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Nun sitzt sie hoch auf lichtem Schlosse,

In schöne Kleider putzt sie sich,
Die Fenster glüh’n, sie winkt vom Schlosse,
Die Sonne sinkt, das blendet Dich.

Die Augen, die so furchtsam waren,

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Die haben jetzt so freien Lauf,

Fort ist das Kränzlein aus den Haaren,
Und hohe Federn steh’n darauf.

Das Kränzlein ist herausgerissen,
Ganz ohne Scheu sie mich anlacht;

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Geh’ Du vorbei: sie wird Dich grüßen,

Winkt Dir zu einer schönen Nacht. –

Da sieht sie die Gesellen wieder,
Die fahren unten auf dem Fluß,
Es singen laut die lust’gen Brüder,

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So furchtbar schallt des Einen Gruß:


„Was bist Du für’ne schöne Leiche!
So wüste ist mir meine Brust,
Wie bist Du nun so arm, Du Reiche,
Ich hab’ an Dir nicht weiter Lust!“

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Der Wilde hat ihr so gefallen,

Laut schrie sie auf bei seinem Gruß,
Vom Schloß möcht sie herunter fallen.
Und unten ruh’n im kühlen Fluß. –

Empfohlene Zitierweise:
Joseph von Eichendorff: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Vereinsbuchhandlung, Berlin 1826, Seite 271. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Aus_dem_Leben_eines_Taugenichts_und_das_Marmorbild.djvu/275&oldid=- (Version vom 31.7.2018)