mit betäubendem Rasseln der andere Schnellzug, der, von Eisenach kommend, in wenigen Secunden fest in Fröttstedt hält – was hilft es ihm – er kann nicht hinüber – vorbei – und weiter, wie auf Sturmesfittigen getragen, und hier von der bedeutenden Senkung noch begünstigt, donnert der schnaubende Koloß thalab.
Der kleine Mann sank wie vernichtet auf den Sitz mir gegenüber, und ich suchte ihn jetzt damit zu trösten, daß auch er ja mit dem nächsten Güterzug nach Fröttstedt zurück könne.
„Ach du lieber Gott,“ klagte er aber – „der kommt ja erst 5 Uhr 46 Minuten und erst Abends spät geht die Pferdebahn wieder nach Waltershausen.“
Es war nichts dabei zu machen, und bis Eisenach wurde kein Wort weiter zwischen uns gewechselt. Wenn es aber einen Superlativ im Schweigen geben könnte, so leistete den der Dicke, der während der ganzen vorbeschriebenen Scene nicht einmal den Kopf dahin gedreht, ja mit keiner Wimper gezuckt hatte. Wie aus Stein gehauen saß er da, und nur der Dampf verrieth, daß noch innere Wärme in ihm lebte.
In Eisenach, wo ich ebenfalls ausstieg um die Werrabahn zu benutzen, hatte der Kleine noch einige Schwierigkeiten, bis er sein eingeklemmtes Stück Nanking aus der gegenüber befindlichen Thür bekommen konnte, und er mußte einem der Wagenschmierer ein gut Wort geben, daß er die Thüre von der andern Seite öffnete. Als ich ihn zuletzt sah, stand er wehmüthig auf dem Perron, hielt das heimtückische Stück Zeug in der Hand und sah nach der Uhr hinauf, die funfzehn Minuten nach drei zeigte.
Friedrich Gerstäcker: Auf der Eisenbahn. Ernst Keil, Leipzig 1865, Seite 118. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Auf_der_Eisenbahn-Gerstaecker-1865.djvu/12&oldid=- (Version vom 31.7.2018)