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Mehr als 60 Dörfer in der Umgegend von Charput wurden verwüstet. Die Zahl der Verluste an Menschenleben ist, da die christliche Bevölkerung in dieser Gegend sehr zahlreich ist, unberechenbar. Eine Karawane von 200 Armeniern, die von Adana nach ihrer Heimat Charput zurückgeschickt war, wurde von Kurden angegriffen, welche 193 davon töteten, die sie eskortierenden Gendarmen, statt sie zu schützen, nahmen an der Plünderung teil. In den 60 Dörfern um Charput existiert keine christliche Kirche und Schule mehr. Nur ein christlicher Priester ist übrig geblieben, alle übrigen sind getötet oder konvertiert. In Charput selbst wurden 200 Familien gezwungen, den Islam anzunehmen.

In Arabkir warfen sich die Kurden und Türken bewaffnet auf die Christen und plünderten die Stadt. Nach den Konsularberichten dauerte das Plündern und Brandstiften zehn Tage. Ungefähr 3700 Häuser und 500 Läden wurden ausgeleert und 4000 Armenier getötet. An Muhammedanern kamen nach der offiziellen türkischen Statistik 60 um. Nach Beendigung der Brandstiftungen stellte die Polizei „Nachforschungen an, und alle Männer, die dem Massacre entronnen waren, wurden ins Gefängnis geworfen“ (Botschafterbericht).

Die Not der überlebenden Frauen und Kinder ist eine entsetzliche. Die Behörden teilten „einige Tage lang“ Brot aus, dann hörte die Hilfe auf.

Die Stadt Eghin wurde verschont, nachdem sie 1500 türk. Pfd. (ca. 30 000 M.) Lösegeld bezahlt hatte. Das Versäumte wurde in dem Massacre des Septembers 1896, über das noch nähere Nachrichten fehlen, nachgeholt.

In der Stadt Malatia griffen am 4. November die bewaffneten Kurden und Türken das Quartier der Christen an, die schon seit einer Panik am 29. Oktober ihre Häuser nicht verlassen hatten. „24 Stunden lang läßt der Mutessarif (Gouverneur) den Massacres und der Plünderung freien Lauf“, auch dann schützte er nur die in ihre Kirche geflüchteten katholischen Armenier; das Massacre unter den gregorianischen Armeniern dagegen wird ohne Einschreiten der Behörden sechs Tage lang fortgesetzt, bis 5000 Armenier, worunter viele Frauen und Kinder, ermordet und alle (ca. 1000) armenischen Häuser niedergebrannt waren.

In allen Landdistrikten des Vilajets wurden die Dörfer geplündert und ungezählte Armenier umgebracht. Eine uns vorliegende

Empfohlene Zitierweise:
Johannes Lepsius: Armenien und Europa. Eine Anklageschrift. Verlag der Akademischen Buchhandlung W. Faber & Co., Berlin-Westend 1897, Seite 15. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Armenien_und_Europa._Eine_Anklageschrift.pdf/17&oldid=- (Version vom 31.7.2018)