Braucht man Geld, so holt man sich eben einen Kriegsanleihschein und bezahlt damit. Entzinsung der festverzinslichen Werte ist Gesundung in wirtschaftlicher und sozialer Beziehung. So viel Schönheit und Papierwert wie unsere übrigen 10-, 20-, 100- und 1000-Mark-Scheine haben die Kriegsanleihescheine ja schließlich auch. Von einer Überschwemmung des Marktes mit Zahlungsmitteln kann bei einer derartig stoßfreien Überführung der Zinsenwirtschaft in die zinsfreie Volkswirtschaft gar keine Rede sein. Die Kriegsanleihestücke befinden sich ja bereits sämtlich wohlverwahrt und aufbewahrt in den Banktresors oder sonstigen vom Volk als diebessicher betrachteten Verstecken, als das sind der wollene Strumpf oder der Misthaufen. Es kann die Tatsache doch gar nicht geleugnet werden, daß die ausgegebenen papiernen Zahlungsmittel in Höhe von beiläufig 40 Milliarden ja auch nicht im Umlauf sind, sondern zum allergrößten Teil in der oben geschilderten Weise thesauriert sind. Unser Bedarf an Zahlungsmitteln war auch zu Zeiten der Hochkonjunktur vor dem Kriege nur etwa 4—6 Milliarden, und davon, daß wir heute mehr als das Doppelte dieser Summe bräuchten, kann bei dem sich immer mehr einbürgernden bargeldlosen Zahlungsverkehr keine Rede sein.
Ganz in der gleichen Weise ist selbstverständlich die Entzinsung für alle festverzinslichen Werte vorzunehmen. Für diese Werte, sowie für die Dividendenwerte wird sich indes mehr die ursprünglich für alle Werte vorgeschlagene „Rückzahlung“ in 20 oder 25 Jahresrenten empfehlen, so insbesondere auch für die Hypotheken. Die Brechung der Zinsknechtschaft für die Hypotheken bedeutet zweifellos die Lösung des Wohnungsproblems, die Befreiung von den unerschwinglichen Mieten. Es ist ebensowenig einzusehen, warum der Inhaber einer Hypothek aus der einmal dargeliehenen Summe ewigen Zinsgenuß haben soll, warum ihm ein mühe- und endloser Güterzufluß beschieden sein soll, warum die große Masse eines Volkes nur diesem ungesunden Zinsprinzip zuliebe jahraus, jahrein die hohen Mieten zahlen soll. Nur ganz kurz sei eingeschaltet, daß selbstverständlich von einer völligen Abschaffung des Mietzinses nicht die Rede sein kann, da ja die Verwaltung und Unterhaltung der Häuser ständig Arbeit und Geld erfordert. Es wird also eine Absenkung der Mieten nur soweit eintreten können, als durch die erfolgte Rückzahlung der Hypotheken sich von selbst ergibt.
Nur eines soll in aller Schärfe betont sein, daß die Brechung der Zinsknechtschaft nicht das geringste mit unserer gesamten werteschaffenden Arbeit zu tun hat, insofern, als dem Unternehmergeist, der schaffenden Arbeit, der Erzeugung von Gütern, dem Erwerb von
Gottfried Feder: An Alle, Alle! 1. Heft. Huber, München 1919, Seite 32. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:An_Alle,_Alle!_Heft_1,_1919.djvu/34&oldid=- (Version vom 29.10.2017)