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und Ohren den Beweis erbringen, erklärt, nicht eher ruhen zu wollen, als bis er das Hundert vollgemacht. Doch er findet einen Meister in dem Hadji Begos von Tadem, der das Hundert schon überschritten und als Trophäe seiner Heldenthaten eine Frau in vier Stücke zerschneiden und die auf Pfähle gespießten Teile öffentlich zur Schau stellen läßt. Der Schlächter in Aintab, der sechs Armenierköpfe auf seine Bratspieße steckt, wird noch übertrumpft von den Türken zu Subaschigulp, die die Armenier wie die Hammel schlachten und rings an den Fleischerhaken aufhängen. Der Pöbel von Trapezunt aber bringt Humor in die Sache. Der armenische Schlächter Adam und sein Sohn werden erschossen, in Stücke geschnitten, die Glieder einzeln aufgespießt und den Passanten feilgeboten: „Wer kauft, einen Arm, ein Bein, Füße, Köpfe, billig zu haben, kauft!“

Doch die Unschuld sollte geschont werden. Die Kinder laßt am Leben! „Nur vom siebenten Jahr ab, hat der Sultan befohlen, die Christen zu töten!“ Aber wer hört auf die Stimme der Besonneneren! Was soll die unnütze Brut, die in Angst und Verwirrung von in entsetzlicher Hast geflüchteten Eltern zurückgelassen, die in den einsamen Bergschluchten der Umgegend von Musch herumirren oder nackt, frierend und bettelnd in den Städten wie Rudel von Straßenhunden herumlungern! Die Muhammedaner eines großen Dorfes bei Marasch ersparten einem einjährigen Kind dieses traurige Schicksal und warfen es ins Feuer. In Baiburt waren sie barmherzig genug, gleich die Säuglinge mit den Müttern in 14 Häusern zu verbrennen. Der reiche Ohannes Avakian von Trapezunt bietet dem stürmenden Pöbel alle seine Habe, wenn sie sein und der Seinen Leben schonen. Seinen dreijährigen Knaben hält er im Arm. Doch die Habe entgeht den Wüterichen nicht, erst den Knaben tot, damit sie an den Alten können! und ermordet werden beide vor den Augen der Mutter und Geschwister. Kinder auf dem Schoß der Mütter zu erwürgen, ficht einen tapferen Türken nicht an, und Fangball mit einem Kleinen spielen und ihn vor den Augen der Mutter von einem Bajonett aufs andre zu werfen, scheint den Soldaten von Bitlis ein heiteres Kriegsspiel. Auf der verstümmelten Leiche des Vaters, dem man zuvor ein Stück Fleisch nach dem andern aus dem Leibe gehackt und Essig in die Wunden gegossen, noch seinen Knaben mit blutigem Spielzeug zu erschlagen, erfreute den Pöbel von Erzerum.

Empfohlene Zitierweise:
Johannes Lepsius: Armenien und Europa. Eine Anklageschrift. Verlag der Akademischen Buchhandlung W. Faber & Co., Berlin-Westend 1897, Seite 25. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Armenien_und_Europa._Eine_Anklageschrift.pdf/27&oldid=- (Version vom 31.7.2018)