selbst wenn heute, wie für so viele andere, auch für uns das Dekret gefallen wäre: Es ist vorbei. (Derselbe Gedanke, wie ich in meinen roten Heften: die vielen anderen Verurteilten.) Heute geht’s dem „Feind“ entgegen. Vielleicht erkenne ich drüben ein paar Kampfgenossen von Düppel und Alsen – vielleicht meinen kleinen Vetter Gottfried … Wir marschieren nach Liebenau mit der Avantgarde des Grafen Clam-Gallas. Von nun an gibt’s zum Schreiben keine Zeit mehr. Erwarte Dir keine Briefe. Höchstens, wenn sich die Gelegenheit bietet, eine Zeile, zum Zeichen, daß ich lebe. Vorher möchte ich noch ein einziges Wort finden, das meine ganze Liebe in sich faßte, um es Dir – falls es das letzte wäre – hier niederzuschreiben. Ich finde nur dieses: „Martha!“ Du weißt, was mir das bedeutet.“
Konrad Althaus mußte auch ausrücken. Er war voll Feuer und Kampfeslust und von genügendem Preußenhaß beseelt, um gern hinauszuziehen: dennoch fiel ihm der Abschied schwer. Die Heiratsbewilligung war erst zwei Tage vor dem Marschbefehl eingetroffen. „O, Lilli, Lilli,“ sprach er schmerzlich, als er seiner Braut Lebewohl sagte, „warum hast Du so lang gezögert, mich zu nehmen? Wer weiß nun, ob ich wiederkomme!“
Meine arme Schwester war selbst von Reue erfüllt. Jetzt erst erwachte leidenschaftliche Liebe für den Langverschmähten. Als er fort war, sank sie weinend in meine Arme.
Bertha von Suttner: Die Waffen nieder!. E. Pierson’s Verlag, Dresden/Leipzig 1899, Band 2, Seite 5. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bertha_von_Suttner_%E2%80%93_Die_Waffen_nieder!_(Band_2).djvu/010&oldid=- (Version vom 31.7.2018)