wieder in Eisenach beisammen und es blieb ihnen an dem langen Sommerabend noch übrig Zeit zu einer recht hübschen Partie nach der Wartburg.
Der Professor griff dabei wie unwillkürlich an seine Westentasche und sagte:
„Wenn sie nur nachkommt – sie hat die Kasse.“
Es ließ sich aber vor der Hand wirklich nichts Anderes thun, und in Dietendorf hielt der Zug kaum, als der Professor schon nach dem Schaffner schrie, um die Thür geöffnet zu bekommen.
„Machen Sie rasch, es geht gleich wieder fort!“ rief ihm dieser nach, aber der Professor hörte schon nicht mehr und sprang in flüchtigen Sätzen in das Telegraphenbüreau.
Hier stieg, während der Kleine in Nanking auf dem Perron lustwandelte, ein anderer Passagier ein, der sich dem Dicken gegenübersetzte und den Bahnzug nur als Droschke zu benutzen schien. Er war nicht allein sehr anständig, sondern auch sehr sorgfältig gekleidet in schwarzem Frack und eben solchen Beinkleidern, seidener Weste und tadellos geknotetem weißen Halstuch. Ueberhaupt hatte er in seinem ganzen Wesen etwas Aengstliches und peinlich Ordentliches, das nirgends weniger hinpaßt, als in ein Eisenbahncoupé.
Als er einstieg und schüchtern grüßte, nahm er seinen zu einem Spiegel geglätteten Hut ab und setzte ihn vorsichtig neben sich hin, nahm ihn aber augenblicklich wieder in die Höhe, strich mit einer kleinen Taschenbürste die etwa verschobenen Haare sauber glatt, und setzte ihn wieder auf. Er schien sogar die entschiedene Absicht zu haben, ein paar fleckenlos neue weiße Glacéhandschuhe anzuziehen, besann sich aber doch noch bei Zeiten eines Besseren, wickelte sie wieder zusammen und schob sie in die Tasche zurück.
Einen blauseidenen Regenschirm, obgleich keine Wolke am Himmel stand, hatte er neben sich auf den Sitz gelegt. Da schlug die Glocke wieder scharf dreimal an, und mit dem letzten Schlag saß der in Nanking im Coupé und auf dem blauen Regenschirm, von dem er aber, sich entschuldigend, wieder in die Höhe schnellte. Die Thür war geschlossen.
„Herr Jesus! ist denn der Professor noch nicht da?“ rief er. „Heh Schaffner! es fehlt noch eine Person.“
Ein Pfiff antwortete ihm und fort rollte der Zug. Wir hörten noch etwas rufen, sahen wie die weiter vorwärts am Perron stehenden Leute lachten – und nichts mehr. Der Professor hatte sich subtrahirt.
„Na das ist göttlich!“ rief der Kleine in Nanking – „jetzt will der
Friedrich Gerstäcker: Auf der Eisenbahn. Ernst Keil, Leipzig 1865, Seite 113. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Auf_der_Eisenbahn-Gerstaecker-1865.djvu/7&oldid=- (Version vom 31.7.2018)