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wurden geplündert und angezündet. Dasselbe Schicksal betraf die übrigen Distrikte des Vilajets. Im Distrikt Severek allein wurden 176 Dörfer zerstört. Im Kloster Magapayetzotz wurden 300 Flüchtlinge erschlagen. In den Distrikten Selivan, Hyne und der Nachbarschaft 105 Kirchen geplündert und in Moscheen verwandelt, wie überhaupt im ganzen Vilajet die überlebende Bevölkerung der gregorianischen Dörfer und auch eines griechisch-orthodoxen zwangsweise konvertiert wurden; auch das große armenisch-katholische Dorf Telarmen wurde vollkommen ausgeplündert. Die Stadt Mardin, obwohl in großer Gefahr, blieb bis jetzt verschont. Unter den Notleidenden brach die Cholera aus.

Blutbäder im Vilajet Sivas.

Im Vilajet Sivas durchstreifen seit Anfang November bewaffnete Kurdenbanden das Land und sengen und brennen vereint mit den Muhammedanern. „Der Vali kann von der Pforte nicht die Autorisation zu wirksamen Maßregeln erlangen.“ (Botschafter-Bericht.) Das Massacre in der Stadt Sivas beginnt am 12. November mittags und dauert 3 Stunden, wird aber am 14. fortgesetzt. Alle den Armeniern gehörenden Läden sind ausgeplündert und der Kleinhandel vernichtet. Die Zahl der Opfer erreicht 2000. Am Abend des Massacres riefen die Muezzins von der Höhe der Minarets den Segen Allahs auf die Metzelei herab. Im Umkreis von 10 Kilometer um die Stadt sind alle armenischen Dörfer verwüstet. – Die Stadt Gurun wird am 12. November von 2000 Kurden oder, wie man behauptet, verkleideten Redifs (Reserven) belagert, nach 4tägigem Widerstand genommen und in einen Schutthaufen verwandelt. Tausend armenische Häuser wurden verbrannt; Zahl der Opfer über 2000. „Am 28. November, also 14 Tage nach dem Massacre, lagen noch 1200 Leichen unbeerdigt auf den Straßen.“ (Botschafter-Bericht.) Daß 150 Frauen und junge Mädchen von den Kurden weggeschleppt wurden, gehört zu dem Zubehör aller Massacres. 5075 Personen entbehren in Gurun des täglichen Brotes.

In Schabin-Kara-Hissar-Scharki fanden vom 27. bis 29. Oktober Massacres und Plünderungen statt. Am 1. November wurden 2000 Personen, zum großen Teil Frauen und Kinder, die sich in die armenische Kirche geflüchtet hatten, getötet. Die Zahl der

Empfohlene Zitierweise:
Johannes Lepsius: Armenien und Europa. Eine Anklageschrift. Verlag der Akademischen Buchhandlung W. Faber & Co., Berlin-Westend 1897, Seite 17. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Armenien_und_Europa._Eine_Anklageschrift.pdf/19&oldid=- (Version vom 31.7.2018)