dennoch der Vorzug in der Feinigkeit des Stoffes, in der Elasticität der Gefässe, und der Leichtigkeit und Wirksamkeit der Säfte, woraus jene vollkommnere Wesen, welche in den entfernten Planeten wohnen, gebildet seyn, diese Hinfälligkeit, welche eine Folge aus der Trägheit einer groben Materie ist, weit länger aufhalten, und diesen Creaturen eine Dauer, deren Länge ihrer Vollkommenheit proportionirt ist, verschaffen werde, so wie die Hinfälligkeit des Lebens der Menschen ein richtiges Verhältniß zu ihrer Nichtswürdigkeit hat.
Ich kan diese Betrachtung nicht verlassen, ohne einem Zweifel zuvor zu kommen, welcher natürlicher Weise aus der Vergleichung dieser Meinungen mit unseren vorigen Sätzen entspringen könnte. Wir haben in den Anstalten des Weltbaues an der Menge der Trabanten, welche die Planeten der entferntsten Kreise erleuchten, an der Schnelligkeit der Achsendrehungen, und dem gegen die Sonnenwirkung proportionirten Stoffe ihres Zusammensatzes, die Weisheit GOttes erkannt, welche alles dem Vortheile der vernünftigen Wesen, die sie bewohnen, so zuträglich angeordnet hat. Aber wie wollte man anjetzt mit der Lehrverfassung der Absichten einen mechanischen Lehrbegriff zusammen reimen, so daß, was die höchste Weisheit selbst entwarf, der rohen Materie, und das Regiment der Vorsehung, der sich selbst überlassenen Natur zur Ausführung aufgetragen worden? Ist das erstere nicht vielmehr ein Geständniß, daß die Anordnung des Weltbaues nicht durch die allgemeinen Gesetze der letzteren entwickelt worden.
Immanuel Kant: Allgemeine Naturgeschichte und Theorie des Himmels. Johann Friederich Petersen, Königsberg und Leipzig 1755, Seite 193. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Allgemeine_Naturgeschichte_und_Theorie_des_Himmels.djvu/257&oldid=- (Version vom 31.7.2018)