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 An meinen Bruder.
 Zum Abschiede im Jahr 1813.

Steig’ aufwärts, Morgenstunde!
Zerreiß’ die Nacht, daß ich in meinem Wehe
Den Himmel wiedersehe,
Wo ew’ger Frieden in dem blauen Grunde!

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Will Licht die Welt erneuen:

Mag auch der Schmerz in Thränen sich befreien.

Mein lieber Herzensbruder!
Still war der Morgen – Ein Schiff trug uns beide.
Wie war die Welt voll Freude!

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Du faßtest ritterlich das schwanke Ruder,

Uns beide treulich lenkend,
Auf froher Fahrt nur Einen Stern bedenkend.

Mich irrte manches Schöne,
Viel reizte mich und viel mußt’ ich vermissen.

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Von Lust und, Schmerz zerrissen,

Was so mein Herz hinausgeströmt in Töne:
Es waren Wiederspiele
Von Deines Busens ewigem Gefühle.

Da ward die Welt so trübe,

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Rings stiegen Wetter von der Berge Spitzen,

Der Himmel borst in Blitzen,
Daß neugestärkt sich Deutschland d’raus erhübe. –
Nun ist das Schiff zerschlagen,
Wie soll ich ohne Dich die Fluth ertragen! –

Empfohlene Zitierweise:
Joseph von Eichendorff: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Vereinsbuchhandlung, Berlin 1826, Seite 242. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Aus_dem_Leben_eines_Taugenichts_und_das_Marmorbild.djvu/246&oldid=- (Version vom 31.7.2018)