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dann wie eine Eidechse in das Telegraphenbureau hinein, um die Depesche nach Dietendorf aufzugeben. –

Und wenig genug Zeit wurde ihm dazu gelassen, denn gleich darauf läutete es schon wieder zur Abfahrt. Der Zug hatte acht Minuten versäumt und die mußten wohl oder übel wieder eingebracht werden.

Sollte sich auch der Mann in Nanking auf diesem verhängnißvollen Zug – nein – da kam er herausgeschossen, und setzte sich rasch auf den von dem Ordentlichen geräumten Platz, dem Dicken gegenüber. Kaum saß er, als der Schaffner die Thür, an der er das Fenster wieder heruntergelassen, zuschlug, dann auf den eisernen Gangweg stieg und, während sich der Zug in Bewegung setzte, sagte:

„Billets nach Fröttstedt, meine Herren.“

Es war noch ein junger Mensch mit einem kleinen Tornister eingestiegen, der eben dorthin und wahrscheinlich auch eine Vergnügungstour in den Thüringer Wald machen wollte. Die Beiden lieferten ihre Billette ab, der Schaffner verschwand draußen, um sich in sein eigenes Coupé an den Eisenstangen hinzufühlen, und der kleine Mann in Nanking sagte:

„Alle Wetter, das ging geschwind – die konnten mir da drin nicht so schnell herausgeben, und beinah hätt’ ich auch einen dummen Streich gemacht und den Zug versäumt. Na, das wär’ eine schöne Geschichte gewesen – Jemine, und die Schwiegereltern in Fröttstedt.“

Die einzige Antwort die er von dem Dicken bekam, war eine ausgestoßene Dampfwolke, die einem jungen Schornstein Ehre gemacht hätte. Der kleine lebendige Mann aber mußte sich, mit dem ersehnten Ziel dicht voraus, irgend Jemanden mittheilen, und da er keine andere fühlende Brust im Coupé fand, so wandte er sich an den Gymnasiasten, dem er, ebenso wie vorher der Frau Professorin, erzählte, wer ihn in Fröttstedt erwarte, und was für eine fidele Partie sie nachher machen wollten. In Reinhardsbrunn im Gasthof war auch schon das Essen genau auf die Stunde bestellt, ebenso ein Führer und Gepäckträger, kurz Alles auf das Genaueste und Pünktlichste geordnet. Es gereichte ihm dabei zu großer Befriedigung, als er von dem Gymnasiasten erfuhr, daß die Pferdebahn auch direkt abgehen würde, denn der von Eisenach kommende Schnellzug treffe unmittelbar nach ihnen in Fröttstedt ein.

In dem Augenblick pfiff es wieder. Der Kleine horchte auf und sah aus seinem Fenster an der rechten Seite, konnte aber dahinaus Nichts erkennen. In dem Augenblick bremste der Zug ein.

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Friedrich Gerstäcker: Auf der Eisenbahn. Ernst Keil, Leipzig 1865, Seite 116. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Auf_der_Eisenbahn-Gerstaecker-1865.djvu/10&oldid=- (Version vom 31.7.2018)