Brüder, als ob dieser Volksriese noch von eisernem Zauberschlaf an allen seinen Gliedern gebunden läge! ich sage Euch: er schläft nicht mehr tief, er schlummert nur noch leise, er ist schon im Erwachen. Lasset Euch nicht täuschen durch die Zuversicht Nicolai’s, durch das Vertrauen, welches er auf seine Despotenkünste, auf die Treue seiner Heere, auf die Unterthänigkeit der Massen und auf den Glauben auf seine Gewalt setzt.
Ich sage Euch: dieser Glaube wankt überall und Knutenhiebe, Degradationen, Confiscationen, sibirische Verbannung und Verbannung an den Kaukasus sind schlechte Mittel um ihn wieder zu beleben.
Ich sage Euch: Die Despotenkünste scheitern immer mehr und mehr an der Felsenbrust des revolutionären Geistes, zu dessen Abwehr von dem russischen Boden der Tyrann, im Innersten schon erzitternd, wenn auch äußerlich Ruhe und Festigkeit heuchelnd, vergeblich an seinen Gränzen fürchterliche Truppen-Cordons zieht und sich sogar bereit hält, ihm, dem Geiste der Revolution, auf österreichischem und preußischem Boden entgegen zu rücken; vergeblich, sage ich, denn der Geist schreitet unsichtbar fort, und spottet, wie die asiatische Cholera, aller Cordons und Sperren.
Ich sage Euch: Die Treue der russischen Heere ist angefressen von dem Mitgefühle des Slaven für den Slaven, von dem Zuge des russischen Herzens zum polnischen Bruderherzen hin. Ja, das russische Herz, es blutet vor Scham und Schmerz, daß die deutschen Inhaber des russischen Scepters ein slavisches Brudervolk so grausam an Deutschlands Tyrannen verrathen und ein slavisches Land so schimpflich mit den Tyrannen Deutschlands getheilt haben; es blutet,
Michail Alexandrowitsch Bakunin: Aufruf an die Slaven.. Selbstverlag des Verfassers., Koethen. 1848, Seite 23. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Aufruf_an_die_Slaven-Bakunin-1848.djvu/023&oldid=- (Version vom 31.7.2018)