seit er Gelehrtenschüler war, schlief und arbeitete; wenn es Mittags zu heiß wurde – denn es war im Hochsommer – hing er das Bauer auch wohl nach draußen neben dem Fenster, wo der schmale Lindenschatten es bedeckte. Aber auch hier wollte der Vogel mit seinem Liede nicht beginnen, sondern krakelte nur mitunter ein unmelodisches Gezwitscher. „De kann nix,“ sagte der Gesell, „se hebt di wat wiis måkt, Fritz!“
„Geduld, Marten!“ rief dann Fritz, „en Bötjerhuus mutt so’n vörnehmen Vagel erst wendt warren!“
Und richtig, als nach einigen Tagen Fritz aus der Schule kam und, wie jetzt immer, leise und lauschend die Treppe hinanstieg, da mußte er plötzlich stehen bleiben.
„Üb’ immer Treu’ und Redlichkeit!“
Wahrhaftig! das war der Vogel, er flötete! Und noch einmal wieder:
„Üb’ immer Treu’ und Redlichkeit!“
Die Melodie war ganz genau und Fritz sang leise die Worte mit, aber weiter kam der Vogel nicht. Fritz stand lange unbeweglich; als er aber
Theodor Storm: Bötjer Basch. Berlin: Gebrüder Paetel, 1887, Seite 035. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:B%C3%B6tjer_Basch.djvu/035&oldid=- (Version vom 31.7.2018)