ich gehofft, daß er zu mir kommen oder wenigstens mir schreiben würde; es verging aber ein Tag um den andern, ohne mir den erwarteten Besuch oder Brief zu bringen.
„Ich begreife nicht, was Du hast, Martha,“ so sprach mich eines Morgens Tante Marie an; „Du bist seit einiger Zeit so verstimmt, so zerstreut, so, ich weiß nicht wie … Du hast sehr, sehr unrecht, daß Du keinem Deiner Bewerber Gehör schenkst. Dieses Alleinsein – das habe ich zu allem Anfang gesagt – taugt nicht für Dich. Die Folge davon ist dieser Spleen[WS 1], der Dich jetzt auszeichnet. – Hast Du schon Deine österliche Andacht verrichtet? Das würde Dir auch gut thun.“
„Ich denke, beides: heiraten und beichten, sollte aus Liebe zur Sache gethan werden und nicht als Spleenkur. – Von meinen Bewerbern gefällt mir keiner, und was das Beichten betrifft –“
„So ist es höchste Zeit: morgen ist Gründonnerstag … Hast Du Billets zur Fußwaschung?“
„Ja – Papa hat mir welche verschafft – aber ich weiß wirklich nicht, ob ich gehen werde.“
„O das mußt Du – es gibt nichts Schöneres und Erhebenderes, als diese Ceremonie … der Triumph der christlichen Demut: Kaiser und Kaiserin auf dem Boden rutschend, um die Füße armer Pfründner und Pfründnerinnen zu waschen – symbolisiert das nicht so recht, wie klein und nichtig die irdische Majestät vor der göttlichen ist?“
„Um durch Niederknieen Demut sinnbildlich darzustellen,
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Vorlage: Spleeen
Bertha von Suttner: Die Waffen nieder!. Dresden/Leipzig: E. Pierson’s Verlag, 1899, Band 1, Seite 126. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bertha_von_Suttner_%E2%80%93_Die_Waffen_nieder!_(Band_1).djvu/131&oldid=- (Version vom 31.7.2018)