­brechung der dritten Empore frei. Im 19. Jahrhundert erhielt das Auge gegen Wärmeverluste einen Glasabschluß. Der Blick nach oben blieb ein Blick ins Licht. Dies der letzte Rest der großartig gedachten Raumerweiterung.

Neben der zentralen Beleuchtung von oben erhielt der Mittelsaal schon im ersten Plan ein reichliches Licht von einem besonderen Altarhaus her, das sich in Arkadenbreite und Emporenraumhöhe an den Saal anschloß. Das Zurückschieben des Altars von der Saalwand machte die angrenzenden Emporenteile wertlos. Bähr ließ daher die Emporenringe hier hufeisenförmig gegen die Umfassung auslaufen und die beiden Pfeiler der Altararkade von unten auf frei emporsteigen. In den Aus­führungsplänen wurde das Betstubengeschoß bis an diese Pfeiler herangezogen und mit der Architektur des Altarraums in Verbindung gesetzt. Die Idee des zentralen Saalraumes ist nicht mehr konsequent durchgebildet, dafür aber eine hallenartige außerordentlich malerische Raumerweiterung erzielt an der wichtigsten Stelle, auf die sich alles gottesdienstliche Interesse lenkt. Reiches eigenes Licht macht das Altarhaus zugleich zu einer Hauptlichtquelle des Gemeindesaales.

Die Kirche in Hohnstein (Sächs. Schweiz) läßt den Einfluß der Frauenkirche deutlich erkennen. Die Emporen liegen hufeisenförmig in den achteckigen Umfassungen des Gemeinderaumes. Ihre Fortsetzung am Altarplatz bis zum Anschluß an die Orgelempore verhindert aber ein Dominieren der Choranlage und läßt den Innenraum doch wieder saalartig wirken. Die Raumhöhen sind gleich, ein trennender Triumphbogen ist nicht ausgeführt. Die Turmlast wird nicht über der Saaldecke durch Spitzbögen abgefangen. Der halbkreisförmige Chor, der die Längsachse schließt, kommt innen nicht zur Geltung. Die Abmessungen sind sehr bescheiden.

Die äußere Durchbildung der Bährschen Kirchen zeigt im Gegensatz zu den Langhaus­anlagen eine geschlossene, kompakte Baumasse mit steilen Walmdächern und zentralem Dachreiter. Die Kreuzform und die chorähnliche Erweiterung der Sakristei hinterm Altar beleben die Silhouette. Der Aufwand an Architekturformen und die Gliederung ist sehr bescheiden. Die Ausführung erfolgt

durch einheimische Gewerken, denen höchstens ein Polier Bährs zur Seite stand. Die Feinheiten


  1. Vergl. Fritsch, Ein Werk über die Dresdner Frauenkirche. Deutsche Bauzeitung 1895, S. 32.
  2. Vergl. R. A., B. II. 14. Bl. 188 flg. Bähr hat nach Knöffels Riß ein Modell gefertigt, um nachzuweisen, daß „nach demselben füglich nicht könne gebaut werden“.
  3. Vergl. Fritsch, Kirche für Magdeburg. Deutsche Bauzeitung 1895, S. 108.
  4. Ein Einfluß von Wrens Paulskirche in London erscheint naheliegend. Doch finden sich ähnliche Motive auch an süddeutschen Barockkirchen.
Empfohlene Zitierweise:
Alfred Barth: Zur Baugeschichte der Dresdner Kreuzkirche. C. C. Meinhold & Söhne, Dresden 1907, Seite 47. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Alfred_Barth_Zur_Baugeschichte_der_Dresdner_Kreuzkirche.pdf/55&oldid=- (Version vom 28.3.2024)