mir, die vergangenen Ereignisse, welche nur als verschwommene Umrißbilder im Gedächtnis haften geblieben, bis in die kleinsten Einzelheiten zu schildern, und ganze längst vergessene Gedankenfolgen oder längst verklungene Gespräche wörtlich wiederzugeben.
Im nächstfolgenden Fasching sollte ich in die Gesellschaft eingeführt werden. Diese Aussicht entzückte mich aber nicht so außerordentlich, wie dies gewöhnlich bei jungen Mädchen der Fall ist. Mein Sinn strebte nach Höherem, als nach Ballsaaltriumphen. Wonach ich strebte? Diese Frage hätte ich mir wohl selber nicht beantworten können. Vermutlich nach Liebe … doch das wußte ich nicht. All diese glühenden Sehnsuchts- und Ehrgeizträume, welche im Jünglings- und Jungfrauenalter die Menschenherzen schwellen, und welche unter allerlei Formen – Wissensdurst, Reiselust, Thatendrang – sich verwirklichen wollen, sind doch zumeist nur die unbewußten Bestrebungen des erwachenden verliebten Triebes.
In diesem Sommer wurde meiner Tante ein Kurgebrauch in Marienbad verordnet. Sie fand es für gut mich mitzunehmen. Obgleich meine offizielle Einführung in die sogenannte Welt erst in der kommenden Winterszeit stattfinden sollte, so wurde mir doch gestattet, einige kleine Kurhausbälle mitzumachen; – gleichsam als Vorübung im Tanzen und Konversieren, damit ich in meiner ersten Faschingssaison nicht gar zu schüchtern und ungelenk auftreten möge.
Doch was geschah auf der ersten „Reunion“, die ich besuchte? Ein großes, sterbliches Verlieben. Natürlich
Bertha von Suttner: Die Waffen nieder!. Dresden/Leipzig: E. Pierson’s Verlag, 1899, Band 1, Seite 10. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bertha_von_Suttner_%E2%80%93_Die_Waffen_nieder!_(Band_1).djvu/015&oldid=- (Version vom 31.7.2018)